Liverpool: Magical Mystery Tour

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Die Fab Four in Liverpool zu ignorieren, gelingt das? Ja, fast – wenn man sich auf einige Architektur- und Designüberraschungen und drei spannende Hotels einlässt.

Beatles-Empfang bei der Ankunft. Help! Selbst eingefleischte Stones-Fans und Beatles-Verächter können den Pilzköpfen auf dem Liverpooler Flughafen jedenfalls schon mal nicht entrinnen. John Lennon Airport heißt er, mit einem Selbstporträt des Ober-Pilzkopfs als Emblem und dem Slogan „Above us only Sky“ aus dem John-Lennon-Klassiker „Imagine“. Der Taxifahrer ist zunächst kaum zu verstehen – wie viele „Scouser“, wie sich die Liverpooler selbst nennen – nach einem Eintopf aus Lamm, Kartoffeln und Möhren. Scouse heißt auch ihr Dialekt, so abgehackt und verwaschen, als sprächen sie mit vollem Eintopf-Mund. Ein, zwei Tage Hörprobe, dann kapiert man sogar den bisweilen derb-schwarzen Scouser-Humor der Marke „ruppige Hafenspelunke“ und damit auch so manche Designschrulligkeit im Stadtbild.

Die Liverpool Cathedral in der Saint James Road etwa, weltweit die größte protestantische Kirche mit der weltweit größten Orgel, bietet den besten Turmblick über die Stadt, ist so lang wie zwei Fußballfelder und beherbergt mittendrin eine typisch britische – rote – Telefonzelle! Denn dieses später im ganzen Königreich aufgestellte Modell erfand der Architekt Scott nebenbei, während er hauptberuflich mit dem Kathedralenbau beschäftigt war. Draußen über dem Portal hängt ein grimmiger Jesus mit Bodybuilderfigur. Er hat den Scouser-Spitznamen „Frinkenstein“ – nach seiner Schöpferin Elizabeth Frink. Auf das Design der „Drei Grazien“ hingegen ist man stolz – schneeweiße Prunkpaläste am Mersey-Ufer: eine Breitbild-Erinnerungsfassade an Liverpools Zeit als wichtigster Passagierhafen der Welt. Die Albert Docks, einst ein modernes Hafenspeicherrechteck, wurden renoviert, als Liverpool im Jahre 2008 Europäische Kulturhauptstadt war und man mit den für diesen Titel fließenden EU-Mitteln viel vom innerstädtischen Grau des jahrzehntelangen Niedergangs beseitigen und behübschen konnte. Heute sind die Arkaden der Albert Docks abendlicher Laufsteg für Verdauungsspaziergänger und die Schuppen neue Heimat von Restaurants und Bars, Museen und Galerien. Die Tate Gallery etwa, ein Eldorado für Fans von Designklassikern und moderner Kunst, und das bei freiem Eintritt. Gleich im Erdgeschoß der Beweis: Auch Monumentalverpacker Christo fing einmal klein an – 1959 mit zwei eingewickelten Farbdosen. Ein paar Schritte weiter Salvador Dalìs Telefon mit Hummer auf dem Hörer oder Anthony Gormlys Hommage ans britische Frühstück – eine Matratze aus 30 Toastbrotschichten. Nein, drauflegen ist natürlich verboten und für die erholsame Nachtruhe nach solchen Designstreifzügen bietet Liverpool wirklich viel schönere Schlafgelegenheiten.

