Mona Kuhn: Geformte Welt

(c) Courtesy of Steidl
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Mona Kuhn vermisst mit ihrer Kamera Körper und Landschaftsformen. Zur ersten Ausgabe der Photovienna kommt sie nach Wien.
Text: Daniel Kalt Fotos: Mona Kuhn

Es gibt im Englischen eine Redensart, die besagt, dass man ein Buch nicht nach seinem Umschlag, also ein Objekt (oder auch Subjekt) nicht nach seinem äußeren Erscheinen beurteilen solle: Never judge a book by its cover, heißt das dann. Und das ist ja auch ein löblicher Ratschlag. Außer natürlich, es geht wirklich um ein Buch mit einem akribisch ausgesuchten Umschlagmotiv. Da ist im Normalfall das „Cover“ vom „Book“ nicht ganz zu entkoppeln.

Man besehe nur den neuesten Bildband der brasilianischen, in Kalifornien lebenden Fotografin Mona Kuhn: „Private“ heißt das in Gerhard Steidls Verlagshaus erschienene Kompendium, und das Cover ziert eine Fotografie von Mona Kuhn, die eigentlich ihre gesamte Herangehensweise an dieses konkrete Projekt, vielleicht aber ihre Arbeit im Allgemeinen charakterisiert. Man sieht den Schriftzug „Private“ in Spiegelschrift, „aber nicht, weil ich das Foto mit einem Bildbearbeitungs-Tool umgedreht habe“, so Kuhn.

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Tipp

„Ich habe durch eine Glastür hindurchfotografiert, die ein allgemein zugängliches Geschäftslokal von einem privaten Bereich trennt. Und ich befand mich eben dort, wo normalerweise Fremden der Zutritt verwehrt wird.“ Dieses Motiv ist insofern typisch für Mona Kuhns Arbeit, als es ihr immer ein Anliegen ist, in den – auch im übertragenen Sinn gemeinten – privaten, den Blicken der Öffentlichkeit entzogenen Raum vorzudringen; jenen Raum also, den Subjekte ganz für sich selbst und ihr näheres Umfeld reservieren.

Naheverhältnis. Bekannt wurde Kuhn, die Tochter deutscher Eltern, die in Brasilien aufwuchs und Ende der Achtzigerjahre für ihr Kunststudium in die USA übersiedelte, für ihre großformatigen Aktfotografien. „Als ich beim Studium realisierte, dass Fotografie auch als künstlerisches Medium genutzt werden kann“, so Kuhn, „war das für mich eine Offenbarung.“ Formale Einflüsse beziehe sie aus der Arbeit des Brasilianers Mário Cravo Neto und jener des Amerikaners Leon Levinstein.

In einem Interview gab sie zwar einmal zu Protokoll, auch Nan Goldin gehöre zu den Fotografen, die sie maßgeblich beeinflusst hätten. „Das ist so aber eigentlich nicht richtig, zumindest nicht auf der Ebene der Ästhetik. Was ich in Goldins Arbeiten aber bewundere und was auch für mich sehr wichtig ist, das ist die Beziehung zwischen Fotograf und Fotografiertem: Auch Goldin zeigt in erster Linie Menschen aus ihrem Umfeld und Personen, zu denen sie ein Naheverhältnis aufbauen konnte. Das ist auch für meine Arbeitsweise sehr ­wichtig.“

Auch Mona Kuhn zieht es nämlich für ihre freien Fotoserien vor, mit Freunden und Bekannten zu arbeiten, die ihr vertrauen und die es nicht stört, der Künstlerin Zutritt zum Raum ihrer Intimität zu gewähren. „Was intim ist, ist aber ohnehin sehr relativ. Jemand, der überhaupt keine Schwierigkeit hat, sich für mich vor der Kamera auszuziehen, findet es vielleicht wieder zu intim, sich über Emotionen, seine Weltanschauung, seine Einstellung zum Tod zu unterhalten“, fasst Kuhn ihre Erfahrungen mit Menschen zusammen.

Während frühere Fotoserien in Frankreich (Kuhn besitzt ein Domizil in der Nähe von Bordeaux), in Italien oder Brasilien entstanden sind, wandte sich Mona Kuhn in der Vorbereitung von „Private“ der amerikanischen Wüstenlandschaft in Arizona zu. „Meine Arbeit funktioniert sehr intuitiv, ich gebe mir aber immer eine inhaltliche Klammer vor. In ,Private‘ waren es die Farben, einerseits die goldenen Nuancen von Sand und Wüstensonne, andererseits die Dunkelheit, die Schwärze.“

Eine poetische Arbeit. Die Dunkelheit sei auch deshalb dominant, weil viele der Menschen, die in der Wüste Arizonas leben, sich gegen die große Hitze schützen müssten: „Im Inneren der Häuser ist es manchmal fast unheimlich abgedunkelt, die Fenster sind oft mit lichtfilternden Folien beklebt“, so Kuhn. Im Unterschied zu früheren Fotobänden, ebenfalls von Steidl verlegt, in denen sie eher einen chronologischen, linearen Bogen spannte, entschied sich Kuhn diesmal für eine etwas sprunghaftere Vorgehensweise: „Ich habe über zwei Jahre lang in Arizona fotografiert, die sehr limitierte Auswahl für ein Fotobuch zu treffen, ist am Ende dann immer das Schwierigste. Dass ich bei ,Private‘ weniger logisch, mehr mäandernd vorgegangen bin als bei früheren Projekten, hat dem Buch einen poetischeren Charakter verliehen, finde ich“, sagt Kuhn.

Mehr noch als in anderen ihrer Werkserien hat die Brasilianerin hier Aufnahmen von Landschaften in Zusammenhang mit den Aktfotografien gebracht, ja die „landscapes“ überwiegen sogar die „bodyscapes“. Eines der verbindenden Momente ist die Art, wie ein sich bewegender Körper seine Umgebung gestalten, Oberflächen formen kann: „Der Körper eines schlafenden Menschen hinterlässt seinen Abdruck auf einem Leintuch, während sich in der Wüste in der Vergangenheit ein Gletscher über das Land wälzte und etwas Ähnliches bewirkte. In beiden Fällen hat intensiver Körperkontakt stattgefunden, solche Parallelen interessieren mich“, sagt Kuhn in ihrem Studio in Los Angeles.

Das Gespräch wurde über Skype geführt, wenige Stunden, bevor Kuhn nach Europa aufbrach, und zwar zunächst zur Paris Photo, der wichtigen französischen Fotomesse. Ende November kommt sie nach Wien, um „Private“ auf der Photovienna zu promoten. Stattfinden wird die erste Ausgabe dieser fotografischen „Leistungsschau“ (so der von den Veranstaltern, Felix Leutner und Mirjam Angerer-Geier gewählte Begriff) im MAK. An vier Tagen präsentieren Fotografen ihre Arbeiten dem Publikum, auch die „Best of Schaufenster“-Ausstellung findet in diesem Rahmen statt. Am 27. November ist Mona Kuhn vor Ort.

Buchvorstellung. Mona Kuhn ist am 27. November zu Gast auf der Photovienna und stellt ihren bei Steidl erschienenen Fotoband „Private“ vor. Während der Photovienna findet auch die „Best of Schaufenster“-Fotoausstellung statt, hier werden ausgewählte Bilder aus zwölf Monaten „Schaufenster“ präsentiert. Details finden Sie auf www.photovienna.at

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