Apulien: Öl auf meiner Haut

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Vom Haus- zum Allheilmittel: Olivenöl ist nicht nur bei innerlicher Anwendung gesund. In Apulien kann man sich mit Oliven peelen, massieren und von Kopf bis Fuß pflegen lassen.

Ruhepole. In der Kapelle der Masseria Torre Coccaro können Gäste für ihr Seelenheil beten.
Ruhepole. In der Kapelle der Masseria Torre Coccaro können Gäste für ihr Seelenheil beten. (c) Beigestellt
Privatpool einer Suite.
Privatpool einer Suite. (c) Beigestellt

Fünfundsechzig Millionen Olivenbäume tauchen die uralte und immer noch urwüchsige Landschaft Apuliens in silbriges Grün. Aus ihren Früchten werden 45 Prozent des italienischen Olivenöls gewonnen – immerhin zwölf Prozent der Weltproduktion. Es ist ein ebenso einträglicher wie dekorativer Wirtschaftszweig. Viele Bäume sind mehrere hundert, manche sogar über tausend Jahre alt. Ihre knorrigen Stämme verleihen der Landschaft eine Aura beruhigender Dauerhaftigkeit. Eine Pflanze von derartiger Langlebigkeit, die im Lauf der Zeit beständig an Stärke gewinnt statt an Vitalität einzubüßen, die dazu immer wieder Früchte trägt und geradezu immun zu sein scheint gegen die Vergänglichkeit allen irdischen Seins – die muss wie geschaffen sein für die Zwecke der Wellnessindustrie, die doch vom Streben nach Jugend und dauerndem Wohlbefinden lebt.

Straffen und polieren. So leuchtete mir ein, dass mein Körper an jenem kühlen Frühlingsabend im Spa der Masseria Torre Coccaro mit Olivenpaste behandelt werden sollte. Schließlich hatte ich mir bereits am Morgen Olivenshampoo ins Haar massiert und mir zum Frühstück ein wenig Olivenöl aufs heiße Ciabatta geträufelt. Es duftete gut, es schmeckte noch besser. Und es war nur konsequent, wenn nun ein Olivenpasten-Scrub meinen Körper von Schlacken befreien, straffen und polieren würde − „hochwirksam für gestresste Haut“, so stand es auf der Karte des Spas.Denn die kleine schwarze Frucht und ihre Blätter sollen manches Wunder wirken. Entgiften, straffen, vitalisieren und Fett reduzieren − all das soll die Olive fertigbringen, wird sie nur richtig − und vollständig − eingesetzt.

In den Spas der zwischen Bari und Brindisi an der Adria gelegenen Schwesterresorts Masseria Torre Coccaro und Masseria Maizza finden im Rahmen der hauseigenen Oliventherapie Olivenpaste, -öl und die Blätter des Olivenbaums Verwendung. Olivenpaste wirkt entgiftend und aufbauend, weshalb der Körper-Scrub den Auftakt der Therapie bildet. Kosten sollte man das Zeug aber nicht, denn es besteht aus zerstoßenen Olivenblättern, die mit „Sansa“ angereichert werden, einem weniger hochwertigen Öl, das aus den nach der zweiten Pressung verbliebenen Oliven gewonnen wird und sich daher zur äußerlichen Anwendung eignet. Es folgt ein entgiftendes Dampfbad mit Olivenöl und dem Extrakt von Olivenblättern.

Dann wird eine Packung aus Olivenpaste in den Körper einmassiert, die eine halbe Stunde einwirkt − durch die gleichzeitige Gesichtsmassage mit Olivenöl eine Phase seliger Entspannung. Ausgeklügelt hat das Konzept Spa­managerin Angela Ignobile mit ihrem Team. Rohstoffe sind ohnehin genug vorhanden, besitzt die Masseria doch Olivenhaine und stellt ihr eigenes Olivenöl her.

