Schweiz: Ganz schön superlativ

Matterhorn
MatterhornAPA/EPA (VALENTIN FLAURAUD)
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Wo schauen die alle nur hinauf? Man hebt den Kopf und sieht: das Matterhorn. Den Dom. Die Dufourspitze, die Kulisse der Berggiganten. Beeindruckend.

Am Ort der Superlative ist alles super: superhoch, superbeeindruckend, supertouristisch, supergegensätzlich. Im Schmelztiegel des Alpintourismus trifft alter Bergfex auf Ölmagnat aus Bahrain, japanisches Mädel auf Bogner-Mode nebst Blockbau-Stadel und Wiener Journalistin auf einen 17-Franken-Pfannkuchen. Aber man kommt nicht zum Vergleichen her, sondern für das Bergerlebnis – nach Zermatt, Täsch, Visp, auf den Gornergrat oder ins Matterhorn glacier paradise. Früher in mühsamen und gefährlichen Touren hart erkämpfte Höhenmeter lassen sich nun Selfie-schießend in der Glasgondel überwinden. Das Panorama auf 3883 Metern so gemütlich und bei strahlendem Sonnenwetter in Sandalen zu genießen kostet hin und retour 100 Franken. Gewonnen wird neben Bequemlichkeit auch Zeit und Meniskusmasse, weshalb die Gondeln nicht nur von Touristen genutzt werden.

Nun aber: Auf zum Matterhorn. Tapfer steigt man in strahlender Sonne vorbei an grünen Matten, schweißtriefenden Touristen, fotoposierenden Japanern und ein paar Schafen. Meter um Meter über die Baum-, dann die Grasgrenze, in eine Mondlandschaft aus Fels und Geröll. In der Ferne, die immer näher kommt, leuchten die Eisfelder in Weiß, Pastellrosa, Grau, Eisblau. Man selbst wird überholt vom Typ zäh und freundlich, der Größeres vorhat als nur eine Wanderung zur Hörnli-Hütte auf 3260 Metern: Das Horn ruft.

Wer weiter will, kommt an einer Übernachtung in der neu ausgebauten Hütte – große Glasfenster nur zwischen Eis, Fels und dem Hüttentisch mit Rösti – nicht vorbei. Der Hüttenwirt, Autor und 30-facher Gipfelbesteiger, ist eine eigene Minilegende im Schatten des Bergs. Jeden Tag geht es hier rund: An guten Tagen tummeln sich hier frühmorgens um die hundert Gipfelstürmer samt Bergführer. Um 4.30 Uhr ist Tagwache, vor 4.50 Uhr soll kein Anstieg erfolgen – so die morgendlichen Hüttenregeln. Das Rennen auf den Berg beginnt, die Seilschaften stehen Schlange. Die Tour ist technisch nicht besonders anspruchsvoll (bis zu Schwierigkeitsgrad III), doch gute Kondition ist unbedingt notwendig. Soll es doch in vier Stunden auf 4478 Meter gehen, in vier weiteren zurück.
Nachmittags trifft sich alles auf der Terrasse. Man schaut: Wer ist von unten heraufgewandert, wer kommt vom Gipfel retour? Der respektable Einstieg in die Wand ist von der Hütte aus leicht zu erreichen, man steht am Gletscher und atmet die dünne Luft der Alpingeschichte. Kommt die Gänsehaut vom Wind? Oder von den aufziehenden Wolken, deren Schatten die Täler ringsum fotogen dramatisch wirken lässt? Man verweilt trotzdem – oder gerade deswegen –, schaut den Rückkehrern bei den letzten Abwärtsmetern am Seil zu. Hört Gesprächsfetzen und weit entfernt den Gletscher knacken und hat das Gefühl, man gehöre auch dazu.

Fotos, Uhren, Murmeltiere

Dieser Plätze gibt es viele, jede Hütte eine Geschichte, jeder Weg auch ein ganz persönlicher all jener, die ihn begangen. Spaß, Gefahren, Herausforderungen, Erfolge, Schicksale. An Regentagen bietet das Museum stundenlange Unterhaltung, die Geschäfte haben Literatur zur Genüge, kaum jemand verlässt den Ort ohne „Bergführer erzählen“ oder „Die schönsten Touren“ oder „Zermatt gestern und heute“, oder wenigstens einer dramatischen Ansichtskarte und einem Fotoposter. Natürlich gibt es auch Uhren, Schokolade und Schweizermesser, alle gängigen Bergsport- und Gewandausrüster und sehr viele Murmeltiere aus Plüsch. Auch echte Exemplare lassen sich sehen. Zahlreiche Themenwanderwege durchziehen die Hänge, vom kinderwagengerechten Güterweg bis zum alpinen Pfad für schwer Geübte. In dem einen oder anderen See kann man sogar schwimmen, etwa dem Leisee am Rothorn: Abkühlung auf 2300 Metern mit direktem Blick auf das Matterhorn. Kostet nichts, außer ein bisschen Überwindung.

An- und Ausblick

Das Matterhorn: 4478 Meter hoch,
vierstündige Tour ab Hörnlihütte. Man braucht einen Bergführer, um hinaufzugehen.

Der Klassiker: die Gornergratbahn

Blick auf den Mont Bleu: Matterhorn glacier paradise

Für Familien: Rothorn, Gornerschlucht

Architektur-Highlight: Monte-Rosa-Hütte

Geschichtsträchtig: Hörnli-Hütte, www.hoernlihuette.ch

4000er-Gipfel für durchschnittlich Geübte: Breithorn

Anspruchsvoll: Höhenweg, Info: www.zermatt.ch

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2016)

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