Rendang und Barongko

Indonesische Küche ist die vielfältigste der Welt. Auf jeder der 8000 bewohnten Inseln kocht man ein bisschen anders. Ein Food-Festival auf Bali will dies vor Augen führen.

Eine indonesische Küche gibt es nicht, sagt William Wongso. Und ein Nationalgericht? Ebenso wenig. Und mit Nasi Goreng muss man hier beim Ubud-Food-Festival auf Bali niemandem kommen. "Gebratenen Reis gibt es in jedem Land, in dem Reis gegessen wird", sagt Wongso. Der 68-Jährige ist so etwas wie der Großmeister der indonesischen Kochszene. Er und sein Team kochen gelegentlich für den indonesischen Präsidenten, wenn dieser im Ausland unterwegs ist, oder verköstigen Staatschefs bei Treffen der Vereinten Nationen. Auch in Frankfurt, beim Auftritt Indonesiens als Ehrengastland der Buchmesse, war Wongso für das kulinarische Programm zuständig. Das Ganze war fast ein Heimspiel. Der kulinarische Berater, wie er sich selbst nennt, hat in Deutschland backen gelernt man kann mit Wongso wunderbar über Streuselkuchen und Schwarzbrot fachsimpeln. Zum Frühstück isst Wongso am liebsten Pumpernickel und Teewurst.

Dass Indonesiens Küche im Ausland oft auf Nasi Goreng reduziert wird, stört nicht nur Wongso. Die Australierin Janet DeNeefe, die seit 30 Jahren auf Bali lebt, hat deswegen das Food-Festival in Ubud ins Leben gerufen und die wichtigsten Köpfe der kulinarischen Szene eingeladen, um die indonesische Küche über den gebratenen Reis hinaus bekannter zu machen. "Aufgrund unserer Geografie haben wir die vielfältigste Küche der Welt", sagt Wongso. "Rund 8000 unserer circa 17.000 Inseln sind bewohnt. Entsprechend viele regionale Unterschiede gibt es." "Allein von Rendang, karamellisiertem Rindfleisch-Curry, gibt es bestimmt 50 Variationen", erzählt Bondan Winarno. Der ehemalige Investigativjournalist und Autor eines preisgekrönten Streetfood-Buchs widmet sich seit seiner Pensionierung ausschließlich seiner Leidenschaft: Er reist und schreibt über Essen. Und weil man selbst gelegentlich zweifelt, fragt man dann: Ist das nicht unjournalistisch? Über Essen schreiben? "Als ich Chefredakteur einer Abendzeitung in Jakarta war, machte mir eine junge Journalistin genau diesen Vorwurf: Sie dürfen nicht über so ein leichtes Thema wie Essen schreiben."

Er habe ihr dann angeboten, damit aufzuhören, unter einer Bedingung: "Du übernimmst." Sie habe dann schnell gemerkt, dass die Sache gar nicht so einfach sei: "Woher kommen die Zutaten? Wie werden sie verarbeitet? Woher kommt der Geschmack? Und wie packe ich den in Worte?" Weil im Indonesischen teilweise das Vokabular fehlt, um Geschmacksnoten zu beschreiben, habe er im Lauf der Jahre einfach Worte erfunden. "Unsere Regierung tut viel zu wenig, um unsere Küche weltweit bekannt zu machen", sagt er. Die habe das Geld, aber keine Vision. Deswegen bleibe die Aufgabe der kulinarischen Diplomatie allein an Leuten wie ihm und Wongso und all den anderen Köchen, Gastronomen und Feinschmeckern hängen. Als Vorbild sieht Winarno Thailand. Dort habe der Unternehmer und langjährige Premier Taksin Shinawatra im Lauf seiner Amtszeit die Order ausgegeben: In fünf Jahren sollen weltweit 10.000 Thai-Restaurants entstehen. Nach drei Jahren gab es bereits 12.000, so Winarno. Das neue Ziel hieß dann: in fünf Jahren 20.000 Restaurants. Auch das hätten die Thailänder geschafft. "Ich kann das nicht allein. Ich schaffe es vielleicht, in zehn Jahren ein Restaurant zu gründen. William Wongso vielleicht zwei in fünf Jahren", sagt Winarno. Es ist also unwahrscheinlich, dass die Wiener, Berliner, Pariser oder Londoner bald Rendang statt Kebab essen.

