Wyoming: Irma, süßestes Hotel

Bestand. An der Fastausrottung der Bisons hatte Buffalo Bill fast keinen Anteil.
Bestand. An der Fastausrottung der Bisons hatte Buffalo Bill fast keinen Anteil.(c) imago/blickwinkel
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Das Städtchen Cody ist die Welthauptstadt des Rodeos – und sie wurde
von Buffalo Bill höchstpersönlich gegründet.

Jeden Tag um 18.30 Uhr kommt es zu einer Schießerei vor dem Hotel „The Irma“ an der Hauptstraße von Cody, Wyoming. Zwei Männer fallen tot um. Es sind Butch Cassidy und Sundance Kid. Sie stehen aber wieder auf, denn es handelt sich um das tägliche Freilufttheater „Wild Bunch“, Sitzplätze zwei Dollar, unterstützt wird das Spektakel von lokalen Betrieben und einem Getränkekonzern. „Tun Sie mir also den Gefallen und trinken Sie heute in Cody ein Coca-Cola“, verlautbart der Moderator, und man weiß nicht, wie ironisch oder ernst er das meint: „I would appreciate that!“ Im Wilden Westen wird womöglich noch mehr „appreciated“ als im Rest von Amerika. Der Dialekt ist derart cool, dass man in einem Lokal schon mal das Passwort für das WLAN nicht versteht, obwohl es einfach „Thank you“ heißt. Macht nichts. Den Bewohnern des 10.000-Einwohner-Städtchens ist Geduld nicht fremd. Vielleicht liegt das an den etwa 300 Weißwedelhirschen, die in den Straßen und Vorgärten in einer Art scheuen Symbiose mit den Menschen grasen. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Rehe, nur gibt es in Amerika keine Rehe. Von diesen alteingesessenen „whitetail deers“ existierten auf dem Kontinent einst 40 Millionen, heute sind es 400.000.

Auftrag. Andere mögen größere Schauplätze sein, aber Cody hat DAS Rodeo.
Auftrag. Andere mögen größere Schauplätze sein, aber Cody hat DAS Rodeo.(c) Andy Watson

Aufwendiges Spiel. Cody heißt nach seinem Gründer, dessen Tod sich gerade das 100. Mal jährt. William F. Cody (1846–1917) war einer der berühmtesten Männer seiner Zeit. Mit 13 schon nahm er am Gold Rush in Colorado teil, 1861 war er Reiter des berühmten Pony Express, einer Staffel zur Beförderung von Poststücken, später Kundschafter für die Nordstaaten im Bürgerkrieg und Kämpfer in Indianerkriegen. Auch jagte er Büffel für die Mahlzeiten der Eisenbahnarbeiter, er tötete stolze 4280 Stück, was ihm seinen Spitznamen und später auch den Ruf einbrachte, für die Fastausrottung dieses Tiers verantwortlich zu sein, ein unfairer Vorwurf, da in jener Zeit insgesamt an die 60 Millionen Büffel wegen Fleisch, Fell und Hörnern geschlachtet wurden.

Erst das Treffen mit seinem Eckermann, dem New Yorker Journalisten Ned Buntline, der sein Leben in Groschenheften und Theaterstücken festhielt, brachte Buffalo Bill zum Showbusiness. Ab 1883 gründete er seine eigene Buffalo Bill’s Wild West Show, ein andréhellerscher Mix aus Wildwest- und Indianer-Klischees mit authentischem Personal und echten Tieren, mit dem er durch die USA tourte, vom kleinsten Städtchen bis zum Madison Square Garden in New York. Hier wurde geschossen, gekämpft, getanzt und theatergerecht gestorben. Nicht zuletzt durch diese Aufführungen begannen die Amerikaner, den Wilden Westen als Teil ihrer Geschichte zu rezipieren. Einige aus dem Team, wie die Meisterschützin Annie Oakley (1860–1926), wurden hier berühmt. Diese Zirkusfrau war eine Vorkämpferin für Frauenrechte und bildete Schützinnen aus. Cody holte auch Stars für tragende Rollen – wie den Häuptling Sitting Bull, der sich einige Monate lang der Truppe anschloss und, wie es hieß, eine enge geistige Verbindung zu Annie Oakley aufnahm.

