Susanne Wuest: Der Schrecken der Schönheit

(c) Christine Ebenthal
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Susanne Wuest über ihren neuen Film „Ich seh Ich seh“, Wahrheiten und Irrtümer, über Ideale und Horrorfilme, die sie mag.

Ein nagelneues Designer-Haus im Wald an einem See: Eine Frau kommt aus dem Spital heim, ihr Kopf ist bandagiert, ihre Kinder, Zwillinge, Buben, erkennen sie nicht mehr. Was auf den ersten Blick wie ein Film über Schönheitsoperationen aussieht, ist in Wahrheit ein Thriller mit Hitchcock-Elementen über einen sich anbahnenden häuslichen Krieg. Veronika Franz, Partnerin von Ulrich Seidl, hat im Stil gewisse Ähnlichkeiten mit diesem, vor allem die Lust am Krassen: „Ich seh Ich seh“, drehte Franz gemeinsam mit Severin Fiala. Der Film hatte in Venedig Premiere, war aber auch bei Festivals in Toronto und Ljubljana zu sehen, in Ljubljana gewann er den Hauptpreis, den Eisvogel. Protagonistin Susanne Wuest spricht über ihre teilweise extremen Rollen, ihre Begeisterung für Theater und welche Horrorfilme sie besonders packen.

Was ist mit dieser Frau los, die Sie in „Ich seh Ich seh“ spielen?
Ich möchte möglichst wenig von dem Film verraten. Dieser Frau geht es nicht gut, für die Kinder ist nicht ersichtlich, was mit ihrer Mutter los ist. In diesem Film geht es sehr stark um Identität: Wenn man nicht mehr erkannt wird, was bleibt von einem übrig? Die Frau benimmt sich anders als zuvor, dies und ihr bandagiertes Gesicht bereiten den Kindern Angst. Ich würde sagen, „Ich seh Ich seh“ ist eine Mischung aus Thriller und Horrorfilm, die richtige Bezeichnung ist wohl Auteur-Genre-Film.


Welche Erfahrungen haben Sie mit der Bedeutung von Schönheit? Heute lassen sich so viele Frauen und sogar Männer operieren, keiner ist mit sich zufrieden, nicht einmal in der Zeit der Jugend, wo die meisten Menschen am schönsten sind.
Barbara Becker erzählte, sie hat Fotos von sich mit Mitte 20 angeschaut – und sie meinte, wenn sie gewusst hätte, wie sie damals ausgesehen hat, wäre sie nur noch nackt herumgelaufen. Keira Knightley hat sich vom berühmten Fotografen Patrick Demarchelier oben ohne ablichten lassen und gesagt: So sehe ich aus, in meinen Filmen wurde der Busen retuschiert, ich habe keinen großen Busen, jetzt ist Schluss mit der Täuschung. Das finde ich großartig! Es ist traurig, dass man Kindern mit zwölf Jahren Modell-Shows vorführt, in denen ihnen signalisiert wird, dass sie nur geliebt werden, wenn sie wunderschön, reich und erfolgreich sind. Aber Schönheitsideale hat es immer gegeben.


Warum ist Schönheit so wichtig?
Ich glaube, es gibt einen biologischen Hintergrund, wir empfinden als gesund, was wir als „schön“ wahrnehmen, darum zieht Schönheit an. Schönheit vermittelt auch ein Gefühl von Frieden, das muss nicht immer ein Mensch sein, auch der Herbst im Park ist etwas Schönes. Für Schauspieler ist das eine ambivalente Angelegenheit. Natürlich kann ich nicht mit ungewaschenen Haaren aufs Set kommen, aber wenn mein Weg auf dem Geschichten-Erzählen aufbaut, ist die Schönheit sekundär.


Was machen Sie, um attraktiv zu sein, zu bleiben?
Ich bin relativ faul, ich gehe ungern zum Friseur, ich mag nicht zu viel Make-up. Ich war sechs Jahre mit dem Fotografen Andreas Bitesnich zusammen, er ist ein großer Ästhet, er hat immer gesagt, ungeschminkte Haut ist am schönsten, er hat ein Buch gemacht, „Nudes“, da hat man eben nicht nur diese durchtrainierten Menschen, sondern auch Menschen mit normaler Figur – und beides ist wunderschön. Es ist immer eine Frage des Betrachtens.


