Reisetrends: Bleisure, mit Auto

Airbnb, deluxe. Die Angebote der  Shared Economy haben Appeal für die reiche Klientel.
Airbnb, deluxe. Die Angebote der Shared Economy haben Appeal für die reiche Klientel.(c) Airbnb (Eco Luxury Villa)
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Auch das Reisen unterliegt Moden. Eine Übersicht der wichtigsten Tourismustrends, denen zufolge das Gute bisweilen sehr nahe liegt.

Kotor und Quito, Botswana und Polen, Transsylvanien und Hawaii: Schaut man sich die Top Ten der Trenddestinationen an, die unter anderem der „Lonely Planet“ für 2016 ausgemacht hat, wird schnell klar, dass die Meinungen darüber, was ein Traumziel ist, auseinandergehen. Und auch bei der Art des Reisens sind die Idealvorstellungen eher nicht aus einem Guss: So haben etwa 20 Prozent der 44.000 von Tripadvisor für weltweite Studie Befragten angegeben, 2016 ihr Reiseziel wegen eines besonderen Hotelangebots ausgewählt zu haben. Ebenso viele haben sich vom sogenannten TV-Tourismus anlocken lassen, nachdem sie ihr Urlaubsziel im Fernsehen gesehen haben, und ein anderes Fünftel will heuer erstmals eine Kreuzfahrt machen. Weitere Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass ein gemeinsamer Trend für 69 Prozent dahin geht, etwas Neues auszuprobieren, 17 Prozent wollen erstmals allein reisen und weitere 15 Prozent erstmals allein einen Abenteuerurlaub buchen.

Urlauber mit Kurzzeitgedächtnis. Was auf den ersten Blick völlig chaotisch aussieht, heißt nicht, dass es keine Gemeinsamkeiten unter der Reisenden gibt. „Die wichtigsten Kriterien sind Erlebnisse und Erholung“, fasst es Peter Zellmann, Leiter des Wiener Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung, zusammen, und dafür müsse die Tourismusindustrie die perfekten Rahmenbedingungen schaffen, wenn man für Reisende attraktiv sein will. Wozu die heimischen Anbieter aktuell ganz besonders gute Bedingungen vorfinden, denn „die österreichische Tourismuswirtschaft ist der kleine Gewinner der großen Krise“, so Zellmann, „und dieser Trend wird die nächsten paar Jahre auch noch anhalten“. Darauf ausruhen sollte man sich allerdings nicht, betont er, denn die Urlauber von heute haben ein Kurzzeitgedächtnis und folgten bei ihren Entscheidungen immer stärker dem Motto „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Was sich beispielsweise inzwischen in Griechenland zeige, wohin die Urlauber nach der Krise wieder zurückkehren. „Urlauber freuen sich, wenn ihre Destination wieder sicher ist“, erklärt er, und dann könne sich das Verhältnis der derzeit im zweistelligen Bereich sinkenden Touristenzahlen in der Türkei und dem gegenläufigen Zuwachs in Spanien schnell wieder umkehren.

Erlebniswert erhöhen. Um dauerhaft attraktiv zu bleiben, müssen die heimischen Touristiker daher alles daransetzen, perfekte Rahmenbedingungen für echte Erlebnisse zu schaffen. Und damit seien heute keine Megaveranstaltungen vom Beachvolleyball-Turnier bis zu den Salzburger Festspielen gemeint, sondern vielmehr die kleinen Dinge, die das persönliche Urlaubserlebnis perfekt machen. „Es geht dabei um die Erlebnisse im kleinen Urlaubsalltag, um den Wanderweg, der wirklich gut ausgeschildert ist, um ein Konzert vor Ort oder eine gute Radtour; um Dinge, von denen die Menschen ein Bild mit nach Hause nehmen“, erklärt Zellmann. Denn Qualität heiße für die modernen Reisenden, dass ihre Erwartungshaltung erfüllt werde, und diese kann je nach Urlaubsart gänzlich unterschiedlich ausfallen: Wer heute noch beim Städteurlaub am Quartier spart, leistet sich morgen gern für das Spa-, Medical-Wellness- oder Detox-Wochenende ein Luxushotel, den Urlaub schlechthin gibt es nur mehr für die wenigsten. Ein neues Phänomen unter den Urlaubsarten, das nun endlich auch einen englischen Namen bekommen hat, ist der sogenannte Bleisure-Tourismus, den das amerikanische „Fortune Magazine“ zu den großen neuen Trends zählt. Zusammengesetzt aus den Worten Business und Leisure (Freizeit), wird diese neue Art des Reisens von all jenen praktiziert, für die die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen, ohne dass das als negativ wahrgenommen wird. Bleisure bedeutet, dass die Dienstreise um das Wochenende verlängert wird, zu dem dann auch die Familie eingeflogen wird. Und man spontan vielleicht auch den Montag oder Dienstag noch dranhängt, weil es kein Problem ist, vom Hotel oder aus dem Kaffeehaus auf der Piazza zu arbeiten.

Denn ohne WLAN kommt inzwischen kein Hotel, Restaurant oder Resort mehr aus, wie die Tripadvisor-Umfrage zeigt, in der 46 Prozent angeben, dass ein fehlendes Netz im Hotelzimmer ein Grund ist, sich nach einer anderen Unterkunft umzuschauen. Technisch auf dem Stand der Zeit zu bleiben, das sieht auch Frederic Gonzalo als absolute Voraussetzung, um mit den Bedürfnissen der Reisenden international Schritt halten zu können. „Alle sind immer auf der Suche nach dem ‚next big thing‘ und wollen gerade am liebsten sofort auf den ,Pokémon Go‘-Zug aufspringen, ohne zu verstehen, dass sie erst einmal ihre Website in Ordnung bringen und zwingend alle Kanäle von den Messaging-Apps bis zu Snapchat bespielen müssen“, berichtet Frederic Gonzalo, kanadischer Buchautor, Blogger und weltweit vortragender Marketingexperte in Sachen Tourismus und Social Media, über die Voraussetzungen, um die reisenden Millennials und ihre Reisebedürfnisse kennenlernen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen zu können.

