Algarve: Die Rückkehr von La Rose

Klassisch. Die Küste des Algarve: eine Abfolge von Klippen, Stränden, Pools.
Klassisch. Die Küste des Algarve: eine Abfolge von Klippen, Stränden, Pools.(c) Tivoli Carvoeiro
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Portugal mag noch Ausläufer der Krise spüren, der Algarve beginnt aber, sich zu erholen. Sardinenkonserven sind wieder in Mode, Wein erlebt einen kleinen Boom, Golf ist hier ohnehin schon klassisch.

Mit Juni 2014 kam die legendäre Fischkonserve „La Rose“ nach 40 Jahren Unterbrechung wieder auf den Markt. Die Büchsenfirma Ramirez & Cª startete die Nostalgie-Brand mit einer Neuauflage von 100.000 Stück und trug damit zum aktuellen Boom der Sardinenindustrie bei. In ihren historischen Hallen konnte „La Rose“ allerdings nicht produziert werden, denn in der „Fábrica de Conservas La Rose“ des Unternehmens Feu Hermanos aus 1902 befindet sich heute das Stadtmuseum von Portimão. Sozusagen ein Fischmuseum: Die Produktionshalle blieb im Originalzustand erhalten, sogar die Korbseilbahn, über die vom Hafen halb lebendiger Fisch zugeführt wurde, steht noch.

Zuerst enthaupteten die Arbeiterinnen die Sardinen oder Makrelen, zogen ihre Haut und schnitten den Schwanz ab, entfernten das Grätengerüst, dann wurde die Ware zur Waschung und Salzung gebracht und schließlich im Ofen fünf Minuten lang bei 120 Grad gegrillt. Als Qualitätsmerkmal galt die Erhitzung der Ware vor Kontakt mit der Konserve, da das Fett dabei abfloss – viele Produzenten erhitzen die Dose als Ganzes, was fettigere Resultate hervorbringt. Die Torsos wurden nun in die offene Konserve gepresst, ein Mechanismus träufelte Olivenöl auf sie. Das übergehende Öl floss ab und sammelte sich unten an einem Rohr, durch das es wieder nach oben gepumpt wurde.
Das Um und Auf solcher Fabriken war die Flexibilität ihrer Arbeiter. Wenn die Fischer von Feu Hermanos mit einem vollen Schiff den Hafen erreichten, lösten sie eine Sirene aus, um sie zur Halle zu rufen. Jedes Unternehmen hatte seine charakteristische Sirene. Zuspätkommenden wurde der Lohn gestrichen, bei oftmaligen Verfehlungen wurden sie entlassen, das industriearme Südportugal hatte jede Menge Jobaspirantinnen.

Hölle von neun bis 21 Uhr. Zur Eröffnung des Museums von Portimão (55.000 Einwohner) im Jahr 2008 lud man ehemalige Fabriksarbeiterinnen ein. Eine von ihnen äußerte ihre Zufriedenheit darüber, dass sich die Leute hier an die Büchsenfüllerarbeit erinnerten. Als sie aber gefragt wurde, ob es unter den Arbeiterinnen bei der Produktion von „La Rose“ lustig zugegangen sei, soll es aus ihr herausgebrochen sein: „Um Himmels willen, nein! Es war die Hölle! Wir mussten an den meisten Tagen von neun bis 21 Uhr arbeiten, stanken permanent nach Fisch, und in der kurzen Freizeit mussten wir uns noch um die Kinder kümmern – furchtbar. Aber als Frau hattest du bei uns in Portimão nicht so viele Möglichkeiten.“

Rege. Gar nicht unhübsche Stadt, aber mehr Industrie- als Reiseziel: Portimão.Fishing boats at Portimao PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY WD001749
Rege. Gar nicht unhübsche Stadt, aber mehr Industrie- als Reiseziel: Portimão.Fishing boats at Portimao PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY WD001749(c) imago/Westend61 (imago stock&people)

