München: Chic statt Lederhose

Angesagt. Lovelace, ein ­originelles Pop-up-Hotel in der ehemaligen Staatsbank.
Angesagt. Lovelace, ein ­originelles Pop-up-Hotel in der ehemaligen Staatsbank.Thomas Mandl/The Lovelace
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München möchte weg vom biederen Bierimage. Die Stadt hat kulturell, kulinarisch und für den Zeitgeist viel zu bieten: ein Ausflug ins Nahe.

Der Belgier François de Cuvilliés trat 1708 mit 13 Jahren als Hofzwerg in den Dienst des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern. Dieser ließ den fürs Zeichnen begabten Buben in Paris studieren und ernannte ihn zum Hofbaumeister. Cuvilliés errichtete seinem Herrn ein entzückendes Rokoko-Theater. Nach einem Feuerwerk auf der Bühne brannte dieses ab, wurde aber rekonstruiert. Das Cuvilliés-Theater ist bis heute ein Schmuckstück Münchens in der Residenz der Wittelsbacher, die hinter einer grauen Fassade in der City gewaltige Reichtümer beherbergt. Die Ursprünge der Regenten Bayerns reichen zurück bis ins 10. Jahrhundert. Der bekannteste Wittelsbacher ist allerdings der so geniale wie größenwahnsinnige König Ludwig II. Visconti setzte ihm mit dem betörend schönen jungen Helmut Berger ein Denkmal, für den Filmklassiker wurde auch in der Residenz gedreht.

Gabriele Münter. Sicherte München Bilder ihres Lebensgefährten Kandinsky.
Gabriele Münter. Sicherte München Bilder ihres Lebensgefährten Kandinsky.(c) Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung

Reichtümer. Die Wittelsbacher verstanden es anscheinend, über Jahrhunderte und womöglich mit mehr Fortüne als die Habsburger – die einer disparaten multinationalen Agglomeration vorstanden – ihren Status zu behaupten, auch gegen das aufstrebende Preußen. Anders als Berlin, das zwar nicht mehr arm, aber noch immer sexy ist, hat München allerdings mit einem biederen Image zu kämpfen: Bier, Trachten und Oktoberfest, das ergab eine Umfrage, fallen Touristen als Erstes zur Isar-Stadt ein. Die Fremdenverkehrsverantwortlichen waren entsetzt. Und sie beschlossen, fürs Erste ein paar Journalisten einzuladen und diesen das „andere“ München vorzustellen – das es natürlich schon länger gibt: Ausstellungen, Theater, Oper, elegante Geschäfte, originelle Kulinarik und Stoff für Zeitgeistschnüffler. Im katholischen München blüht in doppelten Böden und Wänden das Frivole. Man findet es in einem Lokal namens „Deutsche Eiche“, einem Schwulentreffpunkt mit weitläufiger Männersauna und Dachgarten, wo Münchner Nobelsenioren gern ihre Geburtstage feiern. Der eloquente Besitzer, Dietmar Holzapfel, und sein Lebenspartner, Josef Sattler, handwerklich souverän, aber stiller, wie der Prinzipal erzählt, haben aus dem altmodischen Landgasthof mitten in der Stadt einen florierenden Minikonzern gemacht, zu dem auch eine Wohnung mit 400-Quadratmeter-Wohnzimmer in einem nahen Hochhaus gehört: für Feste. Ein ungarischer Jungmanager, der sieben Sprachen spricht, soll den beiden Prinzipalen nachfolgen, irgendwann. Zum Abschied trällert Holzapfel ein munteres Liedchen über Anbahnung.

