Göteborg: Erleuchtung garantiert

Zentral. Liseberg ist das Epizentrum von Göteborgs Weihnachtsextravaganz.
Zentral. Liseberg ist das Epizentrum von Göteborgs Weihnachtsextravaganz.(c) Sascha Rettig
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Schon Anfang November verwandelt sich Göteborg in eine gigantische, mit Millionen Glühbirnen und bunter Lichtkunst illuminierte Weihnachtsstadt.

Plötzlich geht das Licht an, die Musik setzt ein und der Chor Lodola legt los. Über 30  Wichtel mit roten Zipfelmützen, grünen Umhängen und goldenen Glitzerschals stehen da, angeordnet in Form eines Tannenbaums, und lassen sich mit ihren kraftvollen Stimmen durch einige schwedische Weihnachtsliedklassiker dirigieren. Trotz des unweihnachtlichen Nieselregens bei ungemütlichen zwei Grad bleiben die Passanten auf dem Bahnhofsvorplatz in Göteborg stehen, wiegen im Takt mit und lassen ein paar Minuten lang ihre feierlichen Weihnachtsgefühle zum Glimmen bringen. Festtagshasser haben in den Wochen vor Jesu Geburtstag eine harte Zeit in der Stadt, denn Weihnachten erwischt einen im Advent fast überall und so wie mit dem Wichtelchor mitunter auch ganz unvermittelt.

Dank einer Marketingidee, die den Tourismus ankurbeln sollte, wurde aus Göteborg vor einigen Jahren eine Weihnachtsstadt. Bevor die Stadt-verwaltung beschlossen hatte, der Weihnachtsstimmung ordentlich unter die Arme zu greifen, war die dunkle Jahreszeit hier auch noch um einiges dunkler – sogar der Traditionsvergnügungspark Liseberg in der Nähe des Zentrums war zu dieser Jahreszeit damals geschlossen. Doch weil die heimelige Erleuchtung der kurzen, grauen, oft verregneten Tage zum Advent gehört wie Lussekatter-Safranbrötchen und Glögg zur schwedischen Vorweihnachtszeit, wird in der Stadt inzwischen illuminiert, was das Zeug hält. Lichtdesigner Andreas Milsta ist einer der Köpfe dahinter. Mit einem Team plant, organisiert und berät er die Stadt, wenn es um die adventliche Festtagsbeleuchtung geht. „Ein Teil davon ist immer gleich, aber es gibt auch jedes Jahr ein anderes Thema“, sagt der 31-Jährige. Und das ist nicht gezwungenermaßen auf den Weihnachtsmann, sein Rentier Rudolph und andere abgelutschte Motive fixiert. Im vergangenen Jahr etwa war dieses Überthema Der Ozean  – mit viel Licht in Blauabstufungen, Wellen und Installationen sowie einem eigens produzierten Kurzfilm, der auf dem Götaplatz am Kunstmuseum mehrfach täglich auf die Außenwand projiziert wurde. Für dieses Jahr hingegen lautete das Thema Junge Menschen, bei dem sich auch der Nachwuchs Göteborgs an den Designs beteiligen sollte.

Glücklich. Schnee macht das Winter-Weihnachtspaket in der Hafenstadt komplett.
Glücklich. Schnee macht das Winter-Weihnachtspaket in der Hafenstadt komplett.(c) Göran Assner/Visitsweden

Zeremonie mit Ansprache. Mit den Vorbereitungen wird schon im Jänner angefangen. Wenn die Lichter am 10.  Jänner gerade erst abgebaut werden, ist Milsta in den Kreativgedanken schon längst bei der nächsten Vorweihnachtszeit. Zehn Monate später, am 1.  November, zündet die erste Illuminierungsstufe mit der Grundbeleuchtung. Am 5.  Dezember wird dann auch für den Rest in einer kleinen Zeremonie mit Ansprache und Musik am Götaplatsen der Schalter umgelegt. Nicht nur die Lichter entlang der breiten Flaniermeile Kungsportsavenyn, sondern auch überall an den Brücken, Gassen, Bäumen werden angeknipst. „Vieles probieren wir vorher aus, aber das ist natürlich nicht immer möglich“, sagt Milsta. Acht Millionen schwedische Kronen, rund 850.000 Euro, lässt sich die Stadt das Lichtermeer kosten – angeblich fließt durch mehr Besucher aus dem In- und Ausland mehr als das Vierfache zurück, vier Millionen Euro.

