Neue Badegeneration: Spa privat

Armaturen, die Stimmungen steuern. Funktionen, die sich schön tarnen. Mauern, die fallen. Eine neue Badegeneration zieht mit Volldampf ein.

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Von wegen rein funktioneller Nassraum: Bäder verwandeln sich immer stärker in Aufenthaltsräume. Noch nie in der Geschichte des Badezimmers wurde diesem so viel Platz zugedacht wie heute – und den Möglichkeiten, Körperkult, Selbstinszenierung und Rituale auszuleben. Es wurde auch noch nie so viel investiert, um diese neuen Bedürfnisse zu realisieren. Nicht nur Wasser- und Raumtemperatur können ganz nach persönlicher Befindlichkeit eingestellt werden, sondern auch die Lichtstimmung, die Musik, der Wasserstrahl sowie die Art, wie er auf die Haut treffen soll.

Den Trend, mit dem Bad einen echten Wohlfühlraum zu schaffen, verfolgt die spanische Designerin Patricia Urquiola auf gestalterischer Ebene schon seit Längerem: „Wenn Menschen meine Möbel, Waschtische oder meine Armaturen sehen, möchte ich, dass sie denken: ,Das sind wirklich gute und praktische Dinge, die eine Form und eine Funktion so kombinieren, dass ich damit etwas assoziieren kann, und die mich jeden Tag mit Freude erfüllen.‘ Zusätzlich erachte ich es als sehr wesentlich, dass Produkte sich gut anfühlen, wenn man sie berührt.“
2012 konzentrieren sich die Hersteller und Designer formal auf das Wesentliche, was aber nicht bedeutet, dass nicht das eine oder andere Detail aus der Reihe tanzen darf. So gibt es beispielsweise eine Reihe ausladender Badewannen, die rein äußerlich als Zitat von alten Waschzubern durchgehen würden. So zeigt etwa Laufen demnächst auf dem „Salone del Bagno“ in Mailand (17. bis 22. April) eine neue Badewanne von Ludovica und Roberto Palomba, die eine hohe Rückenlehne und eine asymmetrische Form hat.

Auch der italienische Produzent Agape zitiert den Bottich mit dem Patricia-Urquiola-Modell „Vieques“, dieses Jahr in Weiß und ausgestattet mit einer Rückenlehne aus Holz. Holz begegnet einem im Badeumfeld immer öfter, der Materialeinsatz im Nassraum sei schließlich ganz unproblematisch, wie Agape-Chef Emanuele Benedini versichert: „Auch Boote werden aus Holz gemacht – genauso wie Fässer für den Wein. Der Kontakt zwischen Holz und Wasser ist natürlich, insbesondere dann, wenn er nicht anhaltend ist.“

Schlichte Werkbank, intelligente Kombination. Gestalterische Reduktion wird bei den Waschtischen ebenfalls spürbar. Vor allem auch, weil die neue Generation schlicht aufgesetzter Waschbecken die Bezeichnung „Tisch“ wirklich verdient. Das Modul wird zur universellen Werkbank ohne Schnickschnack. So etwa bei „Delos“ von Duravit, gestaltet von den österreichischen Designern Eoos, die die Konsole – wahlweise in Echtholz oder Hochglanzweiß – ohne sichtbare Trägerkonstruktion schweben lassen.

Manchmal werden zwei Funktionen in einem Möbel vereint, beispielsweise als Badewanne, deren Rand so breit ist, dass ein aufgesetztes Waschbecken darauf Platz findet. Diese kompakte Lösung wird dann besonders interessant, wenn trotz aller Großzügigkeit Platzsparen notwendig ist. Ein gutes Beispiel dafür stellt die neue Badeserie „Exelen“ von Antonio Lupi dar, die ebenfalls auf dem kommenden Salone del Bagno präsentiert wird.

In modernen Bädern wird heute nicht nur geduscht, gebadet und entspannt, es wird genauso gewhirlt, gedampft, beregnet, Musik konsumiert und vor allem Wasser zum Erlebnis gemacht. Das Bad übernimmt damit fast die Rolle eines privaten Entertainmentcenters. Ganzheitliche Beautykonzepte greifen das auf, sie bieten ausgereifte Technik mit allem Drumherum. Auf der großen Möbelmesse „imm cologne“ im Jänner in Köln etwa haben die Badehersteller Dornbracht, Revox und Gira ein Gemeinschaftsprojekt gezeigt: Ein über einen Homeserver steuerbares System, mit dem man von der Musikstimmung bis zur Duschchoreografie alles programmieren kann. Der Einfluss der Designhotels ist dabei durchaus zu erkennen. Andreas Dornbracht, Chef der gleichnamigen Armaturenproduktion, relativiert: „Es geht sicher nicht so sehr darum, was wir klassischerweise unter Entertainment verstehen. Das Bad wird eher zu einem Erlebnisraum. Dazu kommt, dass insbesondere die atmosphärische Stimmung variantenreicher wird.“

Gleichzeitig ziehen sich auch die Armaturen vielfach aus dem Blickfeld des Betrachters zurück und agieren in vollem technischen Umfang, jedoch als optische, aber ästhetische Randerscheinung in Form eines einfachen Schlitzes, einer schlichten schwarz oder weiß lackierten Figur oder gar als verstecktes oder versenkbares Modul.

Fließend. Und was heißt schon Badezimmer, wenn auch seine Grenzen zu anderen Räumen zusehends verschwinden, auch die Nutzung betreffend? Eine Art Bedeutungswechsel hat sich vollzogen: Das Bad wird bewohnt und damit geraten die Übergänge zum Schlafzimmer oder zur Terrasse fließend. Man hat es plötzlich mit lichtdurchfluteten offenen Räumen zu tun. Die Badewannen lösen sich von der Wand und wandern ins Zentrum des Raumes, die Waschtische und Bademöbel folgen ihnen.

Das Badezimmer wächst in seinen Funktionen und Aufgaben bei gleichzeitiger Reduktion der einstigen Opulenz und versteht sich konzeptuell als Gesamterlebnis. Das wird sich in privaten Haushalten in Zukunft noch mehr durchsetzen. Platzprobleme sind da jetzt keine Ausrede mehr.

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