Olympique: „Wir geben fast zu viel von uns her“

(c) Christine Ebenthal
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Nach vielen Lockrufen veröffentlicht die Salzburger Indierockband Olympique ihr erstes Album. Unbekannt war sie auch zuvor schon nicht.

„Hier würde ich extrem gern mein Zeug aufbauen und spielen“, schwingt es zwischen den Stuckranken des revitalisierten Stadtpalais Liechtenstein hin und her. Aber gerade, als Fabian Woschnagg seinen Satz fertig hat, versucht er ihn auch wieder zu schlucken, weil „es wahrscheinlich doch zu viel kleschen würde“. Während der hochgewachsene Salzburger über die Schallentwicklung des hoch barocken Standorts in der Wiener Innenstadt nachdenkt, lässt er sich zusammen mit seinen beiden Kollegen für das „Schaufenster“ fotografieren. Den ernsten Blick nimmt der 24-jährige Sänger dabei selten ab. Viel zu ernst ist ja auch die Sache: Immerhin geht es um Ende und Anfang und seine Band, es geht um Olympique. Ja, und irgendwie auch um Räume, den lockeren Boden unter den Füßen und der Decke, nach der man sich manchmal strecken muss.

Kleinlaut. Die dreckigen Teile des Albums wären einem Keller in Wien entsprungen, denn „witzigerweise entstehen in kleineren Räumen lautere Stücke“, erklärt Nino Ebner, der Schlagzeuger. Die ruhigen Nummern dagegen wurden in den Weiten ihres Salzburger Proberaums geschrieben. „ Jeder Raum klingt eben anders“, nickt Woschnagg wissend. Wie bestellt unterbricht der Auslöser der Kamera mit einem schüchternen „Klick“ das Gespräch. „Wenn wir einen Monat in diesem Palais proben könnten, würden wir wahrscheinlich wie James Blake klingen“, überlegt sich Leo C. Scheichenost, der in der Band die Tasten bedient. „Auf jeden Fall noch reduzierter“, sagt Ebner und bastelt damit weiter an der Hypothese, die schon allein deshalb eine bleiben wird, weil sich das um 100 Millionen Euro von der Familie Liechtenstein renovierte Anwesen eher an Hochzeitsgesellschaften als an aufstrebenden Bands orientiert. Häuser der Hochkultur sind Olympique dennoch nicht fremd, das Burgtheater haben sie bereits erfolgreich bespielt. Der Abend war ausverkauft „und trotzdem habe ich das Publikum nicht gesehen. Die Bühne war so dunkel, wir haben in ein schwarzes Loch gespielt, das war großartig“, erinnert sich der Sänger an diesen – für eine Band ohne Debütalbum ungewöhnlichen – Moment. Was die kleinen und großen Räume bei Olympique angeht, ist ihre Wirkung aber stets gleich. Da wie dort werden dem Hörer tiefe Gefühlswälder eröffnet. „Wir hatten von Anfang an einen Hang zu großen Melodien“, so Scheichenost. Von Anfang an heißt von Jugend an. Die Geschichte von Olympique beginnt als Schulband Sequence of Tenses. Ziemlich früh hatten sie das Glück, in London spielen zu dürfen. „Wir waren gerade mit der Schule fertig und sind uns mit der Band extrem cool vorgekommen. Nach diesem Auftritt war uns klar, dass wir noch nichts erreicht hatten. Diese Reise war unser Nullpunkt. Ins Hotel sind wir mit der Buslinie drei gefahren, die nach Crystal Palace fährt. Bei jeder Station kam die Durchsage: ‚Three to Crystal Palace‘, das hat uns inspiriert. Wir wollten wieder nach London zurück, aber anders.“ Ihr Album „Crystal Palace“ sei ein Synonym für diese Reise. Die Namensänderung der Band kam laut Scheichenost wie von selbst. „Fabian ist einmal mit Olympic Air geflogen und hat mich angerufen, weil ihm der Schriftzug gefiel. Zeitgleich habe ich einen Zeitungsbericht über Olympique Marseille aufgeschlagen.“

(c) Christine Ebenthal


Bitte warten.
Viel länger hätten Olympique den Release ihrer ersten Platte kaum hinausschieben können. Seit 2009 spielen sie in der aktuellen Besetzung, und fertig war ihr Debüt eigentlich schon vor einem Jahr, seitdem wurde mit Arcadia (ihrem Label) und Acoda (dem hauseigenen Video-Produktionsteam) eine Strategie entwickelt – und diese Zeit war gut investiert. Neben dem ausverkauften Auftritt im Burgthater haben Olympique heuer schon das Frequency Festival eröffnet, waren Vorband von Awolnation und konnten ihre Musik („No Estate to Remind“) in einem „Willhaben“-Werbespot platzieren. Die kokette Zurückhaltung zahlt sich also aus. „Vor einem Jahr wäre das Album vielleicht einfach nur verpufft.“