Nach drei Anwendungen und zwei Gesichtsbehandlungen soll der Gast bereits erheblich − und sichtlich −
an innerem Wohlbefinden gewonnen haben. Ich befand mich noch am Anfang des Prozesses, doch das Halb­dunkel des Behandlungsraums, der Duft des Öls und die
entspannende Massage wirkten so rasant verjüngend, dass ich mich bereits fühlte wie ein liebevoll von der Mama umsorgtes Baby. Kaum verstand ich, was die
Therapeutin über die entschlackende und remineralisierende Wirkung einer Sansa-Behandlung sagte, die sie mir für den nächsten Tag in Aussicht stellte. Das Letzte, was ich hörte, bevor ich in Tiefschlaf sank, war ihr Versprechen einer weiteren entschlackenden Massage mit Olivenöl, der ein Bad mit Olivenblättern folgen sollte. 

Anderntags fühlte ich mich wie neugeboren. Der Blick aus dem Fenster war fast so angenehm wie tags zuvor
die Wohltaten im Spa: Gleißend schien die Sonne auf die
Olivenhaine, in der Ferne lag ein tiefblauer Streifen Meer, die Vögel sangen so laut, als hätte der vergangene Winter ein Jahr gedauert. Es ist kein Kunststück, sich vor einem solchen Panorama jünger und erholter zu fühlen. Doch auch der Blick in den Spiegel bewies: Die Oliven
bekamen mir. Die positive Wirkung hochwertigen Olivenöls auf die Haut ist relativ unumstritten. Es pflegt nicht nur trockene Haut, es macht sie auch elastischer und lässt
Narben verblassen. Süditaliener mischen
Olivenöl mit Meerwasser und verwenden das Gemisch als Sonnenschutzmittel. Trotzdem raten Dermatologen davon ab, Babyhaut mit Oliven- oder anderen Pflanzen­ölen zu behandeln. Denn immer enthalten diese auch geringe Mengen von Proteinen, die Allergien auslösen
können.

Tiefenreinigung. Auch in der Umgebung der Masseria finden Oliven nicht ausschließlich in der Küche Verwendung. Im 1800 Quadratmeter großen Vair Spa des Resorts Borgo Egnazia − wie die Masserien Torre Coccaro und Maizza bei Savelletri − lassen sich die meisten Gäste mit Olivenöl aus hauseigener Herstellung massieren. Aber auch Mandelöl und andere Öle aus Süditalien kommen zum Einsatz. „Olivenöl hat tiefenreinigende Wirkung“, weiß Spadirektorin Patrizia Bortolin. „Deshalb stellen wir es in unseren Umkleideräumen sogar zum Abschminken vor der Behandlung zur Verfügung.“ Doch das ist nicht alles. Es wirkt zugleich heilend und kräftigend. Bortolin: „Olivenöl gibt empfindlicher Haut ihr Gleichgewicht zurück und baut sie auf. So wirkt es der Hautalterung entgegen.“

Wegen seiner Inhaltsstoffe − insbesondere der Vitamine und Mineralstoffe − hat das Öl auch den Weg in die hauseigene Haarpflegelinie gefunden. Zusammen mit frischer Zitrone, Salz und Feigenmilch wird Olivenöl außerdem bei Maniküre und Pediküre zur Reinigung und Pflege von Händen und Füßen verwendet. Bei der ­Nagghir-Massage − Nagghir ist die apulische Bezeichnung für den Leiter der Ölherstellung − wird der Körper des Gastes 80 Minuten lang mit Oliven-, Mandel-, Karotten- und Zitronenöl geknetet. Wer Verspannungen loswerden will, liegt mit der Mascior-Massage richtig. Mascior wurde im Dialekt der Gegend ein Mensch mit Heilkräften genannt. Bei dieser Massage mittlerer Intensität werden außer Olivenöl auch heiße Tücher verwendet, um Verspannungen zu lösen.

„Wir benutzen für alle Anwendungen unser eigenes Olivenöl, das für den Gebrauch im Spa nicht behandelt wird, damit es leichter oder dünnflüssiger wird. Es würde dadurch an Wirkung verlieren“, sagt Spadirektorin Bortolin. Sie ist davon überzeugt, dass in Apulien altes Wissen lebendig geblieben ist, von dem der Mensch noch heute profitieren kann. Schließlich gibt es hier sogar Pflanzen­arten, die im Norden des Landes nicht mehr vorkommen. Olivenöl galt in Apulien seit jeher als Allheilmittel − innerlich wie äußerlich angewandt. Um das hiesige Kräuterwissen zu würdigen, stammen die Namen aller Treatments im Borgo Egnazia aus dem Dialekt der Region.

