Georgien kulinarisch: Unaussprechlich gut

(c) Anna Burghardt
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Noch gelten sie als Geheimtipp: die Natural Wines Georgiens. Außerdem dort zu finden: üppige Tafeln und Zungenbrecher-Namen.

Qvevri ist für georgische Verhältnisse ein kurzes Wort. Aber dafür ein umso häufiger gebrauchtes, und man lernt es auch als Georgien-Reisende schnell (im Gegensatz zu Buchstabenfolgen wie Churchkhela, das ein typisches längliches Konfekt aus Trauben und Nüssen bezeichnet). Qvevri, die Amphore, ist mit ein Grund für das Interesse, das der georgischen Küche und den georgischen Weinen derzeit vor allem in den Gourmetszenen der USA, Japans und Skandinaviens entgegengebracht wird. Spätestens seit die Weinjournalistin Alice Feiring Anfang des Jahres in einer „Forbes“-Liste georgische Weine als eines von neun Getränken anführte, mit denen man 2015 tunlichst Bekanntschaft machen sollte, ist die Aufmerksamkeit für das kleine Land östlich des Schwarzen Meeres, für seine Erzeugnisse und seine Art zu tafeln groß. Die amphorengelagerten, unverfälschten georgischen Natural Wines seien hierfür Vorreiter, meint die kosmopolitische Köchin Tekuna Gachechiladze, die lange in London und New York arbeitete und in Georgien eine eigene Fernsehshow hat: „Georgische Naturweine waren in den USA schon populär, noch bevor dort georgisches Essen ein Begriff war.“ In Japan sei das Interesse an georgischen Orange Wines, also Weinen aus weißen Trauben, die lange auf der Maische liegen, besonders groß – diese passten eben besonders gut zu umamilastigen Gerichten, meint sie. Gachechiladze ist eine der Vorreiterinnen in Georgiens neu erblühender Kulinarikszene. Nachdem ihr 2013 eröffnetes Restaurant Marani in London, das zeitgenössische georgische Küche bot, wieder schließen musste, eröffnete sie in Tbilisi eine Kochschule und bald darauf ein schickes Wohnzimmerlokal, das Culinarium, heute Palate genannt. Es werde vor allem von Touristen geschätzt, meint sie. „Viele Georgier hassen mich, weil ich es wage, die hiesige Küche umzudeuten. Die Leute hier sind sehr traditionell.“

Gelebte alte Kultur. Dass in ihrem Lokal heute vor allem georgische Natural Wines serviert werden, ist wie so vieles in der Entwicklung der hiesigen Weinszene John Wurdeman zu verdanken. Der gebürtige Amerikaner mit Künstlerbackground ist vor vielen Jahren nach Georgien gezogen, spricht mittlerweile fließend Georgisch und gründete 2007 gemeinsam mit dem Winzer Gela Patalishvili das Weingut Pheasant’s Tears. Zwölf verschiedene Weine listet das Portfolio, und keiner bleibt mehr als drei Monate auf der Maische. Auf Deutsch Tränen des Fasans, spielt der Name des Weinguts auf ein georgisches Sprichwort an: „Etwas ist so gut, dass es einen Fasan zum Weinen bringt. Sprich, es gibt keine Worte mehr dafür.“ John Wurdeman, der je nach Uhrzeit und Frisur wie ein Mitglied der Kelly Family oder Jesus aussieht, sagt über seine neue Heimat: „Es gibt viele Länder mit alter Kultur, aber meistens ist sie museal erstarrt. Hier wird alles noch gelebt: die jahrhundertealte Musik, das Weinmachen, die Trinksprüche.“

John Wurdeman ist gewissermaßen der Vorantreiber des kleinen georgischen Weinwunders. Bei der Weinbar Underground in Tbilisi, die ausschließlich internationale Natural Wines anbietet, darunter auch große französische Namen, die in Österreich gar nicht zu haben sind, hat er ebenso seine Finger im Spiel wie bei der Tatsache, dass es in Tbilisi bemerkenswerte acht Restaurants gibt, die ausschließlich Naturweine servieren. Auch am kleinen Hype, der in New York rund um georgische Natural Wines herrscht, ist Wurdeman wohl mitschuld. In manchen Lokalen dort gilt zurzeit: Je kleiner die Produktion und je ruraler ein Weingut (im Idealfall eines monoglotten Winzers), desto attraktiver ist eine Flasche in einer Stadt, die alles kennt und ständig nach neuem Raren sucht. Wie den Wein eines fast blinden alten Winzers, der seine Trauben auf einer Pergola zieht und auf die Etiketten seiner wenigen hundert Flaschen drucken ließ: „I am Didimi from Dimi and this is my Krakhuna“. „Didimi hat immer schon Natural Wine gemacht“, sagt Winzerkollege Ramaz Nikoladze in bestem Englisch, „es war ihm nur nicht bewusst. Heute sind seine Weine in Paris und New York erhältlich!“