Die Portugiesen selbst mieden ihn, doch Konservenfisch war um die vorletzte Jahrhundertwende ein wertvolles Exportprodukt, das in nördlichen Ländern gut ging. In Portimão standen 27 Fischfabriken in Betrieb, im nahen Olhão sogar 40. Billige Arbeitskräfte, hohe Gewinnspannen und dann noch die Weltkriege sorgten für den Aufschwung. Einige Exportzahlen von Feu Hermanos aus 1935, verglichen mit jenen von 1941: An Deutschland wurden zunächst 35.000 Dosen jährlich verkauft, im Krieg 45.000. Bei den USA stieg die Zahl von 10.000 auf 31.000 pro Jahr, die Dosenanzahl der Briten erreichte vor dem Krieg nie die Tausendermarke, schnellte dann auf 27.000. Fischkonservierung war Big Business.

Die Blütezeit endete, als sich der Kühlschrank in Europa durchsetzte und konservierter Fisch vom Luxus- zum Billigprodukt absank. In den 1980er-Jahren schlossen die meisten Fabriken. Erst in unserem Jahrzehnt endete der Dornröschenschlaf. Algarvios wie Gäste lieben das kleine „Maria do Mar“ in Portimãos Innenstadt mit seinen Imbissen aus einer Varietät von Dosenfisch – „conservas e degustação“. Maria serviert Sardinen und Ma­­krelen mit Zwiebel und Koriander auf Toastbroten, neben der Sardine die Cavala (Mittelmeermakrele) und den Carapau (Bastardmakrele, schmeckt deutlich besser als der Name insinuiert), den Bacalhau (Stockfisch), die Lulas (Kalmare, Tintenfische) und den Thunfischaufstrich. Eine Süßigkeit namens Queijo de figo, Feigenkäse, fehlt auch nicht. Fischdosen, das ist einer der Sektoren, die im kürzlich noch krisengeschüttelten, aber durch gezielte Anti-Austeritätspolitik in einigen Bereichen wieder leicht boomenden Portugal definitiv wachsen.

Islamisches Erbe. Der Algarve wurde in der muslimischen Epoche als „Al-Gharb al-Andalus“ benannt, der Westen von Al-Andalus, wobei die damalige Provinz samt einem Teil des Alentejo bis ins heutige Spanien reichte. Portugal ist jener europäische Staat, der am längsten in seinen Grenzen existiert. Wenige wissen, dass sich in ihm ein weiteres Königreich befand, jenes des Algarves (450.000 Einwohner, auf Portugiesisch „o Algarve“, also wie vom Duden zugelassen „der“ Algarve), ein Titularkönigreich, das nie Eigenständigkeit erlangte und mit der Republikwerdung Portugals im Jahr 1910 verschwand. Die portugiesischen Könige nannten sich „König von Portugal und des Algarve“, später sogar, als weitere Städte in Marokko dazukamen, „. . . und der Algarven“.

Silves, 11.000 Einwohner, am Flüsschen Arade im Landesinneren gelegen, war bis 1242/46 die Hauptstadt des muslimischen Al-Gharb. Zuerst unter dem Emirat und Kalifat von Cordoba, später als Kleinkönigreich, war Silves eine feinsinnige Kulturstadt mit meist toleranter muslimischer Führung. Andersgläubige bezahlten eine Kopfsteuer, wonach sie ihre Religionen frei ausüben durften. Eine beträchtliche Bevölkerung wohnte innerhalb der Stadtmauern, teilweise sogar im Castelo dos Mouros, im Maurenkastell, dessen Außenmauern gut erhalten sind – Silves hatte in seiner Blütezeit fast doppelt so viele Einwohner wie jetzt.