Monument. Buffalo Bill hieß eigentlich William Frederick Cody.
Monument. Buffalo Bill hieß eigentlich William Frederick Cody.(c) gemeinfrei

1887 und von 1902 bis 1904 überquerte „Buffalo Bill’s Wild West“ mit einer ungeheuren Entourage von Menschen und Tieren den Atlantik und tourte durch Europa. Dem Shownamen fügte Cody „Congress of Rough Riders of the World“ hinzu – bald kamen zu den amerikanischen Ureinwohnern, Schwarzen und mexikanischen Vaqueros auch russische Kosaken und Araber. Dass Cody Wert darauf legte, die Indianerrollen auch mit Indianern statt mit Schauspielern zu besetzen, bescherte ihm Probleme mit dem Innenministerium. Letztlich setzte er den Wunsch durch. Für einige Indianer bot das nicht nur die Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen und dem schwierigen Leben in der Abschottung zu entkommen, sondern auch, ihre Stammeskleidung zu tragen und ihre Tänze zu praktizieren, die in den Reservaten verboten waren. Da sie in ihrem eigenen Land schon nicht sie selbst sein durften, konnten diese wenigen ihre Kultur zumindest repräsentieren. Die Show war eine Sensation – in Glasgow wurde in einer Woche der Rekord gebrochen, 175.000 Menschen besuchten die sieben Shows. „Die Art, wie das Publikum drängte, verursachte mir einiges Unbehagen“, sagte Cody damals in einem Zeitungsinterview, „und der Polizeichef teilte dieses Gefühl“.

1906 landete die Show in Triest, zu ihrer letzten Europa-Tournee, drei Monate durch die Österreichisch-ungarische Monarchie. Cody benötigte 50 Eisenbahnwaggons, 18 für die Tiere. Nach großen Erfolgen in Wien und Budapest lief es in kleineren Städten unrund, viele Sitze blieben leer, die Menschen arbeiteten ja auf den Feldern. Die Theatersprache war Deutsch, und obwohl die meisten das beherrschten, nahm man es den Amerikanern übel, nicht in der Landessprache (Ungarisch, Slowakisch, Rumänisch, Serbisch oder Ukrainisch) angesprochen zu werden. Buffalo Bill verdiente trotzdem eine Menge, investierte es aber grundsätzlich schlecht, und 1913 ging sein Wildwest-Unternehmen dann auch noch bankrott.

Denkmal. Das Grab des Jeremiah Johnston.
Denkmal. Das Grab des Jeremiah Johnston. (c) Cody/Yellowstone Country

Das sind Helden. An dem exakten Ort, an dem Buffalo Bill 1895 die Stadt Cody eigentlich gründen wollte – etwas außerhalb des heutigen Stadtkerns – liegt der West Strip mit Friedhof und Walmart. In der „Cody Firearms Experience“ können die Leute schießen, im „Fireworks Factory Outlet“ Raketen kaufen („You’ve never seen so many fireworks!“) und durch den vulkanischen Colter’s Hell Trail spazieren, benannt nach Trapper John Colter, einem der ersten Europäer im nördlichen Wyoming. Hier steht auch die Old Trail Town, ein Freilichtmuseum mit 27 Häusern bzw. Hütten aus der Zeit zwischen 1879 und 1902, die man dem Verfall entreißen konnte, und über 100 Wagen und Kutschen. Da sind unter anderem die Hütte, in der sich die „Hole-in-the-Wall Gang“ von Butch Cassidy und Sundance Kid versteckte, eine Schule mit Katheder und Bänken, eine Apotheke, ein Drugstore, ein Kutschenmuseumsstadel, die Heimstätten von Trappern und Jägern, und nicht zuletzt eine Bar, der Rivers Saloon, in dem Cowboys, Goldgräber und Outlaws einst miteinander Karten spielten – selbstverständlich mit original Einschusslöchern in der Tür.

Neben einem ausgestopften Kalb mit zwei Köpfen dürfen auch ein paar Gräber nicht fehlen, unter anderem das des Trappers Jeremiah „Liver Eating“ Johnston (1824–1900), dessen geliebte Indianerfrau getötet wurde, was ihn zu einem blutigen Rachefeldzug anregte. Er schnitt seinen Feinden die Bäuche auf, entnahm Organe und aß ihre rohen Lebern – oder tat zumindest so, um sein Image zu pflegen. Ein anderer Trapper, Phillip H. Vetter, wurde 1892 von einem Grizzlybären getötet. Der 37-Jährige hatte noch die Kraft, mit dem eigenen Blut einige Abschiedszeilen zu schreiben, „It’s getting dark, I’m smothering“ und am Ende „I’m dying“.

Neben ihm liegt Belle Drewry (1867–1897), die sich unter Outlaws wohlfühlte und schon mit 21 wegen Diebstahls einsaß. Auf feine Weise lieh sie 1894 jene Waffe aus, mit der ihr neuer Liebhaber, der Cowboy Wheaton, ihren alten Liebhaber, den Pferdedieb Gallagher, erschießen würde: „Friend Mack, please let me borrow your six-shooter. I want to go hunting with Miss Rose. I will send Blind Bill for it as I don’t have time. Your very truly Belle. Will return it in good shape. Send cartridges too please.“ Besagter Blind Bill wollte den Tod Gallaghers übrigens rächen und zog den Kürzeren. Wheaton erhielt acht Jahre Gefängnis. Belle blieb frei – sie wurde drei Jahre später ermordet, nachdem sie in einer Saufnacht einen Cowboy erschossen hatte, dessen Freund an ihr Rache übte. Bei der Umbettung ihrer Leiche fand man abgeschossene Patronen im Sarg, Abschiedssalut.

