Nur ein einziges Zimmer für zwei Personen hat Einzug gehalten in einen ehemaligen Hafenkran. Schon jetzt erfreut sich das ungewöhnliche Hotel großer Nachfrage.
Was für ein Widerspruch! Von außen lässt das hoch aufragende Metallgerüst mit seinem Schwenkarm nicht erahnen, dass es oben eine Luxussuite für zwei Personen und unten einen skurrilen Basar beherbergt. Im Hamburger Hafen tummeln sich Hunderte solcher schwimmenden Kräne, die zwischen all den wuselnden Barkassen, behäbigen Kreuzfahrtschiffen und voll beladenen Containerfrachtern kaum ins Auge fallen.
Mit Ausnahme des weinroten Hafenkran Hideaway. Vor Kurzem wurde für ihn extra die Mahatma-Ghandi-Brücke vor der Elbphilharmonie hochgeklappt, damit er nach sechsmonatigem Umbau in der Behrenswerft in Finkenwerder wieder an seinem ursprünglichen Liegeplatz im Traditionsschiffhafen der HafenCity anlegen konnte.
Nach seiner Metamorphose vom Arbeitskran Greif zum stylishen Quartier in bester Lage bietet er ein erstaunliches Kontrastprogramm. So beherbergt der historische Schwimmkran sowohl Hamburgs kleinstes, extravagantestes Hotel als unter Deck auch einen zweiten Superlativ: Harrys Hafenbasar, das kurioseste Museum der Stadt, mit Raritäten aus aller Welt – Schrumpfköpfe, Holzmasken, ausgestopfte Babyelefanten. Rund 300.000 Exponate sind es insgesamt. Bereits vor Jahren hatte der Basar Einzug gehalten in den 200 Quadratmeter großen Rumpf des Krans, nachdem die Stiftung Hamburg Maritim 2012 den Greif vor der Verschrottung rettete.
Inspiriert von seinen Freunden Marc Nagel und Tim Wittenbecher wollte ihn der letzte Basarbesitzer, Arzt und Schamane Gereon Boos, zum Hotel umbauen lassen. Die beiden gebürtigen Hamburger, beide 50, sind Geschäftsführer der Floatel GmbH und betreiben seit zehn Jahren Hideaways in Leuchttürmen an Deutschlands Ost- und Nordseeküste. Dank sechs Investoren halten sie auch Konzessionen für Leuchttürme in Spanien und Italien. Nach dem Tod von Boos 2014 setzten Nagel und Wittenbecher die Kran-Idee um. Gut eine halbe Million Euro steckten sie in das Projekt.
>> Das friesische Pendant finden Sie in diesem Hafenkran in Harlingen
Privatterrasse, Blick auf Elphi
Wo fast 70 Jahre lang Kranführer den ehemaligen Greif gelenkt und mit ihm schwere Lasten gehoben haben, können ab sofort Gäste auf der privaten Terrasse die ungehinderte Aussicht auf die Elbphilharmonie genießen, die direkt vor ihnen ihre markante Silhouette in den Himmel über Hamburg zeichnet. Vielleicht mit einem Glas Wein aus der gut bestückten Bar und maritimer Musik im Hintergrund. Ohnehin gehört ihnen ab 17 Uhr, wenn der untere Bereich für Besucher des Basars gesperrt ist, das schwimmende Refugium ganz allein. In den Abendstunden werden sie den Elektrokamin anstellen, sich unter die beiden Erlebnisduschen stellen, in die mit Shuj-Seide bezogenen Betten schlüpfen, sich eine DVD anschauen. Fußbodenheizung und Klimaanlage sorgen für gut temperierte Räume. „Die Außenhaut isoliert, man könnte es fast ein Energiesparhaus nennen“, schmunzelt Marc Nagel, der als Industriedesigner für das Interieur zuständig zeichnet.
Alte Teile, neuer Raum
„Wo jetzt das Doppelbett steht, war früher bereits die Kante der Kranführerkanzel. Wir mussten also einen ganz neuen Raum andocken“, so Nagel. Mit zwei Ledersesseln bestückt, dient der Raum auch als Ausguck. Der große Kippschalthebel zeugt als einer der originalen Elemente von der früheren Bestimmung des Krans.
Von dort führt eine steile Treppe hinunter in den ehemaligen Motorraum, mit Musikanlage und TV, versteckt hinter einem Spiegel, sowie einer Bar aus hundert Jahre alten Holzplanken. Trotz des Preises von 390 Euro unter der Woche und 450 Euro am Wochenende für zwei Personen, inklusive prall gefüllten Frühstückskorbs, geliefert von Hausdame Kirstin Zambelli aus der Kombüse, ist das Boutiquehotel schon über Monate ausgebucht.
MIKROHOTEL
Hafenkran Hamburg: Liegeplatz im Sandtorhafen, Am Sandtorkai 60, Zugang zwischen Nummer 60 und 62. www.hafenkranhamburg.de, Tel. +49/(0)30/818 645 91
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2018)