Club Grotesque Fatal & Duckie: „Keine Rollenbilder!“

(c) Steffi Dittrich
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Spiel mit Femininität und Sexualität auf der Bühne: Silvester mit Club Grotesque Fatal und Duckie.

Als Kollektiv können wir super streiten“, sagt Nora Safranek verschmitzt. Als ihr Alter Ego, eine gendervariable Bühnenfigur, war Safranek bislang Teil des Club Burlesque Brutal. Wenn sie und die anderen Mitglieder dieser queer-feministischen Performancegruppe im Brut im Künstlerhaus um einen Tisch sitzen und gemeinsam lachen und von sich erzählen, ist aber klar, dass das mit dem Streit nicht ganz ernst gemeint sein kann. Das Kollektiv besteht aus Künstlerinnen verschiedener Disziplinen, alle mit Erfahrungen im Bereich der Performance. Seit etwa fünf Jahren treffen sie sich regelmäßig zu Burlesque-Nächten und arbeiten auch an anderen gemeinsamen Projekten. Mittlerweile sind sie so eng zusammengewachsen, dass sich ein fixes Kollektiv von sieben Frauen gefestigt hat. Als neu benannter Club Grotesque Fatal wird das Siebengestirn zu Silvester die Bühne des Brut erklimmen. Die Neujahrs-Show wird mit dem Londoner Kollektiv Duckie gestaltet: „Ein Feuerwerk!“, da sind sich alle ohne Streitigkeiten einig.

Eigenregie. Katrina Daschner, bildende Künstlerin, Filmemacherin und als Performerin Frau Professor La Rose, hat den Club Burlesque Brutal 2009 ins Leben gerufen, „weil Burlesque damals in Wien noch nicht so verbreitet war.“ Burlesque, im Gegensatz zum Striptease eine politischere, gegen normative Ordnungen gestellte und auch für weibliche Augen praktizierte Kunst des erotischen Ausziehens, erlebte vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und in der Gegenwart durch Dita Von Teese Popularität. Doch ging es bei Daschners Club von Anfang an nicht darum, solch klassische Burlesque aufzuführen; vielmehr, einem queer-lesbischen Anliegen und Publikum gerecht zu werden.

Nach der Gründung war wichtig, eigenständige Künstlerinnen zum Mitmachen zu bewegen. Eine von diesen ist nun Denise Kottlett. Sie habe sich früh für queere Weiblichkeiten interessiert, ohne zu wissen, wie sie diese künstlerisch live ausdrücken sollte. „Mit Burlesque habe ich eine Antwort bekommen“, erzählt sie. Die historische Bühnenausdrucksform könne man als Bezugspunkt der Show nehmen, „gleichzeitig habe ich die Möglichkeit, mich in meinem eigenen Bild mit einer Nummer in Eigenregie darzustellen, das hat viel mit Empowerment zu tun.“

Selbstermächtigung und das Brechen mit normativen Gender- und Schönheitsvorstellungen stehen für die Gruppe im Vordergrund. „Keine Rollenbilder!“, ruft Stefanie Sourial während des Gesprächs aus, um zu verdeutlichen, dass die Show Klischees dekonstruiert. Sicher, auch hier fallen die Hüllen: „Doch bei uns bringt jede Performerin ihren Körper und ihre eigene Vorstellung von Sexualität mit“, sagt die Theatermacherin und Musikerin, beim Club schlicht Dr. Sourial. Der Kampf gegen geschlechterbezogene Stereotype ist für das Kollektiv nicht nur eine Bühnenrolle, er durchzieht all ihre Lebensbereiche. So meint Safranek, die sich jetzt Captain Cunt nennt: „Unsere Intention ist eine politisch-feministische.“

Doch gibt man sich dabei keinesfalls verbissen ernst, wirft Denice Bourbon alias Miss Bourbon ein. Denn eines fehlt in ihrem Repertoire nie: „Der Humor.“ Videokünstlerin Moira Hille, beim Club Don Chanel, ergänzt mit „verschiedene Facetten von Lust“, Sabine Marte, die den Künstlernamen Madame Cameltoe trägt, vervollständigt: „Die Nummern haben alle ein narratives Element.“

(c) Duckie

Neustart. Gerade Letzteres hebt die Gruppe von Mainstream-Burlesque ab. Auch die Umbenennung in Club Grotesque Fatal verweist gewollt in eine neue Richtung, so Daschner: „Wir haben mit dem Wort ,grotesk‘ Einflüsse aus Kabarett, Varieté oder Grotesktanz aus den 1920ern stärker dabei.“ Die Alter Egos der Frauen sind in den letzten Jahren in Einzelnummern gewachsen. Bei der Silvester-Premiere unter neuem Namen werden nun ausschließlich Gruppennummern aufgeführt. In Stücken wie dem humoristischen „Lesbos - das Musical“ oder einer Spinnennummer nach Louise Bourgeois wird also stets von mehreren gemeinsam performt: „Ein neues Bühnenerlebnis!“, geben sich die sieben euphorisch.

Und eine weitere Premiere wird der Abend bringen. Sie werden sich erstmals mit einem anderen Kollektiv die Bühne teilen, denn sechs Mitglieder der Performancegruppe Duckie gesellen sich zu ihnen. Amy Lamé wird die Show moderieren. Das Kollektiv aus London gibt es seit 1995, mittlerweile versteht es sich als „post-queer“, betont Simon Casson, neben Lamé zweiter Mitgründer von Duckie: „Widerständische Sexualität und Identität sind für uns nicht mehr so wichtig, dennoch wollen wir alternative, nicht heteronormative Leben führen.“ „Wir werden unseren Underground Spirit mit ins Brut bringen“, verspricht er. „Unsere Shows sind wie ein Boxkampf, nur mit mehr Lesben und Glamour.“ Zu viel vom Programm will Casson noch nicht verraten: „Zirkus, Magie, Komödiantisches, Striptease – das wird alles im Menü sein. Achten Sie auf den Gorilla, den Geschlechtertausch und das abgängige Taschentuch!“ Duckie ist radikale Performance. Doch eine Nacht mit Duckie sei vor allem immer eine gute Feier, garantiert Casson, und Bourbon spricht für die Wienerinnen ganz gleich: „Es ist uns sehr wichtig, dass feministische und politische Arbeit mit Spaß verbunden ist“. Wunderbare Voraussetzungen für eine bombastische, glamouröse Silvesterparty.

Tipp

Queer the Year! Im Brut (Künstlerhaus): Performance mit dem Club Grotesque Fatal & Duckie, anschl. Silvesterparty. 31.12., 22h www.brut-wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2014)

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