Feldzug gegen den Reis. Wie die meisten Gerichte in Indonesien wird auch das von vielen geliebte scharf-süße Rendang üblicherweise mit Reis gegessen. Winarno hält davon wenig. Er führt eine Art Anti-Reis-Feldzug. "Reis macht dich krank", sagt er. Zumindest wenn man ihn in solchen Mengen verspeist wie die Indonesier. Winarno sitzt in einem Restaurant mit Blick über Ubuds grünes Tal und trinkt seinen Morgenkaffee. Er zeigt auf eine der Kellnerinnen, die sich gerade vom Selfie mit ihm erholen. "Würden Sie diese Dame hier fragen, dann würde sie sagen: Wenn ich einen Tag keinen Reis esse, dann kollabiere ich. Unabhängig davon, ob sie bereits etwas anderes gegessen hat. Das ist die Mentalität."

Der Journalist will das ändern. "Weißem Reis fehlen die Ballaststoffe. Er ist in Mengen schlecht fürs Verdauungssystem. Und er enthält viel Stärke, die vom Körper schnell in Zucker umgewandelt wird." Mittlerweile liegt Indonesien unter den Ländern mit den meisten Diabeteskranken auf Platz fünf, weil den Leuten das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung fehle. In TV-Shows versucht Winarno Alternativen zu Reis und kohlenhydratreichen Speisen aufzuzeigen. Rendang präsentiert er dort nicht mit Reis, sondern mit Maniok. Der weiße Reis dürfte aber nicht allein schuld sein an der hohen Zahl von Diabeteskranken. Indonesier haben generell sehr viel übrig für Süßes. Und was nicht süß ist, wird gesüßt. Eine Avocado ist für Indonesier beispielsweise eine Frucht, kein Gemüse. Entsprechend kann man in Restaurants Jus Alpukat bestellen, einen cremigen, süßen und oft köstlichen Avocado-Shake.

Die wahrscheinlich besten Süßspeisen Indonesiens findet man im Caf Mama in Makassar im Süden Sulawesis. Wer den Familienbetrieb betritt, wird von einer riesigen Kühlvitrine voller kleiner Häppchen empfangen. Und weil man völlig überwältigt davor stehen bleibt, gibt die Chefin Natalia Tanyadji eine Einführung: Bluder ein mit Palmwein zubereiteter Kuchen, dessen Teig acht Stunden gehen muss. Bayao Nibalu kleine gelbe Röllchen aus Eigelb mit Durian-Füllung. Barongko eine Süßspeise aus Bananen, Ei und Kokosmilch.

Als Tanyadjis Mutter, eine chinesische Indonesierin, das Geschäft vor Jahren gründete, hatte der Laden nur Platz für drei Tische ihre Tochter Natalia leitet heute ein Unternehmen mit 100 Angestellten. Mittlerweile sollen hier auch schon Bestellungen aus dem Präsidentenpalast eingegangen sein.
Wer nach all dem Zucker herzhaft gegensteuern muss, sollte in Makassar das Restaurant Ulu Juku besuchen, den Fischkopf in hellem Curry probieren und die Augen mitessen: ein Geschmackserlebnis zwischen schleimig und bissfest. Übrig bleiben zwei kleine weiße knorpelige Halbkugeln: die Augäpfel. Erzählt man Petty Elliott von dieser lokalen Spezialität, hat sie gleich den Namen parat: Pallumara. Elliott stammt ebenfalls von Sulawesi. Aber weil sie zum Food-Festival in Ubud geladen wurde, treffen wir sie dort und springen zurück nach Bali. Wenn Elliott Besuchern die Vielfalt Indonesiens nahebringen will, schlägt sie einen Gartenrundgang vor. Der Garten gehört zum Restaurant Warung Pulau Kelapa. Die Besitzer bauen hier Kräuter und Gemüse für den Eigengebrauch an, einige davon sind so selten, dass man sie im Supermarkt gar nicht kaufen kann. Elliott kommt oft hierher, wenn sie Ubud besucht.