Dieter Hildebrandt. ­Mitbegründer der Lach- und Schießgesellschaft.
Dieter Hildebrandt. ­Mitbegründer der Lach- und Schießgesellschaft.(c) Karikatur Hanitzsch/Lach- und Schießgesellschaft



Vergnügungssüchtig. Minikonzerne sind „in“ im vergnügungssüchtigen München. Alexander Lutz betreibt das höchst charmante Vier-Sterne-Hotel Opéra in der ­St.-Anna-Straße mit italienischem Flair und ebensolchem Innenhof. Florenz des Nordens nennen die Münchner gern ihre Stadt, das Klima ist aber doch sehr anders, die Surfer im nahen Eisbach lassen sich von der Kälte nicht abhalten. Zum Hotel Opéra gehört das Restaurant Gandl um die Ecke, das italienische und französische Küche serviert und köstliche Trüffel. Das originellste Projekt von Lutz ist das Pop-up-Hotel Lovelace in der alten Bayerischen Staatsbank: Auf fast 5000 Quadratmetern kann man wohnen – sogar im weitläufigen ehemaligen Vorstandsbüro –, essen, Kultur und Spaß haben, aber nur für zwei Jahre. Eine bekannte Brauerei (Paulaner) hat das historische Gebäude erworben und will dort ein Luxushotel etablieren, was dem Bayerischen Hof (fünf Sterne) nicht passt. Ein Rechtsstreit ist im Gange, das gab dem Pop-up-Hotel eine Chance.

Viktualienmarkt. ­Sanierungsbedarf, Standler kämpfen ums Original.
Viktualienmarkt. ­Sanierungsbedarf, Standler kämpfen ums Original.(c) Michael Nagy/Presseamt München

Imperium Kull. Für einen weiteren Minikonzern in München steht der Name Rudi Kull, der etwa das Hotel Cortiina (sic!) mit Grapes Wine Bar in der Ledererstraße hat, ferner ein Restaurant mit innovativer japanischer Küche, Emiko am Viktualienmarkt – der saniert werden muss und schwächelnde Profite beklagt – und das „buffet kull bar“. Letzteres sieht aus wie eine Bahnhofshalle, wird einem aber gleich sympathischer, wenn man erfährt, dass es sich um ein ehemaliges Kulissendepot der Bayerischen Staatsoper handelt. Kull stammt von Russlanddeutschen ab, mit seiner bulgarischen Frau hat er drei kleine Kinder, daher verabschiedet er sich früh vom gemeinsamem Dinner. Sein sizilianischer Restaurantchef spricht fließend Deutsch und schwärmt vom Anbeginn allen Essens, dem Einkauf, mit dem schon Jamie Oliver bei den Briten punktete. Im „buffet kull bar“ soll „natürlich“ gespeist werden.

Was treibt die Kultur? 1808 erschien Goethes „Faust I“. 2018 gibt es in ganz München ein Faust-Festival mit 500 Veranstaltungen. Das Gärtnerplatztheater, eine Pflegestätte der leichten Muse, geleitet vom Österreicher Josef E. Köpplinger, wurde nach umfassender Renovierung wiedereröffnet. Jedwedes Entertainment wird an der Isar großgeschrieben: An der nahen Peripherie (U-Bahn-Station Fröttmaning) hat sich die Pferdeshow Apassionata angesiedelt, chinesische Investoren haben das Unternehmen übernommen, um hier für eine große Pferdeshow in ihrer Heimat Erfahrungen zu sammeln. „Equila“ heißt das jüngste Fantasymärchen, künftig die fixe Apassionata-Show in München, die von einem neuen Themenpark umrahmt wird.

(c) Apassionata

Was wäre München ohne seine Museen? 2013 wurde die sanierte und neu gestaltete Städtische Galerie im Lenbachhaus wiedereröffnet, ab Ende Oktober widmet man sich dort Gabriele Münter als Malerin und Mäzenin. Ihr verdankt das Lenbachhaus viele wichtige Werke – von der Künstlervereinigung Blauer Reiter und von Wassily Kandinsky, dessen langjährige Lebensgefährtin Münter war. Als er sich von ihr trennte, verlangte sie eine Abfindung, diese bekam sie in Form von Bildern. Resümee nach drei Tagen: Ihr Image im Konkurrenzkampf der interessanten Städte aufzupolieren, sollte der üppigen und vielfältigen Isar-Stadt nicht schwerfallen. Freilich: Man muss Geld haben, je mehr, desto besser. Billig ist München nicht.

Diese Reise wurde von München-Tourismus bezahlt.

Info

Tipps. Faust-Festival, fünf Monate, ab 23. 2. 2018. Gabriele-Münter-Retrospektive im Lenbachhaus, ab 31. 10., Gärtnerplatztheater: „La Cenerentola“ ab 28. 10.

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