Gardasee: See mit Seele

(C) Lefay Resort & Spas
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Die „Zitronenküste“ des Gardasees ist eine Traumkulisse, in der man körperliches und geistiges Wohlbefinden finden kann.
Text: Stefanie Bisping

Am Morgen ist der See verschwunden. Jenseits des Gartens türmen sich Wolken. Später vertreibt die Sonne den Dunst und wärmt die Hügel über Gargnano auf. Jetzt wird er sichtbar, der See, glatt wie eine silberne Scheibe. Die Gäste ruhen in ihren Liegestühlen, den Blick auf das Panorama geheftet, als wäre die Beobachtung des Sees der eigentliche Zweck ihres Aufenthalts. Dabei sollen sie in dem Resort in den Bergen ihre Gesundheit pflegen: durch ein Wellnessprogramm, das der Arzt des Hauses für sie ausarbeitet, durch individuell gemischte Kräutertees, durch Yoga, Meditation und leichte Bewegung auf dem zwei Kilometer langen Spazierweg durch fünf Gärten.

Sie entsprechen den fünf Phasen, in die die traditionelle chinesische Medizin den Lauf des Lebens teilt. Hinter all dem steckt Doktor Maurizio Corradin, ein Mediziner aus Padua, der in Frankreich und New York Akupunktur und chinesische Heilkunde studiert und das Wellnesskonzept des Lefay Resorts & Spas entwickelt hat. Er analysiert den Zustand kurwilliger Gäste, fragt nach Schlafverhalten, auffälligen Träumen, Krankheiten, Stress, Schmerzen, bevorzugten Geschmacksrichtungen und Jahreszeiten, bevor er sich ihre Zunge zeigen lässt und ihren Puls prüft. Corradin, der Marathonläufer ist, sich aber heute hinter seinem Schreibtisch müde die Augen reibt, will dann die richtigen Impulse geben, um den Gästen zu mehr Wohlbefinden zu verhelfen. Dieses stellt sich auch außerhalb des Spas fast wie von selbst ein: dank der traditionellen Gerichte aus allen Regionen Italiens, die in der Trattoria la Vigna serviert werden und vielleicht nicht besonders leicht, aber dafür umso schmackhafter sind, und durch die Schönheit des Sees und seiner Küsten, die sich zu jeder Tageszeit in jeder Jahreszeit ein bisschen anders zeigen.

Belle Époque. Die Berg-See-Garten-Wein-Landschaft des Sees, der in der Eiszeit durch den Rhätischen Gletscher modelliert wurde, bildet auch anderswo die Kulisse für manches feine Spa. Das Hotel Lido Palace etwa liegt unmittelbar am Nordufer in Riva del Garda, das einst zu Österreich gehörte, in einem großen Park. Einen Tag vor Silvester öffnete es im Jahr 1899 und lockte bald prominente Gäste wie den Thronfolger Franz Ferdinand oder Vertreter der amerikanischen Milliardärssippe der Vanderbildts. Heute ist das Interieur der Belle-Époque-Villa auf dem neuesten Stand der Technik, und Wellnessurlauber können ihren Körper mit einem ganzen Reigen höchst exotischer Anwendungen auf Vordermann bringen lassen. Die „sieben Zeremonien“ des Lido verbinden sich zu einer exotischen Wellnessreise um den ganzen Erdball.

Mehr als 50 Anwendungen mit Naturprodukten – von Algen über Hagebutten, Honig, Mangos und Oliven bis zu Zitronen – bietet das 1000-Quadratmeter-Spa des am östlichen Ufer gelegenen Aqualux Hotels. Hier steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Der Name des Hauses steht für sein Programm: Neben organischen Naturprodukten sorgt Wasser für das leibliche Wohl. In einer aus Thermalwasser gespeisten Pool-Landschaft kann man hier buchstäblich planschen, bis der Arzt kommt. „Der größte Luxus ist unsere Natur“, sagt Anke Hähnsen, die seit 2004 am Gardasee lebt und im Spa des Hotels Lefay arbeitet. Zuvor verbrachte die gebürtige Hamburgerin mehr als zehn Jahre in Mailand. „Der Gardasee war damals immer nur ein Wochenendziel, jedes Mal fiel mir der Abschied schwer“, erzählt sie. Berge wie der Monte Costello, dessen Form sie an einen Drachen erinnert, verschlafene Dörfer hoch über dem See, in denen sich das Leben über Jahrzehnte kaum verändert zu haben scheint, und die üppige Natur an den Ufern haben für sie nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Schließlich ließ sie sich in Mailand zur Shiatsu-Therapeutin ausbilden, gab ihren Job in einer Anwaltskanzlei auf und zog an den See ihrer Träume. „Ich hatte das Gefühl, hier oben, in den Bergen und mitten in der Natur, wirklich angekommen zu sein.“