Von den Straßen der Altstadt Haga bis zum etwas auswärts gelegenen Schloss Gunnebo tragen in Göteborg neben den Lichtern aber auch zahlreiche, sehr unterschiedliche Weihnachtsmärkte zur Weihnachtsstimmung bei. Der Markt im Kronhuset gehört zu den sehr traditionellen und ist genauso, wie man sich einen schwedischen Julmarknad vorstellt, schon allein durch die Kulisse im ältesten, fast 400 Jahre alten Haus der Stadt. Draußen lodert in einem Zelt ein kleines Lagerfeuer, an dem man sich mit einem überteuerten Glögg aufwärmen kann, der wie überall in Schweden in eher mikroskopischer Bechergröße portioniert wird. Drinnen, hinter den roten Backsteinwänden, wird unter dem historischen Gebälk Kunsthandwerk und Deko angeboten, Honig von der Insel Marstrand und rosa Schweinchen aus Marzipan. Zwei ältere Schwestern, die Strohkränze tragen, verkaufen vom Engel bis zum Stern auch sonst alles aus Stroh. Sie bereiten sich das ganze Jahr vor und erzählen, dass sie schon seit 34  Jahren auf dem Markt sind. Annika Niering-Ranman, ein paar Stände weiter, ist Keramikerin. Im Sommer produziert sie viele Deko-Seehunde, im Kronhuset ist ihr Stand allerdings fest in Wichtelhand: kleine Kerlchen mit roten Mützen und langen Bärten als Flasche, als Schale oder – der Renner – im Kopfstand als Schnapsglas.

Unisono. Wichtel des Lodola-Chors singen Weihnachtsklassiker auf dem Bahnhofsvorplatz.
Unisono. Wichtel des Lodola-Chors singen Weihnachtsklassiker auf dem Bahnhofsvorplatz. (c) Sascha Rettig

In der Hochschule für Design und Kunsthandwerk geht es weniger klassisch zu. Von der Decke des umgebauten Saals in der Kunstbibliothek baumeln Geschenkpakete. Darunter verkaufen Studentinnen und Studenten ihre Eigenkreationen. Die Besucher stöbern im Gedränge nach potentiellen Geschenken: Keramik, Drucke, Textilien und Schmuck, Teelichter und schwedische Buttermesser, alles in modernen, eigenwilligen Designs. Sara Lailasdotter ist Studentin im Fachbereich Schmuckdesign und liefert mit ihren Designs eher kuriose Teile: eine Halskette, an der ein silberner Finger baumelt. Oder ein goldenes Menschenherz. „Das ist viel Arbeit mit langen Tagen im Workshop, macht aber auch viel Spaß“, sagt sie. „Außerdem sieht man dann die direkten Reaktionen der Besucher.“

