Berlin: Schmäh statt Schnauze

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Österreichische Küche ist der Renner in Berlin. Mittlerweile gibt es mehr als 200 Ösi-Lokale an der Spree.

„Hören Sie die Klopfgeräusche?“, fragt Herbert Beltle vom Restaurant Aigner und lächelt verschmitzt. Tatsächlich hört man ein beständiges, leises Klopf-Klopf-Klopf in dem schönen Promi-Lokal am Gendarmenmarkt, denn nichts geht hier so gut wie frische Wiener Schnitzel. „Die Hauptstädter sind süchtig danach“, sagt der erfolgreiche Gastwirt, der noch zwei weitere Restaurants an der Spree besitzt.

Der Berliner liebt das „Futtern wie bei Muttern“ – Eisbein mit Erbsenpüree, Königsberger Klopse oder Hackepeterstulle (rohes Faschiertes auf Brot). Doch Anfang der Neunzigerjahre verschwand die Traditionsküche fast völlig, die Stadt wurde kulinarisch renoviert, Sushi, Minipizza, Muffins oder Quiche hielten Einzug. Die Teller wurden kleiner, die Preise höher. Köche aus aller Welt kamen und versuchten sich an Gerichten aus aller Welt. Das alles im fliegenden Wechsel. Von den rund 8000 Restaurants in der deutschen Hauptstadt machen jährlich gut 2000 zu und ebenso viele wieder auf. Mehr als 75 Länderküchen laden mittlerweile zum Schlemmen ein. Die klassische Berliner Küche war fast ausgestorben, als kurz vor der Jahrtausendwende ganze Scharen von Schwaben und Bayern in die Trendbezirke Ostberlins strömten. Mit ihrem Heimatgeschmack wurde deftiges Essen wieder salonfähig – inzwischen wollen auch viele Touristen aus Übersee, Skandinavien und Westeuropa etwas Handfestes auf dem Teller haben. Kein Wunder, dass die österreichische Küche zum Renner werden konnte.

Tipp vom Botschafter. Jolesch-Wirt Max Setrak ist in Salzburg aufgewachsen und hat dort auch gelernt; seine Partnerin Renate Dengg kommt aus Oberösterreich. Beide wollten in eine Großstadt, etwas Eigenes machen. „In Wien ist die Neugründung für Gastronomen schwer, weil Anfänger erst einmal eine lange Durststrecke hinter sich bringen müssen“, sagt er. Die Berliner dagegen seien dankbarer. Mehr als 200 österreichische Lokale gibt es inzwischen in der deutschen Hauptstadt. Ein Dschungel, bei dem man Führung braucht. Wo geht zum Beispiel der österreichische Botschafter Ralph Scheide gern essen? Der Diplomat zögert etwas mit der Antwort, aber dann gibt er doch einen Tipp: „Es gibt sehr viele gute österreichische Restaurants in Berlin, zum Beispiel die Nußbaumerin oder das Restaurant Riehmers. Ein kulinarisches Highlight ist sicher das Restaurant Horváth mit seinem österreichischen Küchenchef Sebastian Frank.“

Rund 10.000 Österreicher leben in Berlin, darunter viele Künstler wie Christoph Waltz, Klaus Maria Brandauer oder Muriel Baumeister, aber auch einige begnadete Köche, wie eben Sebastian Frank. Als einziger Österreicher hat er einen Michelin-Stern für Berlin erkocht. Seit 1. Jänner 2014 ist das Horváth sein eigenes Restaurant. Doch Schnitzel hatte er noch nie auf der Karte. Aus einem Stück Kalbfleisch würde Sebastian Frank wahrscheinlich 20 verschiedene Geschmacksnoten entwickeln. „Das Beste aus guten Sachen herausholen“ ist sein Motto, und so selcht, siedet und püriert er. He­raus kommen spannende Aromenreisen, ein echtes Erlebnis. „In Berlin ist man nimmersatt nach guten Köchen“, sagt der 33-Jährige, der aus Mödling stammt und wie viele Österreicher der Liebe wegen nach Berlin kam.

