Ausblick auf Pyeongchang: Rekorde, Ruinen und Rodeo

Morioka. Japan ist eine begeisterte  Skination – mit über 500 Gebieten.
Morioka. Japan ist eine begeisterte Skination – mit über 500 Gebieten.(c) flickr/yisris (CC BY 2.0)
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Olympische Winterspiele und Skiweltmeisterschaften an Orten, die man damit nicht verbindet, aber auf einer Reise gern mitnimmt.

Manche Orte erscheinen durch die Austragung von Sportbewerben erst auf der touristischen Landkarte, nicht nur aus der patriotisch-alpinen Perspektive ge- sehen. Manche Orte waren immer schon eine sportlich große Nummer – da wirken Weltmeisterschaften und Olympische Spiele zumindest imageverstärkend. Für ein paar Orte hingegen gerieten die Spiele zum finanziellen Desaster, zum politischen Skandal, andere konnten den Ausbau der Infrastruktur zu einer sinnvollen und nachhaltigen Entwicklung nutzen. In irgendeiner Form – sei es die Bau- und die Seilbahnwirtschaft, seien es die Bewohner oder die Touristen – profitiert zumindest eine Gruppe von der punktuellen Aufrüstung mit Bobbahnen, Eishockeystadien und Sprungschanzen; vom Bau von Quartieren, Hotels, Pressezentrum und Erschließungswegen ganz abgesehen. Nicht selten werden solche Events für den Einsatz neuer Technologie genutzt – sofern die Arbeiten rechtzeitig abgeschlossen werden und die Organisation nicht in Chaos stecken bleibt. Der Ausbau der Landschaft durch Lifte und Pisten, der Umweltschützer oft zu Recht auf den Plan ruft, bringt zumindest dem Freizeitsportler später einen Zugewinn an Möglichkeiten.

Manchmal sind die Bewerber sehr lang im Rennen, bis sie den Zuschlag bekommen – weil es der politische Wille zulässt oder forciert oder eben nicht mehr verhindert. Pyeongchang hat es im dritten Anlauf geschafft, die Olympischen Winterspiele nach Südkorea zu holen, die parallel zum Erscheinen dieser „Schaufenster“-Ausgabe starten. Die Millionenstadt am japanischen Meer hat viel in die Infrastruktur investiert, in Schanzen, Stadien, in eine Megabobbahn im Alpensia Sliding Centre. Die Schneesituation in den nahen Bergen bei Yongpyong ist durch die Nähe zum Meer und den Einfluss kalter Strömungen jedenfalls herausfordernd.

Pyeongchang. Die Olympischen Winterspiele beginnen am 9. Februar.
Pyeongchang. Die Olympischen Winterspiele beginnen am 9. Februar.(c) APA/AFP/YONHAP (YONHAP)


Selbstverständliche Verhältnisse wie in Innsbruck, dem einzigen österreichischen Austragungsort (1964 und 1976) gibt es nicht immer. Heute ist vieles Geschichte und baulich im Stadtbild aufgesogen, die Eishalle ein Ort für Konzerte, im Olympischen Dorf befinden sich Wohnungen, über die Bahn auf den Patscherkofel und den weiteren Ausbau wird diskutiert. In Igls dürfen sich angstbefreite Laien in einen Bob setzen. Für die Skispringer ist Innsbruck ein Höhepunkt im Tourneekalender. Und Studierende gehen mit Ski auf die Uni, weil sie in Pausen auf die Seegrube hinauffahren. Vor allem der Neubau der Bergiselschanze und der Nordkettenbahn durch Zaha Hadid Architects konnte das Bild von Innsbruck als Sporthauptstadt der Alpen nach außen hin festigen. Solche alpin aufgeladenen Orte muss man nicht erklären, auch nicht Vancouver mit seiner riesenhaften Mountain Range im Hintergrund. Oder St. Moritz, Garmisch, Schladming, St. Anton – pionierhafte Skidestinationen. Ebenso Lillehammer, der Hotspot der nordischen Skiwelt. Was ist mit den Orten, die wintersportlich nicht so selbsterklärend sind? Ein paar Beispiele.