Formschön. Die berühmte Brücke über den Rio Arade bei Portimão.
Formschön. Die berühmte Brücke über den Rio Arade bei Portimão. (c) imago/BE&W (imago stock&people)

Am Kastelleingang steht heute eine überlebensgroße Statue von Sancho I. (1154 bis 1211), des zweiten Königs von Portugal, genannt „der Besiedler“, keinesfalls ein überlebensgroßer Herrscher. Er plünderte Silves 1189 mithilfe von Kreuzfahrern des Dritten Kreuzzugs, nahm die Stadt vorübergehend ein, verlor sie bald. Letztlich siegten wie überall („Reconquista“) die christlichen Barbaren, die urbane Kultur verfiel, in der frühen Neuzeit lebten gerade noch 1000 Einwohner in Silves. Heute fallen die Kopfsteinpflasterstraßen auf, und Störche brüten auf den Schloten. Und ja, der Algarve hat großartige Orangen! Doch die Lokalszene nervt damit, dass jedes einzelne „den besten Orangensaft des Landes“ anpreist. Sie servieren auch lokale Petiscos (Tapas) und das Nationalgericht des Südens, die Cataplana, ein Eintopf mit Muscheln und Garnelen, benannt nach dem Kupfertopf, in dem sie kommt.

Die bedeutendere Stadt ist Loulé (25.000 Einwohner), ihr Zentrum hat ebenfalls Kopfsteinpflaster, das muslimische Mittelalter ist in den Straßenführungen spürbar – ein Echo davon die arabisierende Markthalle mit Pavillontürmchen und kaminroten Dachhauben (1902–1904). Sie hat Geschichte, schon 1291 gab es an dieser Stelle einen täglichen Markt.

Retortenarchitektur aus den 1970ern. Das Städtchen Vilamoura („Dorf der Mauren“) erfüllt hingegen nicht, was sein Name verspricht. Eine Retortenstadt aus den 1970er-Jahren: An der Marina reiht sich ein Touristen-Ausweidegeschäft ans nächste, der lebendigste Ort ist eine Spielmaschine, in die man für einen Euro Basketbälle werfen kann. Wer an die 1500 Jachten anderer Menschen betrachten, Guinness saufen und Livespiele aus der deutschen oder englischen Liga sehen möchte, liegt hier richtig. Um immerhin Strand zu erleben, muss man sich zur anderen Seite Vilamouras wenden, den Stränden Falésia und Tomates zu, die ihren Namen beide nicht gerecht werden – Falésia bedeutet Kliff, doch die für den Algarve charakteristischen ocker- und sandfarbigen Klippen mit ihren Grotten, Felssäulen und bizarren Naturviadukten aus Kalk und Sandstein beginnen erst ein paar Kilometer weiter westlich. Und Tomaten werden da längst nicht mehr angepflanzt. Derart breite Sandstrände sind bei den felsenscheuen Einheimischen beliebt, vor allem im Hochsommer, da Algarvios auf die Temperatur des Atlantiks recht empfindlich reagieren.

Compliance-Hinweis: Der Autor war Gast des „Tivoli Carvoeiro“ und des „Ananatara Vilamoura Algarve Resort“.

Info

Anreise: Etwa mit Lufthansa/Austrian via Frankfurt nach Faro.

Unterkunft: Tivoli Carvoeiro; betrachtet man den spektakulär liegenden Hotelkomplex in Carvoeiro vom Meer aus, sieht man, dass sich die Architekten Gedanken gemacht haben. Jüngst wurde das Hotel mit reduzierter Zimmeranzahl neu eröffnet, hat nun fünf Sterne. Das ist an allem (Küche, Service) sichtbar. www.minorhotels.com

Anantara Vilamoura Algarve Resort: thailändische 5-Sterne-Brand, nun in Europa. An dem adaptierten Komplex merkt der Gast gleich, dass es um etwas anderes geht als nur um den Versuch der Implementierung eines in Asien erfolgreichen Konzepts. Die Verantwortlichen gingen behutsam vor, investierten an den richtigen Stellen und stellen Portugal als Thema ins Zentrum. www.vilamoura.anantara.com

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