Shared Economy neu positioniert. Dazu gehöre beispielsweise zu erkennen, dass der Trend zur Shared Economy in dieser Gruppe auch im Tourismus mit der Nutzung von Airbnb und Uber sowie allen artverwandten Plattformen immer noch eine große Rolle spielt, sich aber der Zugang dazu aktuell bereits gewandelt hat. „Diese Plattformen sind inzwischen schon Mainstream geworden, haben den Buzz als Neuigkeit hinter sich und inzwischen schon ihren Fokus verändert“, erklärt er. Waren diese Angebote zu Anfang noch vor allem eine günstigere Art zu reisen, stehe dieser Aspekt mittlerweile nicht mehr im Vordergrund, vielmehr trage man dort jetzt dem Bedürfnis nach einer anderen Art von Erfahrung Rechnung. Was sich beispielsweise in der neuen Airbnb-Kampagne mit dem Motto „Don’t go there. live there“ zeigt, die völlig unabhängig vom Preis vor allem das Erlebnis, wie ein Einheimischer zu leben, in den Mittelpunkt stellt.

Die Angebote der Shared Economy werden darüber hinaus mittlerweile selbst von einer Klientel entdeckt, der die Nächtigungspreise herzlich egal sind. So gingen dieses Jahr die Airbnb-Villen durch die (sozialen) Medien, in denen die Stars und Sternchen ihren Urlaub verbrachten: von der 10.000- Dollar-die-Nacht-Villa oberhalb San Franciscos, die – nacheinander – Beyoncé und Justin Bieber beherbergte, über Gwyneth Paltrows Urlaubsdomizil in Mexiko bis zur Strandvilla auf den Turks und Caicos, in der Kylie Jenner soeben ihren Geburtstag gemeinsam mit befreundeten Models feierte und snapchattete.

Auch das Reisen unterliegt Moden. Eine Übersicht der wichtigsten Tourismustrends, denen zufolge das Gute bisweilen sehr nahe liegt.. Dass das Motto „Live like a local“ dabei auch nur die geringste Rolle gespielt hat, darf bezweifelt werden. Womit die Trendsetter ihrer Aufgabe aber durchaus gerecht werden, denn für die Ersten ist das bereits wieder so schrecklich 2015. Erst vor Kurzem ist auf der globalen Tourismusplattform Skift.com ein Artikel erschienen, der das Motto „Live like a local“ wieder infrage stellt, „weil man eben als Tourist in Rom doch das Kolosseum und in Paris den Eiffelturm sehen und nicht stattdessen einkaufen gehen und in einem Apartment unter dem Dach selbst kochen will“, beschreibt Gonzalo die nächste Entwicklung, die sich bereits abzeichnet.

Und welche anderen Trends sehen die Experten in der näheren Zukunft am Horizont der Reisenden auftauchen? „Einen größeren Einfluss von virtueller Realität“, prognostiziert Gonzalo. Dieser könne von den Buchungstools – bei denen beispielsweise das Brautpaar sowohl bei der Auswahl der Eventlocation als auch der Hochzeitreise virtuell vom örtlichen Wedding-Planner durch die Anlage geführt werden kann – bis zu den Erlebnissen auf der Reise selbst reichen: Wenn etwa Museen den gezeigten Künstler virtuell durch die Ausstellung führen lassen.

Für Zellmann ist eines der „next big things“ im Tourismus „die Renaissance der Autoreisen“, wie er erklärt. „Weil das Fliegen für viele aufgrund des Zeitaufwandes und der Sicherheitskontrollen immer unangenehmer wird.“ Und alles, was unangenehm empfunden wird, bleibt im Gedächtnis. Einheitlicher werden sie also nicht werden, die Trends im Tourismus, aber irgendwo zwischen den virtuellen Realitäten und der gute alten Autoreise, zwischen Kotor, Quito, Botswana und Polen, findet jeder sein ganz persönliches Urlaubsparadies.

Tipp

Feiern. Jetzt erst recht: Champagner. Stimmung. Mutig sein. Auch das ist eine Reaktion auf das zunehmende Gefühl von latenter Bedrohung. Aber vielleicht hat man bereits sehr viel gesehen und an vielen Orten gefeiert? Also wird der Radar größer, der Filter spezieller: Man besucht Filmfestivals in der kalifornischen Botanik, campiert zu Zigtausenden in der Wüste Nevadas, fährt seiner Lieblingsband hinterher, und sei es bis nach Neuseeland.

Zu Hause bleiben. Und überhaupt. Man war schon auf entlegenen Konzerten, hat bereits in der Wüste Nevadas gefeiert, Kunstszenen, Gourmetlandschaften und Wildnisse betreten, bevor sie bekannt wurden. Wenig versetzt einen noch in begeisterte Aufruhr. Dann macht genau eines froh: zu Hause bleiben, kochen, im Garten arbeiten, die Steuer abrechnen, Verwandte einladen, schlafen. Auch dafür ward ein Name gefunden: Staycation. Klingt besser und nobler als Balkonien.

Von vorn anfangen. Kein Trend ohne Umkehr, Rückgriff und Reanimation: Wir setzen uns in den Käfer. Wir stellen uns in den Stau. Eine nach der anderen Sehenswürdigkeit nehmen wir uns vor. Wir suchen Zimmer mit Frühstück. Und essen abends auf dem Balkon.

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