Romantik. Kann was: ­kleines Lagerfeuer am ­Buffalo Bill Dam.
Romantik. Kann was: ­kleines Lagerfeuer am ­Buffalo Bill Dam.(c) Cody Yellowstone Country

Begehbarer Damm. Der Bau des Buffalo Bill Dam (bis 1946 Shoshone Dam) mit angeschlossenem Wasserkraftwerk zeugt von der Notwendigkeit, die provisorischen Haushalte und Äcker der Einwanderer, die durch die Union Pacific Railroad in den späten 1860er-Jahren in die Gegend kamen, mit Wasser zu versorgen. William Cody hatte ab 1897 vom Bundesstaat das Recht erworben, dem Shoshone River Wasser zu entnehmen. Zwischen 1905 und 1910 entstand der mit knapp 100 Metern damals welthöchste Damm, oben das Buffalo Bill Reservoir, unten die drei Millionen Jahre alte Klamm. Sieben Arbeiter verloren dabei ihr Leben, drei verloren Gliedmaßen, drei ihr Augenlicht und 28 weitere trugen Verstümmelungen oder Verkrüppelungen davon. Zwei Unternehmen gingen in Konkurs, erst das dritte führte den Bau zu Ende und bezifferte die Kosten mit exakt 929.658 US-Dollar.

Eine Investition Buffalo Bills war nachhaltig: Der Bau des auffälligsten Gebäudes in Cody, des Hotels Irma, laut seinen Worten „just the sweetest hotel that ever was“, benannt nach seiner jüngsten Tochter. Heute vibrieren der Speisesaal und der angeschlossene Silver Saddle Saloon mit seiner dunkelroten Decke vom Ansturm der Bieraffinen, die anschließend in der Welthauptstadt des Rodeos eine der Aufführungen besuchen, bei der Reiter mit der freien Hand das Gleichgewicht austarieren. Man könnte meinen, die Stadt Cody lege sich ins Zeug, um eine Schande auszugleichen: Die Buffalo-Bill-Shows fanden buchstäblich überall statt, in den USA, in vielen Ländern Europas, nur an einem Ort nicht: in Cody, Wyoming.

Tipps

Unterkunft: Buffalo Bill´s Irma Hotel, auffälligstes Gebäude auf der Hauptstraße, wirbt mit dem Spruch „Fancy enough for royalty and comfortable enough for cowboys and cowgirls“. Das Hotel wurde von William Cody geplant und gebaut, er behielt sich auch selbst zwei Suiten vor; 1192 Sheridan Ave, Cody. www.irmahotel.com

Restaurants:Silver Saddle Saloon, stimmungsvolles Pub beim „Irma“, Tür an Tür mit dem Hotelrestaurant, das Hausmannskost des Wilden Westens anbietet, 1192 Sheridan Ave, Cody. www.irmahotel.com

Gasthaus Cardi, hessisch-bayrische Küche, die Köchin ist aus Bad Nauheim. „What is Schnitzel?“ steht auf der Speisekarte. Neben der Schnitzelkunst gibt es großartige Hessische Rouladen, Gulasch und einen perfekten Beef-Sauerbraten. Vorspeisen wie Obatzda, Brezel for two. Hintergrundmusik: „In München steht ein Hofbräuhaus“; 1385 Sheridan Ave, Cody. gasthauscardi.com/index.html

Rocky Mountain Mojoe, Frühstücks- und Lunch­lokal, Sandwiches, Burritos, Panini, 1001 Sheridan Avenue, Cody. www.rockymountainmojoe.com


Museen:The Buffalo Bill Center of the West, 720 Sheridan Ave, Cody; 1917 gegründet, ist es heute ein Museumskomplex, beste­hend aus dem Buffalo Bill Museum, dem Plains Indi­an Museum, dem Whitney Western Art Museum, dem Draper Natural History Museum und dem Cody Firearms Museum. https://centerofthewest.org

Old Trail Town, „The old west as it really was“, und das ist keine Übertreibung, 1831 DeMaris Drive, Cody. www.oldtrailtown.org

Historic Buffalo Bill Dam, sechs Meilen westlich von Cody, nach dem langen Tunnel in Richtung Wapiti, freier Eintritt, Mai bis September geöffnet, 1002 Sheridan Avenue. www.bbdvc.org


Rodeo:Das Cody Nite Rodeo findet seit 1938 abendlich zwischen 1. Juni und 31. August im Buffalo Bill Cody Stampede Park and Nite Rodeo statt, die Cody Stampede zwischen 1. und 4. Juli jedes Jahres; Cody gilt als die „Rodeo Capital of the World“. www.codystampederodeo.com

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