Das Mölltaler 360-Grad-über-den-Wolken-Panorama

Sonnenaufgang Mölltal
Sonnenaufgang MölltalÖsterreich Werbung, Fotograf: Diejun
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Kärntens höchstes Skigebiet ist absolut schneesicher, geöffnet von September bis Mai, erfreulich preiswert und schon lang ein Magnet für internationale Skistars, von Klammer bis Kostelić.

Flattach. Hat hier ein Riese während der Eiszeit Karate geübt? Den ersten Handkantenschlag gleich hinter das Dörfchen Flattach ins Felsmassiv gesetzt und dann noch vier, fünf weitere gleich dahinter? Wie sonst soll eine so enge, verwinkelte Schlucht mit rechts und links dermaßen hoch aufragenden Bergwänden entstanden sein? Hier unten im Schluchttrichter gibt's einen schmalen Asphaltstreifen, keine Straße, eher ein Feldweg, der vorbeiführt an Heuschobern und Holzstapeln, Wald und Wiesen. Endstation könnte ein Försterhaus mit Hirschgeweih sein. Aber die Talstation eines Gletscher-Skigebiets? Nein.

Doch. Plötzlich taucht zwischen den Bäumen ein in den Berg gehauener Betonklotz in Flugzeug-Hangar-Größe auf. Davor ein kleiner Parkplatz. Der war viele Wintertage lang zweite Heimat von Janica Kostelić. Ja genau, der vielfachen Olympiasiegerin, mehrfachen Gesamtweltcupsiegerin und Weltmeisterin. Hier hauste sie Anfang der 1990er-Jahre mit ihrem Bruder Ivica und Vater Ante im ungeheizten Wohnwagen auf engstem Raum. Der ehrgeizige Trainer-Papa hatte sich geschworen, seine Kinder unerbittlich zu Weltmeistern zu trimmen. Mit Steinen im Rucksack ließ er sie angeblich den Berg hinaufkeuchen, während er mit den Ski im Auto daneben herfuhr. Weder das eine noch das andere müssen Besucher des Mölltaler Gletschers. Sie kommen nur im Gletscher-Express hinauf, in der schräg durch einen künstlichen Felstunnel rumpelnden, oft randvollen Gebirgs-U-Bahn. Garantiert nichts für Platzangst-Patienten.

Alle anderen werden oben mehrfach für die zehnminütige Auffahrt in Legebatterie-Haltung belohnt: mit 360-Grad-über-den-Wolken-Panorama der Hohen Tauern und des Großglockners und mit 17,4 Pistenkilometern, die nicht nur fein sortierte Herausforderungen von Blau bis Schwarz bereithalten, sondern auch eingebaute „Selbstbewusstseinsverstärker“, etwa auf der Piste Nummer zehn: Die fängt erst schwarz an, sodass Schönwetter-Carver ganz schön schwitzen müssen, um heil durch Buckel-Mittelgebirge und Tiefschnee-Verwehungen zu pflügen. Aber danach wird die schwarze Nummer zehn harmlos rot.

Mittermaier, Moser-Pröll, Klammer

Nicht viele der Gäste wissen, dass hier oben schon die Skihelden Franz Klammer und „Gold“-Rosi Mittermaier trainiert haben. „Mitten im August“, erzählt Siegfried Huber und grinst dabei verschmitzt. „Zu diesem Zeitpunkt war früher immer das Formel-1-Rennen in Zeltweg, und wir haben ab 1971 ein Skirennen dagegengesetzt.“ Damals war Huber 25 Jahre alt, frisch gewählter Bürgermeister von Flattach und hatte die Vision, auf dem Gletscher ein Skigebiet zu erschaffen. Um diese Idee bekannt zu machen, wollte er vor allem Aufsehen erregen – mit dem hochsommerlichen Rennen im Hochgebirge. Der versprochene Preis: ein Bergkristall und umgerechnet 150 Euro. Der geflossene Schweiß: sicherlich mehr als bei heutigen Rennen, denn Mittermaier, Moser-Pröll, Klammer und Co. mussten mit den Ski auf den Schultern von der Duisburger Hütte 45 Minuten lang den Gletscher hinaufstiefeln, Lifte gab es nicht. Alles, was für das Rennen nötig war, hatten 60 Helfer in den Tagen zuvor ebenfalls weitgehend auf dem Buckel hinaufgekoffert. Nur ein vier Tonnen schweres Dieselaggregat war von einem Hubschrauber des Bundesheeres angeliefert worden. „Der hätte das Ding um ein Haar fallen gelassen“, erinnert sich Huber.

Für Material- und Menschentransporte sind heute die Gondeln der Mölltaler Gletscherbahnen zuständig. Für die durchaus häufig über die Hänge peitschenden steifen Winde und Schneestürme sollten Skifahrer die Bankräuber-Sturmhaube griffbereit haben. Und eventuell das eine oder andere Wörterbuch osteuropäischer Sprachen. Jedenfalls sofern sie verstehen wollen, was die Gondelmitfahrer so reden. Viele von ihnen kommen aus Kroatien, der Slowakei oder Slowenien – die Anreise aus Ljubljana etwa dauert kaum eine Stunde.

Doch über die Gletscherpisten schwingt nicht nur Österreichs Nachbarschaft, sondern oft die halbe Skiwelt: Neuseeländer, Australier, Schweden, Norweger und gelegentlich auch die amerikanischen Ski-Asse trainieren hier für ihre Weltcuprennen in den Alpen, vor allem vormittags kann man sie durch ihre Stangenwälder brettern sehen. Alle schätzen die außergewöhnlich guten Bedingungen: Pisten bis auf 3100 Meter Höhe, die bei Bedarf komplett beschneit werden können. Anders als etwa in Tiroler Gletscherskigebieten wie dem Pitztal oder Kaunertal müssen hier keine fußballfeldgroßen weißen Bettdecken das Abschmelzen verhindern, denn unter der Synthetik-Schneedecke bleibt der Gletscher weitgehend tiefgekühlt. Wer hier Urlaub macht, sollte eine ausgeprägte Apres-Ski-Allergie mitbringen. Denn über preiswerte und gute Unterkünfte hinaus darf man nicht viel erwarten von Flattach, dem Straßendorf ohne Ortskern, in dem abends unübersehbar gilt: Minibar statt Nachtbar.

Infos

Übernachten: Alpengasthof Badmeister, nur wenige Autominuten von der Talstation der Gletscherbahn entfernt. Drei-Sterne-Haus mit Sauna, Dampfbad, Bar und Bibliothek auf 1200 Metern Höhe, DZ mit Halbpension ab 120 Euro pro Tag. Tel.: +43/4785 8105, www.badmeister.at

Flattacher Hof: Vier-Sterne-Haus in Flattach, gut 20 Autominuten von der Gletscherbahn-Station entfernt. Wellness- und Sportbereich (Fitnessraum, Tischtennis, Billard). DZ mit Dreiviertelpension ab 90 Euro pro Tag. Tel.: +43/4785-8100, www.flattacherhof.at

Skipass: Der Ski-Hit 2015/16 kostet für sechs Tage in der Hauptsaison 232 Euro und ist außer auf dem Mölltaler Gletscher auch in angrenzenden Skigebieten wie Kals-Matrei, St. Jakob und Ankogel gültig.

Essen: Der Hatzhof ist eine Buschenschank, hier gibt es nur hausgemachte Produkte wie Speck, Selchwürstel, Käsespezialitäten, Brot, Mehlspeisen, Fruchtsäfte etc. angeboten. www.hatzhof.com

Allegmeine Information:www.gletscher.co.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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