Papua-Neuguinea: Auf Nachtschicht mit dem Krokodilmann

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Der drittgrößte Inselstaat der Erde ist voller tropischer Natur und exotischer Kulturen. Ein Besuch in der grünen Wildnis, kleines Abenteuer inklusive.

Kurz nach Sonnenaufgang liegt noch Nebel auf dem Karawari. Dort, wo die bräunlich-graue Schlangenlinie des Flusses im East-Sepik-Regenwald verschwindet, verrät der weiße Streifen über ihr den Weg des Wassers. Weitverzweigt führt er durch den geheimnisvollen Nordosten Neuguineas. Als „Kaiser-Wilhelms-Land“ gehörte dieses Gebiet von 1885 bis 1919 zum deutschen Kolonialreich. Namen wie Bismarcksee und -archipel, Mount Wilhelm (mit 4509 Metern der höchste Berg des Landes) oder die Bucht Seeadler Harbour deuten darauf hin.

Die nach Grönland zweitgrößte Insel der Erde, geografisch Teil des australischen Kontinents, gehört etwa zu einer Hälfte zu Indonesien und zur anderen zu Papua-Neuguinea, dessen Landesfläche sie zu 80 Prozent ausmacht. Der Rest besteht aus etlichen sehr viel kleineren Eilanden, die über weite Teile des südlichen Pazifiks verstreut sind. Die Hauptinsel ist durch hohe Gebirge stark zerklüftet und in viele abgeschiedene, nur schwer zugängliche Gebiete zerteilt. Und genau in diesen zauberhaften, von dichtem Tropengrün bedeckten Berg- und Flusslandschaften hütet sie die spannendsten und farbenfreudigsten Schätze des Landes: die nach dem Amazonas artenreichste Tier- und Pflanzenwelt der Erde sowie einen einzigartig kulturellen Mix aus mehr als tausend Ethnien. Einige von ihnen beglichen noch vor wenigen Jahrzehnten ihre Rechnungen mit Muschelgeld. Trotz Telefon und Internets ist auf dem Land auch heute noch die Urgesellschaft sehr lebendig.

Eingeborener vom Huli Stamm
Eingeborener vom Huli StammImago

Die Rolle des Schweins

Allmählich werden die Nebelschwaden dünner und vermischen sich mit dem Rauch der Feuer entlang des Flusses. Zeit für die erste Mahlzeit, Zeit für ein Sago-Omelette. „Sie sind für uns, was für euch die Kartoffeln sind“, erklärt Touristenführer Tony und zeigt, wie die – vom Wasser abgesehen – einzige Zutat dafür gewonnen wird. Ein Mann und eine Frau schlagen aus dem Stamm einer gefällten Sagopalme das weiche Mark heraus. In vielen Arbeitsgängen wird daraus das Sagomehl gewonnen. „Wo kein Getreideanbau möglich ist, nutzt man dieses stärkehaltige Nahrungsmittel alle Tage“, erläutert Tony.

Als Krone allen Genusses gilt dagegen Schweinefleisch – im Erdofen zubereitet. Denn ganz gleich, ob man sich mit bunten Vogelfedern oder fremden Haaren, mit Schlamm und Masken, Skelettbemalung oder Narben schmückt: Bei jeder der Ethnien in Papua-Neuguinea dreht es sich irgendwie immer um Schweine. Wer viele davon hat, ist reich. Wer keine hat, der borgt sich welche, denn ohne Schweine gibt es keine Hochzeit. Und werden Schulden nicht zurückgezahlt, dann gibt es Ärger, manchmal richtig bösen.

In der Karawari Lodge, hoch über dem Fluss, wird jetzt gefrühstückt. Für die europäischen Gäste der absolute Luxus: erntefrische Mangos, Melonen und Papayas – saftig, süß und superreif. Genau darauf steht auch Joanna. Keck schwingt sie sich auf einen freien Stuhl, nimmt auf der Rückenlehne Platz und wartet, dass ihr etwas angeboten wird. Für einen Nashornvogel ist sie ziemlich höflich.

„Als der Baum mit ihrem Nest gefällt wurde, war Joanna noch ein Küken. Einer unserer Leute fand sie halb verhungert auf dem Boden und brachte sie mit in die Lodge. Gemeinsam zogen wir den Vogel groß. Zum Dank besucht er uns bis heute täglich – sehr zur Freude unserer Gäste“, berichtet Kathy. Die Papua-Neuguineerin leitet das winzige Hotelresort, das so versteckt in der straßenlosen Wildnis liegt, dass man es nur auf dem Luft- und Wasserweg erreicht.