Die Nußbaumerin. So erging es nämlich auch der Salzburgerin Johanna Nußbaumer. Ihr Restaurant Nußbaumerin in Charlottenburg ist wohl eines der Authentischsten. Sie hat den alpin-ruralen Geschmack mit nach Berlin gebracht. Als Kind war sie oft auf dem Bauernhof der Großmutter, hier hat sie alles gelernt: schlachten, Wurst machen, einkochen und natürlich die Mehlspeisen. „Das ist echt Salzburger Geschmack“, sagen sogar die Damen von der Österreich-Werbung, die in Berlin sitzen. Teamleiter Markus Aspetzberger: „Ich mag das kleine Felix Austria in der Bergmannstraße. Da gibt es Leberkäse, Gulasch und Käsekrainer. Man kann frühstücken, Kaffee trinken, sich zwischendurch einen Almdudler und Manner-Schnitten holen. Es ist ein recht junges, weniger traditionelles Lokal.“

Betont traditionell, aber trashig geht es im Mutzenbacher im Berliner Bezirk Friedrichshain zu. Hier hat sich der Kitzbüheler Franz Josef Steiner seine eigene kleine Gaststube ausgebaut, Wände eingerissen und mit Freunden den Dreck rausgekarrt. In der Mitte steht ein langer Tisch, an der Wand hängen ein mit Discospiegeln geschmückter Wildschweinschädel und ein Gemälde der „Mutzenbacher“ von Wolfgang Joop. Franz Josef zieht schon einmal die Lederhose an – der Name Mutzenbacher ist hier Programm: „Alles wird mit Liebe gemacht.“ Jede Woche kommt der Kühlwagen aus Tirol, es wird authentisch gekocht. Dazu gibt es elektronische Klänge, schließlich war der Koch einmal DJ.

Zutaten aus den Alpen. Ein Berufskollege an den Plattentellern war früher auch Björn Nitz, der als Mecklenburger in seinem Restaurant Zum Dritten Mann bessere Schnitzel serviert als manche Österreicher. Er importiert seine Zutaten wie viele andere direkt aus Österreich. Fast alle bestellen dort vor allem die Brösel für die Schnitzel, aber auch Schinken, Wurst, Leberkäse, Wein, Kürbiskernöl, Marillenlikör und vieles mehr.

„Die Leute suchen bei uns auch ein bisschen das Urlaubsgefühl“, sagt Hartmut Guy vom Riehmers. Er selbst ist in Ostberlin aufgewachsen, war erfolgreicher Schauspieler, ehe er Gastwirt wurde. Hartmut Guy bietet seinen Gästen nicht nur kulinarische, sondern auch unterhaltsame Höhepunkte. Er macht regelmäßig Skiurlaub in Österreich, genießt das Hüttenfeeling und sagt: „Die Berliner sehnen sich nach einer herzlichen Gastlichkeit, nach Aufmerksamkeit und gutem Service.“ Tatsächlich ist das in Berlin oft Mangelware.

„Was den Berlinern noch ein bisschen fehlt, ist das Weintrinken“, meint Willi Schlögl von der Cordobar. Die hippe neue Location unter der Führung von zwei Deutschen und zwei Österreichern will den Berlinern den Weinkonsum schmackhaft machen, ohne zu missionieren. Das machen sie geschickt mit vielen Events und guten Preisen. Haben die Österreicher in Berlin nicht auch Heimweh? „Manchmal schon“, sagt Max Setrak vom Jolesch. „Die Berliner haben zwar Herz und Schnauze, aber keinen Wiener Schmäh – über sich selbst lachen können sie selten.“

Berlin nach österreichischer Art

BERLIN-CHARLOTTENBURG

Nußbaumerin. Die Wirtin Johanna Nußbaumer ist eine engagierte Gastwirtin. Gern frequentiert von Promis, aber nicht etepetete, gemütlich gehobene Atmosphäre, herzhafte Küche, alles selbst gemacht: Flachgauer Kasnocken, Spinatknödel, Salzburger Bierfleisch, Rindsroulade, Schweinsbraten, Wiener Schnitzel, Kaiserschmarren, Nockerln, Marillen- und Mozartknödel, Gugelhupf. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, Hauptgerichte 10,90–19,90 Euro.
Gäste u. a.: Bürgermeister Klaus Wowereit, Bruno Ganz, Muriel ­Baumeister, Barbara Sukowa.
Leibnizstraße 55, 10629 Berlin,
T.: +49/(0)30/501 780 33, nussbaumerin.de, Mo–Sa 17–24 Uhr, Reservierung empfohlen.