Die Nachfrage nach georgischen Natural Wines in Spitzenrestaurants weltweit führt dazu, dass sich Kleinstbauern die Arbeit wieder antun“, sagt John Wurdeman. „Die Importeure nehmen ihnen mittlerweile auch sehr geringe Mengen ab, und das zu einem sehr guten Preis.“ Während in anderen Weinländern Naturweinproduzenten oft auch biodynamisch zertifiziert sind, gibt es in ganz Georgien nur zwei solche Weingüter, weiß Wurdeman. „Der Boden ist in Georgien so fruchtbar, dass man dessen Energie eher reduzieren muss, statt sie anzukurbeln.“

Nachdem Russland als Hauptabnehmer georgischer Weine 2006 ein Embargo gegen ebendiese eingeführt hatte, mussten sich die Winzer etwas überlegen. „Sie waren plötzlich gezwungen, gute Weine zu machen“, bringt die Köchin Tekuna Gachechiladze den Kontrast zwischen den russischen Geschmacksansprüchen und den neu zu akquirierenden westlichen Abnahmeländern gnadenlos auf den Punkt. Die Qvevri-Weine sind nun seit wenigen Jahren ein Slowfood-Convivium und für manche Sommeliers im Ausland „the next big thing“. Mads Kleppe vom Noma in Kopenhagen etwa sagt den hiesigen trockenen Weinen wie Rkatsiteli, Tsolikauri oder Mtsvane – ebenso wie armenischen Weinen übrigens – eine große Zukunft voraus. Wenn in Georgien über die eigenen Weine gesprochen wird, bedient man sich einer auffallend bildreichen Sprache, die auch der gebürtige Amerikaner John Wurdemann schon intus hat: „Pasteurisierte Milch und geschwefelter Wein sind wie die Füße einer chinesischen Prinzessin: eingeschnürt.“

Anpassungsfähig. Rotwein wird hauptsächlich für den Export produziert, erzählt der Winzer Ramaz Nikoladze, der acht Qvevris in seinem Outdoor-Keller vergraben hat und nur weiße Trauben verarbeitet. „Selbst trinken wir fast nur Weißwein oder Amber Wine, sagen aber einfach Wein dazu.“ Die Amber Wines, wie er die maischegelagerten Orange Wines nennt, sind sehr anpassungsfähig, und genau das brauche ein georgisches Mahl, bei dem viele verschiedene Gerichte gleichzeitig auf dem Tisch stehen. „Rot passt nicht zu allem, weiß auch nicht, also trinken wir Amber Wine.“

Eine georgische Tafel ist wie die Reisetasche von Mary Poppins: Sie leert sich nie. Selbst wenn man schon vier Stunden pausenlos gegessen hat, mit diversen Trinksprüchen und darauffolgendem Glaserheben zwischendurch, ist der Tisch nie leer – dauernd wird nachgeliefert. Wird die Tafel aufgehoben, ist sie mitunter so voll wie zu Beginn. Als ob man noch nichts gegessen hätte. Da findet sich etwa Chakapuli, ein frühlingshafter Eintopf aus Lamm und grünen Ringlotten. Khinkali, Teigsäckchen mit verschiedenen Füllungen. Badrijani Nigvzit, Melanzani-Walnuss-Röllchen. Jonjoli, die salzig eingelegten Triebe des Pimpernuss-Strauchs, die der Einfachheit halber von Georgiern meist mit Kapernblüten übersetzt werden. Die georgische Küche kennt viele Einflüsse: aus dem Iran, aus der Mongolei, aus der Türkei . . . Typische Gewürze sind Bockshornklee, Koriander oder gemahlene Ringelblumen, die man hier auch als georgischen Safran bezeichnet. Walnüsse sind omnipräsent, oft als Paste: im Blattspinat, als Verdickungsmittel in Suppen, als Füllung für Gemüse. Besonders typisch für die georgische Küche sind – hier kommt der persische Einfluss zum Tragen – Steinfrüchte: Kornelkirschen, grüne Ringlotten oder Marillen werden vor allem zu Fleisch kombiniert, etwa in Form der ­Tqemali-Sauce aus unreifen Pflaumen, Dill, Minze, Koriander und Knoblauch.

Und was auf keiner Tafel fehlen darf: die hinreißenden warmen Käsefladen Khachapuri, die je nach Region unterschiedlich gemacht werden. Und die manche amerikanischen Food-Trendscouts schon als nächste Pizza-Burger-Taco-Alternative sehen.


Die Reise erfolgte auf Einladung der Georgian National Wine Agency.

Tipp

Georgische Natural Wines gibt es in Österreich bei Weinhändler Florian Ehn von RAW-selections zu kaufen: rawselections.at

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