Albertville 1992. Die ersten Olympischen Winterspiele fanden (auch wenn man sie noch nicht so bezeichnet hat) 1924 in Chamonix statt. Für Frankreich war Grenoble 1968 nächster Austragungsort. Aber Albertville, eine Gemeinde mit einigen Tausend Einwohnern im Département Savoie? Wobei die kleine Stadt mehr der gemeinsame Nenner für die neun zum Teil sehr bekannten Orte in der Umgebung war – und dadurch oft deckungsgleich mit den Zielen des hochalpinen französischen Wintertourismus: In Courchevel ließen sich die Skispringer hinunter, die Bobfahrer rasten in La Plagne durch die Röhre, die Skifahrer wiederum traten im Weltcuport Val-d’Isère an – allerdings für eine Abfahrt, für die es viel Kritik gab: Eine spektakuläre Piste wurde regelrecht aus dem Berg herausgesprengt, Pistenarchitekt war Skilegende Bernhard Russi, der auch bei anderen Skibewerben seine Handschrift hinterließ. Die kurvenreiche „La face de Bellevarde“ ist heute etwas entschärft, wobei noch immer eine Challenge. Viele Zeichen von Olympia wird man in den französischen Alpen nicht mehr finden, weil die Architektur nur temporär war: Das Olympiastadion etwa wurde nach seinem Abbruch bald darauf in Barcelona wiederverwendet.

Albertville. Die Schauplätze der Bewerbe sind bekannter als die Stadt selbst.
Albertville. Die Schauplätze der Bewerbe sind bekannter als die Stadt selbst.(c) wikimedia/Rémih(CC BY-SA 3.0)

Calgary 1988. Eine Stadt, die mitten in der kanadischen Prärie liegt, erscheint nicht zwingend prädestiniert für Olympische Winterspiele, aber darum geht es bei der Vergabe offensichtlich auch nicht. Zudem hatte sich das Olympische Organisationskomitee schon früh von der Idee verabschiedet, alle Bewerbe mehr oder weniger an einem Ort zu bündeln. Möge eine ganze Region gewinnen. Dass Skipisten und Loipen nicht in Gehdistanz lagen, war angesichts dieser nicht überragend schönen und sehr schnell wachsenden Ölschiefer-Metropole kein Fehler. Die Schneebewerbe fanden in dem landschaftlich weit ansprechenderen Setting von Canmore statt, über 100 Kilometer westlich und heute Kanadas Langlaufzentrum, sowie im Kananaskis Country im Angesicht der Rocky Mountains. Auch die Thermik auf der einzigen Bodenwelle von Calgary war für Sprungschanzen nicht gerade ideal, barg aber einen gewissen Überraschungseffekt für den Wettkampf: Viele Tage im Jahr pfeift der Wind über die City. Der Olympic Park mit den Schanzen, Rodel- und Bobanlagen wird heute noch genutzt – etwa zum Mountainbiken. Das Eishockeystadion sagt viel über den Charakter der Stadt. Sie hat die Form eines Sattels: Jährlich tobt hier die Calgary Stampede, eines der weltgrößten Rodeo-Festivals. Das macht sich gut zum Start oder als Ziel eines längeren Trips in die Rocky Mountains auf dem traumhaften Icefields Parkway von Banff über Lake Louise nach Jasper.