Wandern, schwimmen – am liebsten am Nachmittag, wenn das Licht sich ändert und er spiegelglatt liegt –, dazu in der mediterranen, fast schon subtropischen Landschaft Kontakt zu anderen Deutschsprachigen, Besuchern und Bewohnern halten, das alles wiegt für sie die Zeit des Winters auf: „Er kann schon lang werden, wenn wenig Gäste da sind und das nächste Kino 50 Kilometer entfernt ist.“ Schon vor hundert Jahren schätzte man das Westufer des größten italienischen Sees. Ausgelöst hatte den frühen Boom ein Arzt aus Norddeutschland, der das Klima im neuen Kurort Gardone Riviera als gesundheitsfördernd empfahl. Seit der Österreicher Ludwig Wimmer das erste Grand Hotel am See erbaute, blühte hier ein recht elitärer Tourismus. Schließlich reisten so viele Kurgäste aus Norddeutschland und sogar aus dem fernen Skandinavien an, dass es geboten schien, zur spirituellen Unterstützung des Kurerfolgs einen Geistlichen zu entsenden. Denn dieser paradiesische Fleck besaß alles außer protestantischen Pfarrern. 1897 wurde einen Steinwurf vom Grand Hotel in Gardone Riviera die deutsche evangelische Kirche fertig – bis heute besteht hier eine kleine Gemeinde. Rund zwanzig Deutsche treffen sich jeden Sonntag zum Gottesdienst mit anschließendem Morgenkaffee mit Blick auf Pinien und Zypressen. Die meisten sind Frauen, viele leben bereits seit Jahrzehnten in Italien.

Zauberhafter Ort. Eine von ihnen ist Ebba Rathert, die als Kind viel über den See las und später jahrelang in Mailand als Designerin arbeitete. „Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, in der Stadt zu leben, und wollte in die Natur“, erklärt sie. Heute betreibt sie in Gardone eine Schneiderei und nähte unter anderem für André Heller, der 1988 den botanischen Garten in der Nähe gekauft und sich dort ein luxuriös-romantisches Domizil eingerichtet hatte, Anzüge. Die Natur allerdings, die sie hier am meisten fasziniert, sieht sie heute bedroht: Wenn etwa diskutiert wird, für den Bau neuer Luxuswohnungen einen Berg am See abzutragen: „Viele Menschen haben einfach keinen Respekt vor der Natur“, erklärt auch die Schriftstellerin Anna Katharina Fröhlich. Man ahnt, dass sie gern stärkere Worte wählen würde für das, was sie als Angriff auf ihr persönliches Paradies empfindet. Sie sitzt in ihrem Garten am Hang des 1500 Meter hohen Cima Ciprël, Zypressen und Zedern werfen lange schlanke Schatten, Pinien breite, irgendwo in den Weingärten gackern Hühner, von der Küstenstraße unten in Toscolano Maderno am südlichen Westufer des Sees ist absolut nichts zu hören. So verwunschen ist dieser Fleck Erde, dass allein die Tatsache, dass unterhalb des Grundstücks ein Golfplatz liegt, irritieren könnte – wäre er nicht der zweitälteste Italiens und ein Garant dafür, dass dieser Ausblick wohl auch in Zukunft unverbaut bleiben wird.