Hard Days Night Hotel. Okay, ja, hier stößt man dann unweigerlich doch wieder auf die Beatles, aber dieses Haus in Liverpool zu ignorieren, das geht einfach nicht, so liebevoll ist diese steinerne Hommage an die Fab Four. Der Aufstieg im Treppenhaus ist wörtlich zu nehmen, denn mit jedem Schritt begleitet man die Beatles bei ihrer einmaligen Karriere: Die wird an der Wand mit seltenen Fotos der Fab Four erzählt. Ringo Starr beim Verlassen des Beatles-Fanshops um die Ecke, George Harrison in seinem Elternhaus, der triumphale Empfang der vier Liverpooler 1964 in ihrer Heimatstadt bei der Kinopremiere ihres ersten Films „A Hard Days Night“. Überall im gleichnamigen Hotel werden Szenen dieses Schwarz-Weiß-Streifens an die Wände projiziert. Die Einrichtung des komplett umgebauten Ex-Bürogebäudes in Braun-, Beige- und Weißtönen passt dazu, nimmt – ganz retro – Farben und Designmerkmale der Sechzigerjahre auf und wirkt trotzdem modern.

Doch der wahre Beatles-Fan hat dafür vermutlich keine Augen, denn die entdecken auch nach Tagen immer neue Erinnerungsstücke und Details: Die als Mobile über der Rezeption baumelnden Beatles-Notenblätter. Oder von Promis dem Hotel überlassene und signierte Beatles-Lieblingsplatten: Von Elton John ist es das Album „Revolver“, Tom Jones gab die Single „Please please me“. Natürlich hat jeder Beatle eine eigene Suite. Die von John Lennon ist komplett in Weiß gehalten, inklusive eines ebensolchen Flügels. Aber natürlich wohnen auch Gäste in den Standardzimmern, umzingelt von Beatles-Memorabilia.
Eines davon ist eigens zum Mitgehenlassen produziert: das „Bitte nicht stören“-Schild. „I’ve had a hard days night“, heißt die ablehnende Seite des schwarzen Papphängers. Sofern man hingegen Besuch vom Zimmerservice wünscht, dreht man es um. Dort steht dann schlicht: „Help!“. Unten im Keller des Hotels lohnt eine Stippvisite in „Hari’s Bar“. Sie erinnert an George und ist ein Traum in Rot.

Wer ins Beatles-Epizentrum möchte, muss nur aus der Tür und einmal um die Ecke gehen. Dort, in der Mathew Street, war der Cavern Club – nicht der erste Beatles-Auftrittsort, wie viele fälschlicherweise meinen, aber der Laden, in dem sie am häufigsten auf der Bühne standen – 292-mal. Heute ist das wieder aufgebaute Cavern eher ein „Cover Club“ – weil hier täglich Cover-Bands das Werk der Beatles mehr oder weniger originalgetreu wiedergeben. Gegenüber lehnt Lennon – gusseisern – lässig an der Wand und bewacht den Wall of Fame, eine Backsteinwand mit den eingravierten Namen aller im Cavern aufgetretenen Künstler.

Hotel Base2Stay. Liverpools Déjà-vu ist rot. Ziegelrot: Aus solchen Backsteinen sind nicht nur die Albert Docks am Mersey River erbaut und die Steine der Wall of Fame. Ein roter Ziegelbau ist auch Liverpools derzeit wohl spannendstes Hotel – das Base2Stay. Ein wunderschön restauriertes Fabrikgebäude von 1850, erbaut für eine Metallfabrik. Später zogen kleine Handelsunternehmen für Kork und Bienenwachs ein, und schließlich – in den Sechziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts – eine Druckerei. Schon beim Eingang, dann an der Rezeption und auf den Fluren ist der Gast umgeben von dieser Industrie-Aura: Neben den sich auch innen durchs Haus ziehenden roten Ziegelmauern sind Metallträger zu sehen und 163 Jahre alte dunkle Holzbalken. Das gesamte Interieur des Base2Stay ist auf diesen historischen Kern des Fabrikgebäudes abgestimmt: schwarze Türen, schwarze, kubusförmige Clubsessel, überwiegend schwarz-weiße Einrichtung in den Zimmern und dazwischen dann einmal ein verspielter Würfel im Kuhfell-Look. 