Initiation, Totem, Narben

Für die Einheimischen, die in erster Linie davon leben, was ihnen die Flüsse, die Seen und die Wälder schenken, ist der Einbaum das allerwichtigste Verkehrsmittel. Die meisten nutzen ihn als Paddelboot. Wer es sich leisten kann wie Timi, hängt einen Dieselmotor dran. Der junge Mann vom Chambri-Volk aus dem Dorf Kundiman beherrscht wie fast jeder hier sowohl den Fischfang als auch die Landwirtschaft. Über allem für ihn steht jedoch die Jagd, denn er ist ein Krokodilmann. Stolz präsentiert der 23 Jahre alte Familienvater die rund 1300 Narben, die seine dunkelbraune Haut in wohlgeordneten Mustern bedecken. Sie erinnern an die Schuppenhaut der Panzerechsen und sollen deren Zahnabdrücke symbolisieren.

Bei der äußerst schmerzvollen Initiationszeremonie, so glauben die Chambri, werde der Junge vom Geist eines Krokodils verschluckt und als Mann und Krokodil wieder ausgespuckt. Tatsächlich entstehen die kunstvollen Wundmale durch zwei Zentimeter tiefe Schnitte in die Haut, die man so mit Holzrauch, Lehm und Pflanzenölen behandelt, dass sie beim Heilen die gewünschte Form erhalten. „Das Einzige, was man gegen die Schmerzen tun darf, ist, die Blätter einer Heilpflanze zu kauen. Es sind unbeschreibliche Qualen“, gesteht Timi, der die Tortur erlebte, als er 15 war.

Kleiner Fang, wieder frei

Am Abend können ihn die Gäste bei einer Krokodiljagd begleiten. Hintereinander sitzen sie auf Plastikstühlen, deren Beine abgeschnitten wurden, tief in dem etwa zehn Meter langen Einbaum – hinten der Steuermann, vorn der Jäger mit Speeren, Stäben, Stricken. Zwei schwache Taschenlampen funzeln tapfer durch die Finsternis, erleuchten hier und da ein Augenpaar im Wasser. Gerade dann, als Timi zielt und wirft, schreit Tony um sein Leben. Etwas großes Nasses habe ihn im Dunkeln angesprungen. Der Einbaum schaukelt. Doch zum Glück geht niemand unfreiwillig baden. Natürlich war es kein Reptil. Ein paar Fische – aufgeschreckt vom Lampenlicht – sind direkt in Tonys Schoß gelandet. Dieser Zwischenfall kann auch das junge, kleine Krokodil nicht toppen, das mittlerweile zwischen Timis Fangstangen zappelt – und nach ein paar Schnappschüssen wieder nach Hause schwimmen darf.

Terra Incognita, Fast

Anreise/herumreisen: Flüge nach Papua-Neuguinea bietet ab Deutschland unter anderem Singapore Airlines. Das Ticket von Frankfurt nach Port Morseby via Singapur und retour kostet rund 1240 Euro inklusive Steuern und Gebühren. Zwischen Singapur und Port Moresby fliegt man mit Air Nuigini. Ab Frankfurt gibt es täglich zwei Verbindungen. Von Düsseldorf und München fliegt die neue A 350 siebenmal pro Woche. Die Gesamtflugzeit von Frankfurt nach Port Morseby beträgt circa 22 Stunden. Australien befindet sich übrigens nur 60 Kilometer von der Südspitze Papua-Neuguineas entfernt. Wegen der Unwegsamkeit des Geländes gibt es viele kleine Flughäfen und nur wenige Straßen. Papua-Neuguinea liegt unter anderem auch auf den Strecken von Kreuzfahrtanbietern (z. B. Hapag-Lloyd). www.singaporeair.com, www.airniugini.com.pg

Visum: Als Tourist kann man bis zu 60 Tage kostenlos das Visum bei der Einreise beantragen. Ein sechs Monate gültiger Reisepass genügt.

Orte: Für eine Stadt in Ozeanien ist die Hauptstadt, Port Moresby, an der Südostküste ziemlich groß – mit über 300.000 Einwohnern. Bis auf einige wenige Städte wie Lae im Nordosten und Arawain der Provinz Bougainville auf den Salomonen leben die Menschen in Papua-Neuguinea auf dem Land in kleinen Dörfern und Stammesgemeinschaften im unwegsamen tropischen Wald. Die Infrastruktur für Touristen ist dementsprechend auf einige wenige Plätze konzentriert.

Unterkunft: Gute Ausgangspunkte für spannende Exkursionen sind die Rondon Ridge nahe dem Mount Hagen (Western Highlands), die Karawari Lodge (East Sepik) sowie die Ambua Lodge bei Tari (Provinz Hela) im südlichen Hochland. Alle Übernachtungen und Aktivitäten inklusive Verpflegung, Führungen und Transfers werden vom Veranstalter Transniugini Tours angeboten. www.pngtours.com

Klima/Vorsorge: Durch die tropische Lage empfehlen sich die üblichen Impfungen, Malariaprophylaxe und Mückenschutz. Geeignete Reisezeit ist von Frühling bis Herbst, weil trockener.

Infos: Papua New Guinea Tourism Promotion Authority. www.papuanewguinea.travel.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2017)

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