Zauberhaft. Anna Katharina Fröhlich liebt diesen Fleck Erde. „Oben ist das Land karg, es gibt keine Olivenbäume mehr, keine Zypressen – das Ufer unten hingegen ist so lieblich und mediterran“, schwärmt sie. Der See erinnere an einen Fjord, vereine die schönsten Seiten von Nord und Süd in sich und sei unendlich vielseitig. „Er hat so viele Gesichter und so viele Seelen, dass man sich hier in die unterschiedlichsten Landschaften träumen kann“, erklärt Fröhlich, die ihrer Liebe zum Gardasee im Roman „Wilde Orangen“ ein Denkmal gesetzt hat. „Im Frühling, wenn die Erde aufbricht und alles knospt, über dem See Dunst liegt und die Krähen krächzen, fühle ich mich manchmal wie in Indien.“ Die 41-Jährige verbrachte prägende Kindheitsjahre am See und lebt seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr dauerhaft hier. Vor 43 Jahren fuhr ihr Vater, der deutsche Schriftsteller Hans-Jürgen Fröhlich, mit ihrer Mutter in die Villa Massimo nach Rom. Auf dem Weg machten die beiden Halt am Gardasee, verliebten sich auf der Stelle in die Riviera dei Limone, die Zitronenküste, und kauften eine alte Scheune mit Stall in den Hügeln von Toscalano. Jahrzehnte dauerte es, die beiden Ruinen am Hang in die zwei schön restaurierten Häuser zu verwandeln, von denen eines heute Anna Katharina Fröhlich mit ihrer Familie, das andere ihre Mutter bewohnt. Sie pflegen einen Kräutergarten, halten Hühner, Hahn und Ziegen – ein Refugium voller berückender Aussichtspunkte auf den See. Trotzdem verlässt Fröhlich gelegentlich ihr Heim. Der winzige Hafen der Dörfchens Villa und der von Eichen und Zypressen beschattete Strand neben der Villa Feltrinelli in Gargnano – einst Sitz der gleichnamigen Unternehmer- und Verlegerfamilie, in den letzten beiden Kriegsjahren Domizil Mussolinis und heute ein Grand Hotel – besitzen für sie einen ganz besonderen Zauber. Ein Leben ohne Gardasee? Unvorstellbar. „Auch wenn die Winter lang sein können. Da braucht man eben viele gute Bücher.“

Wellness am Gardasee

Das 2008 eröffnete Fünf-Sterne-Haus Lefay Resort & Spa ist ein Zauberberg, der eine Vielzahl von Wellnessanwendungen und -einrichtungen mit Luxus und sehr guter Küche (rustikal in der Trattoria La Vigna, raffiniert im La Grande Limonaia) verbindet. Das hat seinen Preis:

Das DZ kostet hier ab 350 Euro. Via Feltrinelli 118, 25084 Gargnano, Brescia, +39/(0)
365/241 800, lefayresorts.com


In einem historischen Gebäude von 1899 und seinen modernen Anbauten liegt
das feudale Fünf-Sterne-Hotel Lido Palace gleich am Seeufer in Riva del Garda. Das hauseigene CXI Centoundici-Spa misst 1500 Quadratmeter und verfügt über ein Hallen- und Freibad, Wärme- und Dampfbad, einen Salzraum, eine finnische Sauna und ein mediterranes Schwitzbad, dessen Temperatur von 50 Grad langsames, dauerhaftes Entschlacken ermöglicht. Hinter dem Begriff CXI verbergen sich sieben exotische Zeremonien, zu denen unter anderem ein antikes Baderitual aus Japan, eine Südseemassage, die Zeremonie „Südamerikanischer Sonnenuntergang“ und eine birmanische Fußbehandlung gehören. Die Beautyangebote setzen den Schwerpunkt auf Anti-Aging.

Das DZ kostet ab 298 Euro. Viale Carducci 10, 38066 Riva del Garda, +39/(0)464/021 899, lido-palace.it


Das Vier-Sterne-Superior-Hotel Aqualux in Bardolino ist das erste zertifizierte Klimahotel am Gardasee und legt besonderen Wert auf Nachhaltigkeit – und das in allen Bereichen. So kommen im 1000-Quadratmeter-Spa natürliche Produkte zum Einsatz, auch das Wasser im Spa- und Poolbereich – zum Haus gehören gleich acht Pools mit Thermalwasser – wird durch eine hauseigene Wasseraufbereitungsanlage nachhaltig genutzt. Strom, Heizung und heißes Wasser werden aus einer Fotovoltaikanlage, Sonnenkollektoren auf dem Dach und einer Wärmepumpe gewonnen bzw. gespeist. Die Gebäude mit 80 Zimmern und 33 Suiten in zeitgenössischem Design bestehen aus Massivholz, Glas und Stein.

Das DZ kostet hier ab 166 Euro. Via Europa Unita 24, 37011 Bardolino, +39/(0)456/229 999, aqualuxhotel.com

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