Nur einen Frühstücksraum gibt es nicht. Dafür hat jedes der 106 Zimmer eine Miniküche mit Spüle, Kühlschrank und Mikrowelle. Wer nicht Selbstversorger spielen möchte, lässt liefern: Müsli, Milch und Brot kommen in Papiertüten aufs Zimmer. Kostenloses Internet, 30 Minuten pro Tag kostenlos innerhalb Großbritanniens telefonieren und 6000 Musiktitel in einer hoteleigenen Datenbank sind weitere, außergewöhnliche Service-Ideen. Vier Sterne prangen unter anderem dafür an der Tür. Nicht jedoch für die Preise: Doppelzimmer kosten – je nach Umrechnungskurs fürs britische Pfund – ab etwa 70 Euro. Erstaunlich und erfreulich, auch angesichts der Lage: Vom Base2Stay – mitten in Liverpools wieder angesagtem Ausgehviertel Ropewalk District – ist man zu Fuß in lockeren fünf Minuten im Shoppingcenter Liverpool One ebenso wie in den Museen am Mersey River oder an der Mathew Street.

Indigo Hotel.
Da hatte mal jemand eine witzige Designidee: Liverpool war früher ein wichtiger Hafen für den Baumwollhandel des britischen Weltreichs mit einem Viertel in Mersey-Nähe, wo die Händler ihre Kontorhäuser hatten. In einem davon residiert heute das Indigo Hotel und spinnt das Thema Baumwolle kreativ durchs ganze Haus.

Da sind zum einen imaginäre Baumwollfäden und –knäuel, die sich an den Wänden durch alle Etagen und Zimmer ziehen. Bettbezüge, Kissen, Möbel, Gardinen, Tische und Stühle – die gesamte Einrichtung ist in all jenen poppigen, frischen Farben gehalten, die üblicherweise zur Färbung von Baumwollprodukten verwendet werden. Einmal pastellig lindgrün, dann quietschorange wie die ausladende Rezeption in der Lobby. Gleich daneben das ins Hotel integrierte, eher kühl-nüchterne Steakhouse von Marco Pierre White, britischem Topkoch mit drei Michelin-Sternen. Gemütlicher ist die Bar des Indigo Hotels, wo der „Baumwollfaden“ weitergesponnen wird – mit dem äußerst bekömmlichen Cotton Candy Cocktail: Wodka und Champagner auf Zuckerwatte.

Tipp

Schrullig. Eine typisch britische rote Telefonzelle mitten in der Liverpool Cathedral. 20 St. James Road. liverpoolcathedral.org.uk

Vinyl. „A Hard Days Night“.

Mini. Schneekugel mit gelbem U-Boot. „Yellow Submarine“, genau.

Mitnehmen. „Bitte nicht stören“-.Schild im Hard Days Night Hotel, DZ ab ca. 110 Euro; T+44/151/236 19 64, harddaysnighthotel.com,
Base2Stay, 29 Seel Street, T +44/151/705 26 26, base2stayliverpool.com DZ ab ca. 70 Euro
Indigo Hotel. 10 Chapel Street, T +44/151/559 01 11, DZ ab 78 Euro. hotelindigoliverpool.com

Essen, Ausgehen.
Grünkarierte Plastiktischdecken, Blumenteller an der Wand – trotz Kantinencharmes bietet das Café Maggie Mays den besten Scouse-Eintopf der Stadt, 90 Bold Street.
60 Hope Street. Edles Interieur im Großbürger-Kaminzimmer, hier wird die Entenbrust auf Schiefertafeln serviert und Shrimps an handmodellierten Kartoffelsalattürmchen.
The Slaughterhouse. Deftige Scouser-Comedy zum faden Real Ale Bier oder starkes Stout gibt’s im Pub, 15 Fenwick Str., T 236 07 04.
Alma de Cuba, Liverpools derzeit coolster Club, war früher eine katholische Kirche: Heute tanzen Bikinimädchen auf dem Altar mit Kunstpalme Salsa, im Längsschiff hängt man an einer Bar unter Hirschgeweihlüstern mit Kerzen ab. 90 Seel Street, alma-de-cuba.com

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