Trotzdem sind es nicht nur die großen Events, mit denen die Band bisher sich selbst und andere beeindrucken konnte. Sehr schön war ihre Pre-Listening-Session im Supersense, einer der letzten Inseln des Analogen im Leopoldstädter Dogenhof. Zwischen Sofortbild-, Super-8- und einer seltenen Riesen-Polaroid-Kamera nahmen sie dort live vor Minipublikum eine Vinylplatte auf. Selbst das Cover wurde vor Ort von einem Bandmitglied gezeichnet. Scheichenost ist nämlich auch für die visuelle Kommunikation zuständig. Sein Artwork beschreibt er als nicht reißerisch und bedacht, wie den Prozess, den sie für ihre Musik in Kauf genommen haben. „Wir sind große Fans des Analogen, es hat einen anderen Charakter, eben auch beim Artwork. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich gern 2000 Stück so machen wie im Supersense. Vor allem die kleinen Fehler machen das Ergebnis aus.“ So hielten sie es auch mit der Albumproduktion. „Viele Bands spielen auf ‚Klick‘, also mit einem Metronom – das wollten wir nicht. Eine Spur schneller, eine Spur langsamer, das ist für unsere Musik essenziell“, erzählen sie. Ihr Zugang ist puristisch und erlaubt nur geringe technische Einflüsse. „Das war sehr anstrengend.“ Wohl auch für die Geldtaschen, die sich nicht mit Idealismus füllen lassen. „Die Produktion ist uns allen sehr nahegegangen, ohne Förderung wären wir massiv verschuldet und hätten keine Freunde mehr im Musikgeschäft.“ Wahrscheinlich auch, weil das Thema, das sie gewählt haben, kein einfaches ist. Schon bevor Olympique begonnen haben, an ihrer ersten Platte zu arbeiten, war klar, wie sie klingen soll: sakral, nicht im religiösen Sinn, sondern vom großen, epischen Klang her. Das ist gelungen. Sanfte Einstiege bauen sich zum rockigen Schlagzeug-Halligalli auf, in den Texten hängt dramatisch viel Gefühl und am Ende klingt die Gitarre aus, als wäre sie eine Träne, die sich über eine Wange hinabkämpft. Besonders gut hört man all das in der mächtigen Single „The Reason I Came“. Es war das letzte Lied, das sie für ihr Album geschrieben haben, und die erste Chartsplatzierung auf FM4.

Scheichenost kann sich noch gut an die Umstände erinnern: „Wir mussten schnell arbeiten, alles war ein bisschen stressig. Es war zehn Uhr abends und extrem kalt im Proberaum in Wien, ich hatte die ganze Zeit meine Jacke an. Eine Glühbirne brannte, eigentlich war es ziemlich dunkel. Wenn man weiß, wo und wie die Nummer entstanden ist, klingt sie gar nicht mehr so monumental.“ Die melancholischen Nebelwälder im dazugehörigen Video (für das sie in vier Tagen durch sechs Länder gereist sind) lassen diesen Realismus kaum zu.

Der letzte Buchstabe. Das visuelle Gesamtkonzept von Olympique wird von einem Symbol abgeschlossen: „Wir machen melancholische Musik, bei der immer etwas von einem Ende mitschwingt. Die Lieder sind bedrückend, aber mit einem Lichtblick. Das Omega hat sich dafür richtig angefühlt. Und dann ist es sich auch so gut im Schriftzug ausgegangen“, sagt Scheichenost pragmatisch. Das eigentliche Ende des Albums heißt „Face Down the Earth“. „Eine extrem ruhige Nummer, die für jeden von uns sehr emotional ist. Da haben wir unsere gesamte Gefühlswelt hineingesteckt“, erzählt Ebner.

Woschnaggs Problem damit sei, „dass mir im Studio nicht bewusst war, dass das auch andere Leute hören werden. Wir geben fast zu viel von uns her.“ Deshalb spielen Olympique „Face Down the Earth“ auch nur selten, zu besonderen Anlässen und in besonderen Räumen. In das Palais Liechtenstein hätte die Nummer eigentlich ganz gut gepasst. Vielleicht beim nächsten Mal.

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