Sapporo 1972, Morioka 1993, Nagano 1998. Die drei Städte sind nicht die ersten, die Japan für internationale Wintersportbewerbe bekannt machten. Sapporo (auf Hokkaido) fügte 1972 mit Olympischen Spielen dem Kalender etwas Exotik hinzu. Morioka bot den Zusehern der Skiweltmeisterschaft eine hügelige Kulisse, in der Pistenarchitekten etwas nachhelfen mussten. Wobei: Der Panoramaberg ist ein formschöner Zweitausender namens Iwate, an dessen Fuß sich die Stadt ausbreitet. Nagano liegt noch südlicher auf der Hauptinsel Honshu – und mitten in den japanischen Alpen. Die Skibewerbe wurden in Hakuba ausgetragen (den Zusehern erinnerlich durch Hermann Maiers wilden Sturz und seinen Triumph beim Super-G kurz darauf), das heute zu den frequentiertesten Skigebieten gehört. Überhaupt gehört der Schnee in den japanischen Alpen feinstofflich zum Feinsten für manche Freerider, die hier durch niedriges Gehölz und über nicht allzu steiles Gelände düsen. Was man erst entdecken muss: Japan verfügt über eine dichte Skiinfrastruktur mit circa 500 Gebieten, in denen die Saison bis Mai andauert. Reisemotiv für Nagano können auch die Onsen und die heißen Quellen sein, inklusive der putzigen Makaken, die darin gern baden. Tipp: Eine sportliche Reise durch Japan verbindet Nagano, Morioka und Sapporo, durch Hochleistungszüge sind Distanzen ein Klacks.

Sarajevo. Die Geschichte des Bosnienkriegs zeigt sich auch an der Bobbahn.
Sarajevo. Die Geschichte des Bosnienkriegs zeigt sich auch an der Bobbahn.(c) flickr/Amy Nelson (CC BY 2.0)

Sarajevo 1984. Als die Hauptstadt von Bosnien und Her­zegovina den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele bekommen hatte, war die menschliche Katastrophe, die das Land zerreißen sollte, nicht abzusehen. Sarajevo war damals eine rasch wachsende Stadt, in der verschiedene Ethnien friedlich miteinander lebten. Während des Bosnienkriegs wurden auch die Sportstätten massiv beschädigt oder zerstört, Bobbahn und Sprungschanzen zeugen von dem Schrecken. Ein paar Anlagen aber wurden in den vergangenen Jahren wieder saniert, etwa im Skigebiet der 2060 Meter hohen Bjelašnica, wo die Skibewerbe für die Herren ausgetragen wurden. 1984 machte das Wetter den Veranstaltern zu schaffen, nach Wärme und Schneefreiheit sorgte ein Schneesturm für mehrere Tage Verzögerung der Herrenabfahrt – deren Piste im Übrigen baulich verlängert werden musste, um dem Reglement zu entsprechen. Heute kann man hier und in Jahorina, wo die Damenbewerbe stattfanden, wieder Ski fahren. Dennoch gibt es Gebiete in diesen Bergen, die von Minen noch nicht ganz befreit sind. Fahrten über Land führen hier durch Naturschutzgebiete, durch eine faszinierende, wilde, karstige, aber auch dicht bewaldete Landschaft.

Sotschi 2014. Das Bestmögliche zu geben ist ein sportlicher Gedanke. Nicht immer gelingt dies, schon weil es an den überzogenen Vorstellungen scheitert. Kommen politische Eigenmächtigkeiten hinzu, stört dies das Klima des internationalen Austausches. Auch die Lage von Sotschi spricht nicht sofort für Winter-, sondern eher für Sommerspiele: Der Ort am Schwarzen Meer hat den Ruf eines Seebads. Investoren und Developer konnten hier freilich aus dem Vollen schöpfen: Pisten und Anlagen mussten im kaukasischen Hinterland – immerhin 3000 Meter hoch – erst errichtet werden. Es brauchte Behausungen und Hotels, an manchen Stellen muteten die Objekte eher potemkinsch an. Die wirtschaftlichen Rückschläge und Blockaden und wohl auch eine Portion verordneter Patriotismus sollten den Abfluss an russischen Wintersportgästen von den Skiorten in den Alpen in Richtung Kaukasus umlenken. Dieses Jahr könnte Sotschi für einige tatsächlich ein Thema werden: Das Olympische Stadion wird Austragungsort für Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft. Vielleicht wird der Rasensport mehr internationale Gäste anlocken, als es Schnee und Eis konnten.

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