Traditionelle Adventzeit im Allgäu beschert viel Selbstgemachtes: Krippen und gedrechselte Hölzer.
15.01.2019 um 23:30
Ankommen in Bethlehem. Vor der Scheune des Tischlers liegt das Holz hoch aufgestapelt. Eintretend aus der Kälte tut die Wärme in der Stube gut, und überall riecht es nach Holz. Die Fußbodendielen sind mit Spänen bedeckt. Herr Adomat drechselt. Er heißt nicht Josef mit Vornamen. Unser Tischler ist Meisterdrechsler im Allgäuer Örtchen Bethlehem und heißt Martin. Text von Carolyn Martin
Tom Busch
Zu Besuch beim wohl bekanntesten Drechslerlehrer in Deutschland: In seiner Scheune findet man Birke und Buche, Esche und Ulme, alle europäischen Edelhölzer von Ahorn bis Zirbe. Lange Enden und kurze Stücke, Rundscheiben und fertige Holzwaren.
Tom Busch
Eine Flaschenmühle im rötlich-warmen Holz der gedämpften Buche, daneben reihen sich Muskatmühlen aus karelischer Maserbirke mit einem Stempel aus Nussbaum, dahinter türmen sich Schalen aus gestockter Buche. Eine Stube weiter wird an Werkbänken mit eingespannten Hölzern gearbeitet. Ruhig geht es hier zu. Durch die Fenster schaut man auf den ersten Schnee. Es ist frühe Winterzeit im Allgäu. Im Ofen prasselt das Feuer.
Tom Busch
Der Pfeffer- und Gewürzmühlen-Kurs in Bethlehem hat gerade begonnen. Die kleine Tischlerei ist dafür weit über das Allgäu hinaus bekannt. Denn Meisterdrechsler Martin Adomat hat bereits den ersten Preis beim Internationalen Wettbewerb „Europa drechselt“ nach Bethlehem geholt: „Wenn man einmal vom Drechseln befallen ist, kommt man nicht mehr los“, sagt er und zeigt einem der Kursteilnehmer, wie man den Stempel fertigt.
Tom Busch
Seine Gewürzmühle soll rechtzeitig für den Heiligen Abend fertig sein. Dann steht die Mühle aus Bethlehem unter dem Weihnachtsbaum auf Læsø, eine der nördlichsten Inseln von Dänemark, hoch oben im Kattegat. Die Drechslerschüler kommen aus der ganzen Welt, aus Wien, Tirol und Teheran.
Tom Busch
Ein deutscher Honorarkonsul reiste extra aus Chile an, und auch ein Mitglied der Kastelruther Spatzen kam aus Südtirol für den Kurs. Ob Langholzübungen oder Querholzdrechseln – an den Werkbänken stehen Chefärzte und Straßenarbeiter nebeneinander und tischlern sich eins. Anspruchsvoller geht es bei der „Dosenvariation“, beim „exzentrischen Drechseln“ und beim Nassholzdrechseln zu.
Tom Busch
„Schlagfrische Eiche bearbeiten, trocknen lassen und warten, was dabei herauskommt. Da hat das Holz das letzte Wort“, meint Adomat. Holz – das hat Wärme, das ist Charakter, gemacht aus Poren, Maserung, Farbe. „Manche Stücke sind seit Jahren in meiner Werkstatt, und mit denen bin ich noch nicht einig“, sinniert der Tischler, „wir warten auf den richtigen Augenblick.“ Adomat und sein Holz in Bethlehem.
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Der kleine Flecken mit einer Handvoll Häusern gehört zu Lengenwang, einer im Voralpenland gelegenen Allgäuer Gemeinde. „Die besseren Leut' haben damals gesagt, die Tagelöhner sind alles Bettelheimer“, weiß Adomat zu berichten. Die mochten das nicht und wandelten den Ausdruck in Bethleheimer ab. So bürgerte sich das langsam ein.
Tom Busch
Das Ortsschild Bethlehem findet man heute nicht mehr. Es wurde ein gutes Dutzend Mal von Souvenirjägern gestohlen, „das letzte Mal zu Heiligabend, als alle Bewohner in der Kirche beim Gottesdienst waren“, erzählt der Tischler aus Bethlehem und winkt zum Abschied.
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Überall im Allgäu gibt es größere traditionelle Weihnachtsmärkte, vom Memminger Christkindlesmarkt bis zum Mindelheimer Advent. In Marktoberdorf ist der ganze Platz rund um die Frauenkapelle geschmückt. Alphornbläser spielen.
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Die Füssener (im Bild) Marktstände sind wie mittelalterliche Hausfassaden gezimmert, und auch Leutkirch wird zu einem kleinen Weihnachtsdorf. In Kaufbeuren blickt man stolz auf den riesigen echten Adventkranz. Darunter duften gebrannte Mandeln und heiße Maroni. In Isny, der ehemaligen Freien Reichsstadt, verzaubert der Brauch des Engele-Fliegens.
Imago
Doch auch sonst ist Isny einen Abstecher wert – wegen seiner mittelalterlichen Substanz und einer Stadtführung, die als wanderndes Theaterstück zum Thema Reformation inszeniert wird. Kuschelig wird die Winterzeit für Große und Kleine mit Teddybären: ob als Spielzeug oder gedruckt auf dem Pyjama. In Wangen läuft jetzt eine Winterausstellung zum Thema und zeigt mehr als 1000 Teddybären der Regensburger Sammlerin Ruthild Straub in weitläufigen Szenenarrangements von Bärenküche bis zur Bärwaldklinik.
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Einer der schönsten Adventmärkte ist jener nahe der Stadt Memmingen: Die Weihnacht auf Schloss Kronburg gilt als einer der sehenswertesten Weihnachtsmärkte und ist im Allgäu mindestens genauso bekannt wie der berühmte Grafenegger Adventmarkt in Niederösterreich: Kultur, Kulinarik und Kunsthandwerk in einem der schönsten Renaissanceschlösser Bayerns, gezeigt innerhalb der alten Schlossgemäuer, vom großen Schlosstor bis in den festlich geschmückten Innenhof hinein.
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Töpfer der Museumstöpferei Illerbeuren stellen ihr hochgebranntes Steinzeuggeschirr aus, Wildsuppe köchelt im Topf, und dazu kann man den Weihnachtsbaumkugeln beim Wachsen zusehen, bei den Glasbläsern über offenem Feuer. In der Schlosskapelle ist eine Krippenausstellung zu bestaunen.
Tom Busch
Überhaupt, die Krippen! Vor 400 Jahren stellten die Jesuiten in Mindelheim die erste Krippe im Allgäu auf. Viele Traditionen leben im Allgäu über Generationen weiter. Und so gibt es heute in Kempten auch eine richtige Krippenbauschule, die erste in Bayern.
Tom Busch
Hier kann man bei Georg Stechele lernen, wie man sich die eigene Krippe zuerst vorstellt, dann skizziert und schließlich baut – ob als orientalische Oase, in einem Geigenkasten oder als alpenländische Krippe.
Tom Busch
Dazu braucht es: Pulverfarben, Krippenbaumörtel, Leim und einen Föhn. „Nur die Figuren müssen mitgebracht werden“, erklärt Meister Stechele, der seinen Krippenbaumeister einst in Innsbruck absolvierte. Die letzten Teile der Krippe werden gefertigt. Gerade noch rechtzeitig für Heiligabend. Weitere Informationen: www.allgaeu.de www.allgaeustaedte.de
Tom Busch
Bethlehem liegt in Bayern
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