Steiermark: Alles dreht sich, alles bewegt sich

Gsellmanns „Weltmaschine“
Gsellmanns „Weltmaschine“Imago
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Wer die „Weltmaschine“ des Bauern Franz Gsellmann nicht gesehen hat, hat die Welt nicht gesehen. Ein Besuch in Kaag auf einem Parcours von skurriler Objektkunst, einem Brückenmuseum und flüsternden Hühnern.

Hinter sieben Bergen, irgendwo im idyllischen Niemandsland zwischen Riegersburg, Raabtal, Fehring und Feldbach, liegt Kaag, ein kleiner Ortsteil der Gemeinde Edelsbach. Dennoch übertreffen die Sehenswürdigkeiten von Kaag beinahe dessen Einwohnerzahl.
Da verlocken Bienengarten und Brückenmuseum, Tulpenfeste und Schafwolljurten, vor allem aber die einzigartige „Weltmaschine“ des Franz Gsellmann. 60 Jahre ist es heuer her, seit der südoststeirische Bauer 1958 beschloss, eine Maschine zu bauen, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte. Sechs Meter lang, drei Meter hoch, ratternd, knatternd, knirschend, wird dieses Wunderwerk von über 20 Motoren angetrieben.

Im Geheimen gebaut

Dazu funkeln Hunderte bunte Lämpchen, während Erdäpfelkörbe rasseln, eine Trockenhaube pfeift, der Dekor blinkt und eine Schiffsschraube akustische Wellen schlägt. Ein unvergesslicher Anblick, sofern man sein Ziel nicht bereits während der mäandernden Anfahrt über die menschenleere Hügellandschaft aus den Augen verloren hat. Doch irgendwo auf einem aussichtsreichen Hügelkamm weist ein kleines Schild endlich den gewundenen Weg zum schmucken Anwesen der Gsellmanns. Einmal klingeln, kurz warten, und Maria Gsellmann, die betagte Schwiegertochter des Maschinenbaugenies, öffnet die Pforten zu diesem fantastischen Wunderwerk. „Bis zu seinem Tod hat er an der Maschine gebaut“, erzählt sie, „und die ersten Jahre ganz im Geheimen.“ Derweil drückt sie auf mysteriöse Schalter, legt gekonnt ein paar Hebel um, und die ganz und gar nicht altersschwache Schöpfungsmaschine setzt sich lebenslustig in Bewegung.

„Mit Müch und Blarg“

Mehr als 2000 Teile hat der Landwirt in diesem Gesamtkunstwerk verbaut, sich aus Japan sogar eine Weltraumrakete liefern lassen. „Mit Müch und Blarg harb ich gebaut“, steht auf einer der Tafeln, die dieses kinetische Konstrukt zieren, zu lesen. Die Kraft dazu hat er sich in der Kirche beim Beten geholt, erzählt Maria. Immerhin war Gsellmann ein schmächtiger Mann, der einen Hof zu bewirtschaften hatte und über keinerlei „elektrische“ Ausbildung verfügte.

Dennoch stellt seine Maschine beinahe die Werke eines Jean Tinguely in den Schatten. Alles dreht sich, alles bewegt sich, alles hängt mit allem in perfekter Präzision zusammen. Der Betrachter erliegt nahezu religiösen Gefühlen beim Anblick dieser baulichen Meisterleistung, die als „Familienbesitz“ mittlerweile Enkel Franz gehört. Gemeinsam mit zwei erfahrenen Elektrikern hält er die „Weltmaschine“ seines Großvaters am Laufen, ein mühevolles Unterfangen, denn eine Skizze oder gar einen Schaltplan für das meterhohe Konstrukt gibt es nicht. Dennoch folgt jedes Teil beziehungsweise Detail einem exakten, millimetergenau ausgeklügelten Plan, jede Vogelpfeife, jedes Orgelgebläse, jeder Dunstabzug befindet sich am einzig möglichen Platz. Es scheint, als hätte der Erbauer eine Metapher für die Komplexität der Welt geschaffen, ein Epos aus Kleinteilen, das auf das Göttliche der Schöpfung ebenso verweist wie auf Gsellmanns Genie.

Draußen vor der Tür hingegen geht es bodenständiger zu. Die Obstbäume stehen dekorativ in der lieblichen Landschaft herum, fern am Horizont sieht man glückliche Schafe grasen, und die Bäuerinnen vom Projekt „Wollgenuss“ filzen bereits am neuen Programm für ihre Schafwolljurte, die oft direkt im Hof der Gsellmanns aufgebaut ist. Dort kann man noch rasch einen handgemachten Hut erwerben, um ihn danach vor der „Weltmaschine“ zu ziehen.

Wandern und wundern

Was kurios-künstlerische Freizeitbeschäftigungen betrifft, steht Renate Theißl dem Franz Gsellmann aber gar nicht so viel nach. Die gelernte Köchin ist bereits mit 13 Jahren der Faszination von Holzkonstruktionen erlegen. Heute betreibt die umtriebige Feldbacherin auf einem 1200 Quadratmeter großen Areal das wohl weltweit einzige Brückenbaumuseum. Nahezu hundert detailgetreu nachgebaute Brücken, aber auch „Originale“ aus vergangenen Zeiten hat sie zu anschaulichem Leben erweckt.

Doch bevor man in Fehring Wurzeln schlägt, sollte man unbedingt noch eine Runde durchs nahe Hatzendorf wandern. Und sich ausgiebig wundern, denn auch dieser kleine Ort gleicht einem Epizentrum skurriler Objektkunst. Da führt einen der Kunst-Panorama-Weg vorüber an einer riesigen Geisha oder einem steinzeitlich anmutenden Olmeken-Kopf (beides Werke von Peter Troißinger, dem kunstschaffenden Wirt des Restaurants Malerwinkl), während die Hühner rastlos auf dem Rastplatz flüstern und der Kulturverein Eat & Art für Einkehrmöglichkeiten sorgt. Derart gestärkt, lässt sich selbst der eine oder andere Vulkankegel der Gegend noch bezwingen.

Wunderwelten

Gsellmanns „Weltmaschine“, 8332 Edelsbach, Kaag 12, 03115/2983, Österreichisches Brückenbaumuseum, 8332 Edelsbach 15, 03152/2017 (um Voranmeldung wird gebeten)

Tulpenfest Edelsbach 14./15. April, Wollgenuss 8332 Edelsbach, Kaag 28, 0664/410 65 14, Monika Reindl

Obsthof Stangl – Schnäpse und Brände
Paurach 25, Tel: 0664 280 24 79
Vulkanländischer Kunst-Gasthof Malerwinkl, Hatzendorf 152, 8361 Hatzendorf Tel.: 03155/2253, www.malerwinkl.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2018)

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