Haben Sie Angst vor dem Alter?
Ich bin jetzt 35. Ich habe überhaupt kein Gefühl für das Alter. Ich bin froh, dass ich nicht mehr 20 bin. Die Jahre zwischen 20 und 27 waren schwierig, weil man denkt, man ist erwachsen, und versucht sich auf eine Weise zu behaupten, die sehr anstrengend ist. Mit 30 kam ein Wandel. Den Satz, „more years, more fun“ würde ich hundertprozentig unterschreiben.


Welche Horror-Filme und Thriller mögen Sie und warum?
„Prisoners“, ein ganz großartiges Kammerspiel mit Jake Gyllenhaal, Hugh Jackman, „The Devils Backbone“, „Orphanage“, „The Innocents“ aus dem Jahr 1961 mit Deborah Kerr – und ich freue mich auf „Babadook“, der hoffentlich baldigst ins Kino kommt.


Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Mein Vater ist Softwareentwickler und meine Mutter Kindergärtnerin. In meiner Familie gibt es keinen einzigen Künstler, darum war auch kein Bezug zur Kunst da. Aber es gab massenweise Bücher und Fernseh-Verbot. Mir ist das Fernsehen nicht abgegangen. Wir haben früh zu lesen begonnen und Geschichten gespielt. Ich habe zwei jüngere Schwestern und habe meine kleine Schwester verkleidet. Wir haben mit verteilten Rollen gespielt.


Sind Sie ins Theater gegangen?
Das war der Moment des großen „Wow“! Als ich das Theater sah, das größer, berührender und mächtiger war, als das, was wir daheim gespielt haben. Von da an habe ich gewusst, was ich machen will, dieser Wunsch hat mich nicht mehr losgelassen.


Und Ihre Eltern waren einverstanden?
Es gab nicht so viel Verständnis für Kunst, das kann einen als Kind schon sehr einsam machen. Ich weiß auch nicht mehr, ob meine Eltern meine Sehnsucht nach dem Theater am Anfang so ernst genommen haben.


Sie spielen teilweise extreme Rollen, nicht nur in „Ich seh Ich seh“, Sie waren in „Mörderschwestern“ von Peter Kern über die Morde von Lainz zu sehen – und derzeit drehen Sie eine TV-­Serie, in der Sie ein böses Burgfräulein verkörpern.
Mein Beruf ist eben die Verwandlung. Roland Suso Richter dreht für Bavaria und die ARD „Marthes Geheimnis“ nach dem Bestseller „Das Geheimnis der Hebamme“, aber böse ist das Burgfräulein, das ich spiele, nicht. Das ist eine Mutter mit einem kranken Kind, die medizinische Betreuung im Mittelalter war schlecht, Franz Xaver Kroetz spielt meinen Mann, er ignoriert die Probleme mit dem gemeinsamen Kind, und die Frau will einfach alles tun, um das Kind zu retten. Aus heutiger Sicht ist sie vielleicht intrigant, aber Frauen damals hatten ja kaum Möglichkeiten, selbst zu bestimmen, also kann sie nur versuchen, hinten herum zu agieren.


Und wie sind die Dreharbeiten? 
13-Stunden-Drehtage in alten Gemäuern, in denen es eiskalt ist. Aber ich habe das Glück, lustige Kollegen zu haben, an den Orten, an denen wir drehen, ist ja nichts los, aber wir sitzen abends zusammen, es ist eine schöne Arbeit, sehr intensiv. Mit Franz Xaver Kroetz habe ich schon einmal gearbeitet, wir haben zusammen im Theater in der Josefstadt 2007 in Schnitzlers „Der Ruf des Lebens“ gespielt.


Kroetz hat den Ruf, dass er eher schwierig ist. 
Ich mag ihn sehr. 


Welche Männer gefallen Ihnen?
Ich bin seit vielen Jahren ein großer Fan von Ron Perlman („Hellboy“, „Drive“, „Pacific Rim“), Ron Perlman würde ich sofort heiraten, leider ist er schon verheiratet.


Sind Sie eine Träumerin?
Teils teils. Träumen ist in meinem Beruf gut und wichtig, aber ich habe auch eine starke Erdung.

Tipp

„Ich seh Ich seh“ von Veronika Franz und Severin Fiala mit Susanne Wüst, Lukas und Elias Schwarz (die Zwillinge), läuft am 9. Jänner 2015 in Österreich an.

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