Serviettenhalter als Ohrschmuck. Am Design-Weihnachtsmarkt teilzunehmen ist bei den Studenten etxrem beliebt, deshalb muss ausgewählt werden. Anna Hydén hat es geschafft – wenn auch im Nebenraum. „Die Plätze werden zugewiesen, aber hier am Rand will natürlich keiner sein“, sagt die Masterstudentin des Child Culture Design. Anna ist 27 Jahre jung, dreifache Mutter und verkauft nicht nur Plakate und Postkarten mit ihren Grafiken. „Ich verändere auch vorhandene Gegenstände“, sagt sie. So macht sie Dinge des täglichen Gebrauchs zu kleinen Kunstwerken und Unikaten wie die gehäkelten Serviettenhalter ihrer Großmutter, die sie zu Ohrringen umfunktioniert hat. Oder die Ringe, die eine Glasmurmel als Stein tragen. Nach dem Markt in der zurückhaltend ausgeschmückten Bibliothek könnte der Kontrast zur Weihnachtswelt im 1923 eröffneten Vergnügungspark Liseberg kaum größer sein. Die schönste Fahrt dorthin führt in einem Boot über den Kanal, quer durch die Stadt, unter vielen, teilweise tiefen Brücken hindurch, bei denen man den Kopf einziehen muss. Nach einer halben Stunde unter einer Decke, einem Becher Aufwärmglögg und einer kleinen Stadtgeschichte aus dem Lautsprecher taucht die vielfärbige, blinkende Lichtorgie des Göteborger „Praters“ auf. Die abenteuerlichsten Fahrgeschäfte und Achterbahnen bleiben im Advent zwar geschlossen, dafür ist AtmosFear, der höchste Freifallturm Europas, mit einem Stern auf der Spitze in Licht gebadet. In Liserberg, dem größten Weihnachtsmarkt Skandinaviens, bestrahlen rund fünf Millionen Lämpchen den Göteborger Nacht-himmel – ganz so, als wäre Chevy Chase für die Gestaltung zuständig, der einst als Familienvater in der Weihnachtssatire „Hilfe, es weihnachtet sehr“ sein Dach mit tausenden Weihnachtslichtern vollgetackert hat.

Köstlich. Schweden lieben  Krabben, sie kommen auch in der Vorweihnachtszeit auf den Tisch.
Köstlich. Schweden lieben Krabben, sie kommen auch in der Vorweihnachtszeit auf den Tisch. (c) Fredrik Broman/Visitsweden

Im warmen Schein des Illuminierungswahnsinns und zwischen 700 Weihnachtsbäumen ist der Weihnachtsmarkt in verschiedene Bereiche geteilt: Da sind die alten Holzhäuser, bei denen alles auf nostalgische Zeitreise getrimmt ist und Weihnachtssänger wie in einer Charles-Dickens-Verfilmung lossingen. In der Halle am Fuß des AtmosFear findet man einen modernen Weihnachtsmarkt, wieder viel schwedisches, zeitgenössisches Design, selbst bei den Christbaumständern. Und in der Lappland-Abteilung stehen, nona, ein paar Rentiere im Stall. An einem Imbissstandl gibt’s Santas tierische Helfer auch als würzige Rentierdöner. Und ja, es ist es schon ein bisschen anstrengend, sich unter dem blau angestrahlten Riesenrad-Blickfang durch alle diese Besuchermassen zu schieben. Wer keine Fluchtreflexe hat, ist spätestens nach dieser Überdosis weihnachtlich weichgekocht und in Stimmung für die nächsten zwei, vielleicht sogar drei Weihnachtsfeste. Mindestens.

Tipp

Stark. Was kann Starkvinsglögg wohl bedeuten? Glühweine von Blossa schmecken jedes Jahr anders, heuer nach Earl Grey. http://blossa.se
Auch nicht leicht. Weihnachtsbier, Julebryg, von Tuborg hat für schwedische Begriffe „starke“ 5,6 Vol. % carlsbergdanmark.dk
Süß. Polkagrisar, schwedische Zuckerstangen, beflügeln beim Polka-Tanzen. polkagris.com

Unterkunft: Das Skandic Rubinen ist ein modernes Stadthotel in sehr zentraler Lage direkt an der Kungsportsavenyn. DZ/F mit Frühstück pro Nacht ab etwa 120 Euro.
scandichotels.se/Hotels

Weihnachtsmärkte:
Vergnügungspark Liseberg.
liseberg.com

Kronhuset:
kronhusbodarna.com

Designhochschule:hdk.gu.se/en

Restaurant-Tipp.
Die schwedische Küche, die im Familjen-Restaurant auf den Tisch kommt, ist so raffiniert wie modern und wird in gemütlich-schickem Ambiente mit Retro-Spin serviert.
restaurangfamiljen.se

Mehr Infos unter:visitsweden.com; goteborg.com

Compliance-Hinweis: Die Reise wurde unterstützt von Visit Sweden, visitsweden.com

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