BERLIN-MITTE

Aigner am Gendarmenmarkt. Herbert Beltle ist einer der erfolgreichsten Gastronomen in Berlin. Sein Restaurant Aigner liegt am schönsten Platz der Stadt, direkt gegenüber dem Französischen Dom. Perfektes Ambiente für eine feine Gesellschaft und Essen mit Geschäftsfreunden. Freundliche, schnelle Bedienung, gehobener Stil. Tagsüber ist der große Gastraum von Touristen frequentiert, abends eher von Promis aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Es gibt gepflegte Klassiker der österreichischen und deutschen Küche: Tafelspitz im Kupferkessel, Backhendl, Königsberger Klopse, Zander, Brandenburger Bauernente. Hauptgerichte zwischen 16 und 32 Euro. Große internationale Weinauswahl, außerdem Weine vom eigenen Weingut Horcher. Zum Bestellen: hausgemachte Gewürzöle, Kräutersalze.
Gäste u. a.: George Clooney, Alice Schwarzer, AC/DC, Helmut Kohl, Denzel Washington, FC Bayern,
Silvio Berlusconi.
Französische Str. 25, 10117 Berlin,
T.: +49/(0)30/203 751 850, aigner-gendarmenmarkt.de,
Küche täglich 12–23.30 Uhr, Reservierung empfohlen.

Cordobar. New Kid in Town, seit September 2013 gibt es die deutsch-österreichische Weinbar unter Führung von Willi Schlögl (A), Christof Ellinghaus (D), Gerhard Retter (A) und Jan Ole Gerster (D). Lässiges Lokal mit Eventgastronomie, das den Berlinern die Schwellenangst in puncto Weingenuss nehmen will. Erinnert schmerzlich an die Fußballweltmeisterschaft 1978, der deutsche Albtraum Hans Krankl ist auf der Leinwand zu sehen. Küchenchef Lukas Mraz serviert kleine Snacks wie Tafelspitz-Wraps, Blutwurstpizza, Beef Tatar oder Sacherpassionsfruchttorte. Wer Hipster sein will, sollte sich hier blicken lassen, wer lediglich guten Wein mag, darf auch kommen. 970 verschiedene Weine, das Glaserl kostet ab 2,90 Euro.
Große Hamburger Str. 32, 10115 ­Berlin, T.:+49/(0)30/275 812 15, cordobar.net, Di–Sa 17–2 Uhr.

BERLIN-KREUZBERG

Restaurant Horváth. Der Niederösterreicher Sebastian Frank wurde schon mehrfach ausgezeichnet, 2014 erneut mit einem Michelin-Stern. Seit Januar ist er nicht nur Koch, sondern auch Besitzer des Horváth. Seine Zutaten kommen alle aus der europäischen Klimazone, keine Salzwasserfische, nichts Exotisches, trotzdem erlebt man eine abenteuerliche Geschmacksreise mit Blutwurstpralinen, vergorenem Stangenselleriesaft, mit Waller, geselchten Schweinsripperln, oxidiertem Apfel oder Zeller mit Herztrompete. 4-Gänge-Menü 58 Euro, 10 Gänge 119 Euro, Weinbegleitung exklusive. Publikum international aus den USA, Skandinavien, Frankreich plus deutsche Prominenz.
Gäste u. a.: Robert Stadlober, Benno Fürmann, Claudia Roth, Thomas de Maiziere, Thomas Kretschmann.
Paul-Lincke-Ufer 44a, 10999 Berlin, T.: 612 899 92, restaurant-horvath.de
Di–So 18–23, nur mit Reservierung.

Restaurant und Café Jolesch. Das Jolesch ist seit vielen Jahren eine Institution. Wirt Max Setrak und Partnerin Renate Dengg sind Österreicher, der Koch Tobias Janzen ist aus Sachsen-Anhalt. Von klassisch bis modern, hier wird die ganze kulinarische Klaviatur sehr gekonnt gespielt: Schnitzel „Wiener Art“ vom Bio-Apfelschwein, Bachforelle mit Roter Rübe und La­kritz, Pastete vom Brandenburger Wild oder hausgemachte Sorbets. Mittags:  3-Gänge-Menü für 9,80 Euro, nachmittags Wiener Apfelstrudel, Sachertorte oder Marillenknödel, sonntags gibts immer Braten. Hauptgerichte 13–24 Euro. Am Abend sollte man reservieren. Publikum: international, modern, offen. Zum Bestellen: Die Joleschtorte aus gemahlenen Kürbiskernen, wird im hübschen Holzkästchen verschickt.
Gäste u. a.: Sarah Connor, Lena, Maria Furtwängler, Peer Steinbrück.
Muskauer Straße 1, 10997 Berlin, T.: +49/(0)30/612 35 81, jolesch.de, Mo–Fr 11.30–24 Uhr, Sa/So 10–24 Uhr, Mittagstisch 12–15 Uhr.