Vom Baum ins Spa.  Die Olive hat wie von selbst den Weg vom Hausmittel in die Spas der örtlichen Luxushotels gefunden. Im Borgobianco Resort & Spa in Polignano a Mare gehört ein Gesichts- und Körperpeeling mit nativem, kalt gepresstem Bio-Olivenöl zum Angebot. Dabei werden granulierte Olivenkerne verwendet: ein Peeling, das die Haut optimal auf weitere Pflegeeinheiten vorbereiten soll. Verjüngung inklusive.

Die Rolle der Olive im Tourismus ist klein im Vergleich zu ihrer Bedeutung für die Landwirtschaft Apuliens. Die Olivenernte, die im Herbst beginnt, nimmt mehrere Wochen, manchmal Monate in Anspruch. Im Oktober reinigen die Bauern den Boden rund um die Bäume von Gras und Blättern, um die Oliven schneller sehen und aufnehmen zu können. Zunächst sind die Früchte grün, dann lila, schließlich werden sie schwarz. Grüne Oliven bekommt man ins Glas, indem man die Früchte unreif erntet. Die Bauern legen Netze unter den Bäumen aus, um nicht eine Olive zu verlieren. Geerntet wird vor allem von Hand. Siebzig Euro verdienen die Olivenpflücker am Tag, die auf Leitern stehend mit Plastikkämmen die Früchte von den Ästen holen und in einem Gefäß sammeln. Auch vorsichtiges Schütteln der Äste ist erlaubt.

An der Küste lässt man die Früchte auf dem Boden liegen, wo sie brechen, fermentieren und Regen und Witterung ausgesetzt sind. Dadurch entwickeln sie mehr Säure, was sich auf die Qualität des Öls auswirkt: Das ist dann häufig nicht mehr „extravergine“, sondern nur mehr „vergine“ (jungfräulich). Deshalb wird auch hier die Ernte zunehmend auf schnellstem Weg zur Mühle gebracht, wo sie verarbeitet wird. Vom Baum essen kann man die Früchte nicht: Nicht weniger als 40 Tage müssen Oliven in Salzlake liegen, bis sie genießbar sind. Für den Gebrauch im Spa eignen sich auch die Überreste der Ölherstellung wie die gepressten Früchte. 

Tipp

Mittelalterlich. Gästehandtuch aus Baumwolle und Leinen von Anichini, designt nach mittelalterlichen Vorbildern. www.anichini.com

Kühl. Olivenpaste wird in der Masseria Torre Coccaro einmassiert.

Köstlich. Öl aus den Olivenhainen der Masseria Torre Coccaro.

Großartig. Getrocknete Paradeiser in Olivenöl von Manestrini. www.manestrini.it

Oliventherapie in Apulien:
Anreise: Per Flieger via Rom nach Bari oder Brindisi; von dort entweder vom Hotel abholen lassen oder per Mietwagen weiterfahren.
Wellness: In der Masseria Torre Coccaro in Savelletri di Fasano können die Gäste sich mit Olivenöl massieren lassen oder einer vollständigen Oliventherapie unterziehen. 72015 Savelletri di Fasano, DZ ab ­278 Euro. www.masseriatorrecoccaro.com
Im Borgo Egnazia, ebenfalls bei Savelletri, kostet das DZ ab 220 Euro; noch bis Ende März kann man ein Package mit zwei Nächten und diversen Wohltaten im Spa ab 590 Euro pro Person buchen. www.borgoegnazia.com
Im Borgobianco Resort & Spa in Polignano a Mare stehen ebenfalls Anwendungen mit Olivenöl auf der Karte des Spas. Das einstündige Treatment aus Gesichts- und Körperpeeling mit granulierten Olivenkernen mit nachfolgender Massage kostet 110 Euro. www.borgobianco.it

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