Ein historischer Genussmarathon zwischen Karstgebiet und Sočatal sorgt für geschmackliche Höhenflüge und geschichtliche Falltiefe. Dazu gibt es architektonische Schönheiten.
Wenn Flüsse reden könnten, dann hätte die Soča viel zu erzählen. Und das, obwohl dieses kristallklare, smaragdgrüne Gewässer so still und friedvoll durch die Schluchten und Täler des Triglav-Nationalparks fließt, als hätte sie allein paradiesische Zeiten erlebt. Doch der Schein trügt. Während des Ersten Weltkriegs ist massenhaft Blut den Fluss hinuntergeflossen, da hier die grausamen Isonzo-Schlachten stattfanden. An die 300.000 Opfer auf italienischer wie österreichischer Seite gab es damals zu beklagen. Und noch heute zeugen Stollensysteme und Soldatenfriedhöfe, Kavernen und Kriegsgeräte von diesen schaurigen Zeiten. In Kobarid, einem idyllischen Ort im oberen Sočatal, erinnert ein Museum an das sinnlose Gemetzel der Kriegsschauplätze. Nach einem Rundgang durch die zwölf Räume dieses Mahnmals ist einem der Hunger auf Heldentum, Waffenkult und Kampfhandlungen garantiert vergangen.
Aber Kobarid hat nicht nur schwer verdauliche Kost zu bieten. Ganz im Gegenteil. Hier schwingt beispielsweise Ana Roš, die aktuelle World's Best Female Chef vom Restaurant Hiša Franko das Küchenszepter. Und die lokalen Delikatessen wie Frika (gebratener Käse) und Bovški sir (Hartkäse der Bovška-ovca-Schafe) laden gleichfalls zu einem Einkehrschwung in dem Ort. Danach kann man sich sportlich in die Fluten der Soča stürzen und den Raftern, Kanufahrern, Marmorata-Forellen und Fliegenfischern Konkurrenz machen.
Brücken über Smaragdwasser
Wären Simon & Garfunkel je in Solkan gewesen, sie hätten ihren Song „Bridge over troubled water“ bestimmt der gigantischen Brücke über die Soča geweiht. Mit 85 Metern Spannweite gilt dieses Wunderwerk als die größte gemauerte Eisenbahn-Bogenbrücke der Welt. Eröffnet im Jahre 1906 von Erzherzog Franz Ferdinand, hat die Brücke zwei Weltkriege mitsamt Luftangriffen und Sprengsätzen überstanden und steht heute noch unverändert. Das Meisterwerk ist Teil der Wocheiner-Bahn, ein monumentaler Brückenschlag in die Vergangenheit – den man am besten in der nahe gelegenen Oštarija Žogica genießt. Bei Wein, bodenständiger Küche und historischen Reminiszenzen.
Schwein gehabt
Štanjel (San Daniele del Carso) liegt abseits aller ausgetretenen Touristenpfade. Und dennoch mitten im Geschehen, zumindest, was Kulinarik und Kultur betrifft. Das Prosciuto-Haus von Simo Komel etwa geizt keinesfalls mit seinen geschmacklichen Reizen. Feinste Keulen von glücklichen Karstschweinen reifen hier ihrer aromatischen Vollendung entgegen, was bis zu 20 Monate dauern kann. Eingesalzen und mit einer Schicht aus Mehl und Pfeffer bedeckt, wurden die köstlichen Teile während der Kriegszeit sogar auf alten Krankenliegen verarbeitet, denn Schwein hat man hier immer gehabt. Im Restaurant Kobjeglava werden einem die besten Scheiben davon abgeschnitten. Wer gern der gehobenen Fleischeslust frönt, darf am Pršut aus dem Karst keinesfalls vorüberziehen. Und sollte der Bund danach doch etwas spannen, dreht man einfach ein paar Runden durch den im Jugendstil angelegten Ferrarigarten. Nach den Plänen des Architekten Max Fabiani zwischen den Weltkriegen errichtet, stellt diese idyllische Anlage den idealen Ort für Müßiggang und Mittagsruhe dar.
Unterm Maulbeerbaum
Man müsste schon ein Riesenkrake sein, um den Stamm des legendären Maulbeerbaums der Villa Fabiani bei Štanjel noch umfassen zu können. Jahrhunderte hat das gigantische Gewächs mittlerweile auf der rissigen Rinde, mit dem rührenden Liebesroman „Der Maulbeerbaum der Fabianis“ (von Renato Ferrari) wurde ihm sogar ein literarisches Denkmal gesetzt. Den händisch gezogenen Seidenraupen ist das allerdings egal. Sie futtern unberührt vor so viel Prunk und Pracht geruhsam vor sich hin. Das Geburtshaus des Architekten (1865–1962) und Mitbegründer des Wiener Jugendstils, der hier als Zwölftes von 14 Kindern aufwuchs, ist umgeben von ausgedehnten Weingärten, in denen damals wie heute der berühmte Dessertwein Picolit gekeltert wird.
Was den neuen Landherren zu verdanken ist, die ab 2014 nicht nur das gesamte, an die 600 Jahre alte Anwesen liebevoll restauriert haben, sondern auf Wunsch auch Gäste und Gesellschaften in diesem historischen Komplex beherbergen. Spannende Einblicke in den Weinkeller und eine veritable Sammlung an Oldtimern sowie entspannende Ausblicke auf nahezu toskanische Landschaftsbilder inklusive. Besonders nahe kommt man dem Architekten allerdings, wenn man sich direkt auf dessen Spuren begibt. Der Fabiani-Weg, eine wanderbare Hommage an den Architekten und Erfinder, führt von Kobdilj nach Štanjel, gesäumt von Werken des Künstlers und Kreationen der Natur. Danach kann man sich auf der Sitzbank unter dem Maulbeerbaum Liebe bis zum letzten Herzschlag schwören (Renato Ferrari). Oder einfach nur ein Glas Picolit auf die Schönheiten dieser slowenischen Welt erheben.
FLUSSAB- UND SEITWÄRTS
Anschauen: Museum Kobarid, www.kobariski-muzej.si
Essen: Jestival Kobarid – Food & Art Festival am 30. 9., www.dolina-soce.com
Prosciuto-Haus Simo Komel in Štanjel, www.q-komel.com
Oštarija Žogica/Solkan, www.zogica.com
Bioweine Batič/Šempas, www.batic.si
Domačija Čebron – Restaurant Rahaela/Branik, www.cebron.eu
Villa Fabiani/Štanjel, www.facebook.com/zavodFabiani
Schlafen: Haus und Weingut Štekar/Kojsko, www.stekar.si
Hotel Restaurant Gredič/Dobrovo v Brdih, www.gredic.si
Info:www.slovenia.info
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2017)