Kaffeehaus Felix Austria. Gegenüber der Marheineke Markthalle im Herzen von Kreuzberg liegt dieses winzige Kaffeehaus. Früher eine Trafik, hat es auch heute noch eine sehr großzügige Raucherlounge, von 48 Plätzen sind 18 für Raucher gedacht. Hungrige junge Leute stürzen sich hier auf deftig-traditionelle Gerichte. Die Einrichtung ist schlicht. Wichtiger ist, was auf den Teller kommt, und das ist mehr als reichlich. Das kleine Wiener Schnitzel für 13,90 Euro ragt weit über den Tellerrand hinaus, die große Portion (19,90) beinhaltet gleich zwei Stück von der Sorte. Es gibt Linzer Leberkäs, Semmelknödel, Schweinsbraten, Wurstsalat und Käsespätzle, auch eine schöne Auswahl an Torten, Strudeln und hausgemachtem Parfait, außerdem angesagte Weine vom Weingut Aigner aus Krems, Fritsch-Wanderer Wien oder Reiterer aus der Steiermark. Feinkost wie Schinken, Manner-Schnitten oder Käsekrainer kann man zum Mitnehmen kaufen.
Bergmannstraße 26, 10961 Berlin,
T.: +49/(0)30/616 754 51,  felixaustria.de, Mo–Sa 9–24 Uhr.

Restaurant Riehmers. In der „guten Stube in Kreuzberg“ findet man das, was perfekte Gastronomie ausmacht: hoch motivierte Dienstleister, stilvolles und gemütliches Ambiente, tolles Essen und mit dem Wirt Hartmut Guy einen perfekten Entertainer. Küche: Feine Klassik trifft regionale Frische, Wiener Schnitzel vom Kaiserteil, südsteirisches Backhendl, Zweierlei vom Hirschkalb, Havelzander, Tiroler Schinkenplatte, selbst gebackenes Bergsteigerbrot, Kakaobutterküchlein. Weingüter u. a. Hill, Servaty, Hillinger. Hauptgerichte von 17,50–19,80 Euro.
Gäste u. a.: Udo Lindenberg, Walter Momper, Thomas Gottschalk, Bürgermeister Klaus Wowereit.
Hagelberger Strasse 9, 10965 Berlin, T.: +49/(0)30/788 919 80, riehmers-restaurant.de, Di–So 18–24 Uhr.

BERLIN-FRIEDRICHSHAIN

Mutzenbacher. Der Wirt Franz Josef Steiner kommt aus Kitzbühel, mehr als 16 Jahre war er DJ, dann hat er noch Koch gelernt. Seine winzige Gaststube ist gemütlich und authentisch, pures Hüttenfeeling. Zu trashigen Klängen, etwa von FM4, gibt es Zillertaler Schlutzkrapfen, Ganserlhaxn, geselchte Ripperln, Kaspressknödel, ein „Quer durch Ösi-Menü“ oder den Sonntagsbraten. Allesamt traditionelle Gerichte, die der Koch regelmäßig von Bäuerinnen aus der Heimat mitbringt. Hauptgerichte mit vollen Tellern von 6,90–15 Euro, Stiegl-Bier, Weingut Kirchberghof. Publikum: 30 Prozent junge Österreicher, unkonventionell, offen, abends viele DJs, Musiker. Schirmherren: Modemacher Wolfgang Joop, Musiker Helmut Zerlett.
Libauer Straße 11, 10245 Berlin, T.: 95 61 67 88, info@mutzenbacher-berlin.de, mutzenbacher-berlin.de
Di–Fr 12–Open End, Sa/So 12–Open End, Mo Ruhetag.

BERLIN-PRENZLAUER BERG

Zum dritten Mann. Der gebürtige Mecklenburger Björn Nitz war zehn Jahre DJ, dann lernte er noch einmal Koch in der Sternegastronomie. Dieses Handwerk betreibt er mit Leidenschaft, liebt die neue Aromenküche. Wiener Schnitzel mit Erdäpfelradieschensalat, Spätzle mit Bergkäse, Tafelspitz vom Wiesenkalb, Kaiserschmarren, herzhaftes Frühstück am Wochenende.
Zum Mitnehmen: hauseigenes Marillen-Chutney, Buttercreme, Rote- Rüben-Senf. Einrichtung: schlicht-modern. Publikum: Touristen, Szene, jeder der gut essen will. Hauptgerichte 8,90–17,80 Euro.
Gäste u. a.: Penelope Cruz, Regisseur und Schauspieler Matthias Schweighöfer, Uwe Ochsenknecht.
Kollwitzstraße 87, 10435 Berlin, Tel.: +49/(0)30/405 050 18, www.zumdrittenmann.de, Di–Fr 12–1 Uhr, Sa und So 10–1 Uhr, Mo Ruhetag.

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