(c) Anggara Mahendra

Thai-Basilikum. Die Köchin, die vor allem Restaurants berät und für Events gebucht wird, fährt mit der Hand durch Sträucher von Thai-Basilikum, die ein Zitrusaroma auf der Haut hinterlassen, und schwebt euphorisch von Pflanze zu Pflanze. Hier Blätter, mit denen man Eierspeisen ein saftiges Grün verleihen kann. Und dort Blätter, die zerstoßen, mit Wasser gemischt und gekühlt, auf magische Art und Weise Gelee ergeben. Elliott riecht, zerreibt und lässt vom Gärtner Wurzeln ausbuddeln. Galgantwurzeln "eleganter als Ingwer", Kurkuma "gibt gelbe Farbe". Zusammen mit Chili, Ingwer und Schalotten ergeben die beiden Wurzeln die Basis der indonesischen Küche. "Unserer Küche ist verwandt mit der indischen. Wir haben viel Curry, aber wir benutzen kein Gewürzpulver, sondern nur frische Zutaten." Wie Wongso schwört Elliott auf traditionelle indonesische Küche. Aber ihre Gerichte sind spielerischer, künstlerischer. Bastelt Elliott an Gerichten, liegt ein Hauch Molekularküche in der Luft. Bereitet sie Bubur Manado zu, eine sulawesische Reissuppe mit Gemüse, erinnert das Ergebnis an Risotto. "Das sieht dann italienisch aus, schmeckt aber indonesisch."

Elliott kocht mit dem Ofen. Heutzutage nicht mehr im Bambusrohr zu garen, sondern modernes Küchenequipment zu nutzen, ist für sie genauso selbstverständlich wie für William Wongso. Zumal für die Profis große Mengen gar nicht anders zu bewältigen sind. In den meisten indonesischen Küchen sieht das aber anders aus, erzählt Wongso. In mittelständischen Haushalten finde man häufig Hightech-Küchen, die aber kaum mehr als Dekoration seien. Die Besitzer hätten oft Angst, dass das Dienstpersonal, in wohlhabenden Schichten Standard, die neuen Geräte kaputt macht. Das Essen werde von Bediensteten also weiter in der sogenannten dreckigen Küche zubereitet. Selbst in großzügigen Häusern hieße das manchmal, dass die Bediensteten das Gemüse auf dem Boden schneiden. "Das würde ein Europäer nie akzeptieren", sagt Wongo. Ebenso wenig akzeptieren würden viele Europäer jedoch die Experimentierfreude indonesischer Gaumen. Fragt man William Wongso nach seinem Lieblings-Rendang sagt er: "Fledermaus." Fledermaus? "Ja, köstlich!"

Info

01 Köstlich. Jus Alpukat, cremiger süßer Avocado-Shake. Vor Ort zBsp bei
itsbuah.com

02 Elegant. Maniok, auch Cassava, schmackhafte Beilagenvariante zu Reis.

Café Mama (Sulawesi). Jalan Bau Mangga Raya No. 9, Makassar, Sulawesi Selatan 90231, Indonesien

Restaurant Ulu Juku (Sulawesi). Jl. Prof. Dr. Abdurrahman Bassalamah (ex.Jl. Racing Centre ) No. 99A, Kec. Makassar, Sulawesi.

Restaurant Atjeh Rayeuk (Java). Jl. Ciranjang II, Daerah Khusus Ibukota Jakarta.

Nächstes Food-Festival: 27. bis 29. Mai 2016;
ubudfoodfestival.com

Petty Elliott. Rezepte und mehr: www.pettyelliott.com

William Wongso. Rezepte: www.williamwongsoseries.com

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