Tavi Gevinson: Vom Blog zum Broadway

(c) Brigitte Lacombe
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Wenn Web-Appeal Wunder wirkt: Von Bloggern als Schauspieler, Designer und Parfumeure.

Vor wenigen Wochen sorgte die Sängerin und Schauspielerin Taylor Swift mit einem Beitrag im „Wall Street Journal“ für Aufregung: In ihrem Ausblick auf das Musikbusiness der Zukunft machte sie unter anderem deutlich, dass „es eine neue Währung gibt, die darin besteht, so viele Follower wie möglich auf Instagram zu haben“. Das ist eine Selbstverständlichkeit für die 25-jährige Swift, die sich mühelos durch alle Social-Media-Kanäle bewegt und mit ihrem Profil auf der heute bedeutungslosen Plattform Myspace ihren Weg in eine von großer Leistungsdichte geprägte Branche bahnen konnte. In ihrem Beitrag erzählte Swift auch von einem Casting-Direktor, der sich in der finalen Entscheidungsrunde zwischen zwei Schauspielerinnen für diejenige mit einer größeren Anzahl an Twitter-Followern entschieden habe. Ob freilich die Milchmädchenrechnung stimmt, dass ein Online-Fan auch den Weg ins Kino, das Konzert oder den Theatersaal findet, ist eine andere Sache.



Eine Freundin, Vertraute und, als Herausgeberin des Teenager-Online-Magazins „Rookie“, auch Gönnerin von Taylor Swift ist das erst 18 Jahre alte Multitalent Tavi Gevinson. Vor einigen Jahren gehörte sie jener ersten Schar von Mode-Bloggern an, die es in die Front Row bei wichtigen Defilees schafften. Später verbreiterte sie das thematische Spektrum ihres Blogs, gründete das erwähnte Magazin und feierte ihr Debüt als Filmschauspielerin (in „Genug gesagt“). Vor wenigen Tagen fügte sie nun ihrer Karriere einen weiteren Puzzlestein hinzu und betrat in einem der Showbiz-Tempel am Broadway die Bretter, die sprichwörtlich die Welt bedeuten.

Zufällig eine Bloggerin. Tavi Gevinson ist, das steht im Nachhinein fest, in erster Linie ein hoch begabter Teenager mit Talenten in unterschiedlichen Bereichen. Dass zu ihren Berufsoptionen auch das Theaterspielen gehört, bezeugt eine fast euphorische Kritik des Cheftheaterkritikers der „New York Times“, Ben Brantley, über ihren Auftritt in Kenneth Lonergans Stück „This Is Our Youth“: „Zutiefst lesbare und individuelle Handschriften“ hätten Gevinson und ihre Ko-Stars Keiran Culkin und Michael Cera den Charakteren in Lonergans Stück verliehen.

Unabhängig von ihrer ursprünglichen Bedeutung im Modekontext ist also Tavi Gevinson zu Ruhmeshöhen im Entertainment-Business emporgestiegen. Dieses Best-Case-Szenario unterscheidet sich freilich deutlich vom üblichen Weg in das lukrative Arbeiten, der Bloggern offensteht. So betrat etwa Bryan Grey Yambao, besser bekannt als Bryan Boy, ungefähr zeitlgeich mit Gevinson die Online-Modebühne. Außerhalb der Branche spielt er zwar keine Rolle, immerhin wird er aber mittlerweile als Werbeträger und Stargast bei Veranstaltungen gebucht. Auch als Kreativer durfte er bereits in Erscheinung treten: So lud ihn die New Yorker Pelzdesignerin Adrienne Landau ein, eine Capsule Collection für ihre Marke zu entwerfen.

Nun muss man kein Vermarktungsspezialist sein, um zu erahnen, was sich Brands von solchen Kooperationen mit Bloggern erhoffen: „Blogger werden nach der Brand-Affinität der Person, des Blogs und ihrer Audience ausgesucht“, bemerkt dazu die Marketingexpertin und Bloggerin (Tschilp.com) Michaela Amort. „Bei solchen Kooperationen geht es darum, Beziehungen zu ‚echten‘ Menschen herzustellen ­– Erdung, Nähe, Individualität, Blogger als ‚trusted advisors‘ sind mögliche Stichworte.“

In der Tat gab es bereits zahlreiche Capsule Collections von Bloggern, und erst vor wenigen Tagen stellte das deutsche Kosmetikunternehmen LR Health & Beauty ein gemeinsam mit der Modebloggerin Anna Frost (sie betreibt den Blog „Fashionpuppe“) konzipiertes Parfum vor. Der Pressesprecher ließ wissen, dass man damit „ein online-affines Publikum ansprechen und auch den neuen Online-Shop weiter bekannt machen“ wolle.

Verwandte Branchen. In Österreich sind vergleichbare Auftraggeber zwar selten, ein paar der etablierteren Modeblogger konnten jedoch in thematisch verwandte Brotberufe vorstoßen. Die Logik der „Generation Praktikum“ befolgend und diese mit dem Prinzip der Aufmerksamkeitsökonomie koppelnd, positionierten sich einige von ihnen für spätere Aufgaben im Bereich des Journalismus, der Pressearbeit oder des Marketing. „Man könnte das Bloggen hier auch als Portfolio-Aufbau sehen, um sich in verschiedenen themenverwandten Projekten oder Jobs zu versuchen“, fasst Michaela Amort diese Entwicklung zusammen.

Maria Ratzinger (Stylekingdom.com) ergänzt: „Der Markt ist hart geworden. Wer sich hier nicht mit einem eigenen markanten Profil positioniert, geht im Einheitsbrei unter. Die stetige Reflektion, warum man als Blogger startet, ist wichtiger denn je.“ Auch Ratzinger ist nicht mehr ausschließlich als Bloggerin tätig. Sie hat gemeinsam mit anderen die Agentur Modekabel Media gegründet und ist zudem Marketingleiterin eines Lifestyle-Unternehmens. „Es gibt bei mir eine strikte Trennung zwischen Inhalten, die ich in Medien bringe, für die ich schreibe, und den Projekten, für die ich PR mache. Das ist mein Leitfaden“, unterstreicht sie auf die Frage nach der Vereinbarkeit ihrer verschiedenen Berufsfelder.

Sie ist auch Mitorganisatorin des jährlich stattfindenden „Fashion Camp“, der ersten deutschsprachigen Konferenz für Lifestyle-Blogger (nächste Termine: 20. September und 14. Oktober). Hier, betont Ratzinger, werden heute andere Inhalte vermittelt, als sie noch vor ein paar Jahren relevant gewesen seien: „Das ‚Provisorische‘ im Layout ist zum Beispiel ausradiert worden“, sagt sie. Ob ein Besuch des „Fashion Camp“ reicht, um den Weg auf eine anerkannte Theaterbühne zu ebnen, ist zwar eher fraglich. Dass sich ein gut gemachter Blog im Zusammenspiel mit anderen Aspekten als gute Visitenkarte für das berufliche Fortkommen bewähren kann, hat aber auch hierzulande seine Gültigkeit. 

Tipp

Blogger, was nun? Die erfolgreichsten Vertreter der ersten Blogger-Generation sind in andere Domänen ausgeschwärmt. Ein Pa­norama ihrer Optionen finden Sie auf Schaufenster.DiePresse.com

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