Jessica Chastain: „Ich hatte nie einen Plan B“

(c) Alamode Film
  • Drucken

Eine Alternative zur Schauspielerei gab es für Jessica Chastain nie. Als Strindbergs Fräulein Julie ist sie demnächst im Kino zu sehen.

Jessica Chastain galt lange Zeit in Theaterkreisen als Geheimtipp. Doch das änderte sich schlagartig mit dem Film „Tree of Life“ von Terrence Malick. Fortan wurde
die rothaarige Kalifornierin mit dem klassisch eleganten Gesicht mit Rollenangeboten überschüttet. Sie ist seitdem neben Schauspielgrößen wie Al Pacino, Helen Mirren, Ralph Fiennes und Brad Pitt zu sehen. In dem Drama „Fräulein Julie“ von August Strindberg, das Liv Ullmann für die Leinwand adaptiert hat, spielt sie die Hauptrolle. Auf dem Filmfest in Toronto trifft das „Schaufenster“ sie zum Interview in einem zum Club umgebauten Fabrikloft im Unterhaltungsviertel Downtown. Jessica Chastain überrascht mit authentisch offener Herzlichkeit, die vielen Filmstars in ihrer Liga abhanden gekommen ist.

Warum ist das Stück „Fräulein Julie“ von August Strindberg noch so aktuell, dass man es heute noch einmal verfilmen muss?
Wenn man einen Text hat, der so tiefgründig und vielschichtig ist, dann entsteht im Lauf der Jahre so eine Art Schwesternschaft von Schauspielerinnen, die diese Rolle spielen. Und mit jeder Frau, die diese Rolle spielt, lernt man etwas Neues über die Figur. So bleibt das Stück von Strindberg immer spannend.


Erzählen Sie uns über die Arbeit mit Regisseurin Liv Ullmann.
Es macht für mich keinen Unterschied, ob nun ein Mann oder eine Frau Regie führt. Da Liv aber selbst als Schauspielerin gearbeitet hat, hat sie eine andere Herangehensweise. Für mich war das Inte-ressanteste an dieser Arbeit, dass ich eine Rolle gespielt habe, die Liv Ullmann selbst nie gespielt hat. Ich hatte die ganze Zeit im
Hinterkopf, wie großartig sie in dieser Rolle gewesen wäre. Ich habe mir ständig vorgestellt, dass ich die Rolle mit ihr zusammen spiele. Das Problem war, dass ich so ein großer Fan von Liv Ullmann bin. An den ersten Tagen dachte ich nur: Das ist Liv Ullmann! Ich war völlig überwältigt. 


Sie zeigen als Fräulein Julie sehr viel Emotion vor der Kamera. Wie emotional muss man dazu persönlich als Schauspielerin sein?
Ich bin definitiv nicht so gefühlsbetont wie Fräulein Julie. Sie hat psychische Probleme, die in einem Zusammenbruch enden. Ich bin ein sensibler Mensch, aber so extreme Emotionen sind mir fremd. Mich interessieren gerade diese Rollen, in denen ich Dinge mache, die mir im wahren Leben nie in den Sinn kommen würden. Aber ich bin auch jedes Mal froh, wenn ich am Ende der Dreharbeiten diesen Charakteren Lebewohl sagen kann. Fräulein Julie war eine sehr anstrengende Rolle. Ich habe mir nach den Dreharbeiten ein paar Monate freigenommen, um mich zu erholen. Einige meiner Charaktere kosten mich viel Energie. Fräulein Julie gehört definitiv dazu.


Für viele bleibt die Bühne ewig ein Traum. Wann haben Sie beschlossen, dass dieser Traum Realität werden muss?
Ich erinnere mich noch sehr genau an diesen besonderen Tag, als mich meine Großmutter zum ersten Mal in ein Theaterstück mitgenommen hat. Ich war damals acht Jahre alt. Sie erklärte mir, dass die Menschen auf der Bühne Schauspieler sind und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Auch ein kleines Mädchen in meinem Alter spielte mit. Und von diesem Moment an wusste ich, dass ich das auch einmal machen will. Ich habe nicht gesagt, dass ich Schauspielerin werden will, wenn ich groß bin, sondern habe es schon als Kind als meine Berufung empfunden. Ich musste einfach spielen. Heute weiß ich, dass ich gar nicht anders kann als zu spielen. 


Was war Ihr Plan B, wenn es mit der Karriere als Schauspielerin nicht geklappt hätte?
Den gab es nicht. Ich hatte nie einen Plan B. Darüber habe ich mir nicht eine Sekunde Gedanken gemacht. Ich habe mich immer nur als Schauspielerin gefühlt, da war kein Raum für andere Überlegungen. Das war sogar der Fall in meiner ersten Zeit in Los Angeles, als mir niemand eine Rolle oder ein Engagement geben wollte. Ich hatte schon damals die Einstellung, meine Zeit nicht damit zu verschwenden, auf Leute zu warten, die mir sagen, dass ich das Zeug zur Künstlerin hätte. Das kann nämlich ein Problem für Schauspieler in der Theater- und Filmindustrie werden.


Wie meinen Sie das?
Viele Künstler warten darauf, dass ihnen andere Menschen aus der Branche erzählen, ob sie gut sind oder nicht. Davon habe ich mich befreit. Du musst selbst an dich glauben, und deinen Weg immer weiterverfolgen. Auch als mich keiner wollte, habe ich an meinen Plänen festgehalten. Jeden Tag bin ich zu meinen Kursen gegangen, ich habe beispielsweise Stunden belegt, um mein Körpergefühl weiterzuentwickeln. Oder ich habe in der öffentlichen Bücherei Shakespeares „Hamlet“ gelesen und mir ausgemalt, wie ich den Part als Frau spielen würde. So etwas habe ich ständig gemacht. Doch ich habe mir nie vorgestellt, wie es wäre, reich und berühmt zu sein. Dieser Aspekt der Schauspielerei hat mich nie interessiert. Es hätte mich auch glücklich gemacht, für wenig Geld am Broadway zu spielen. Meine berufliche Karriere hat sich ja nun doch in eine andere Richtung entwickelt, als ich mir das damals vorgestellt habe. Aber ich wusste, alles wird gut, solang ich meinen Träumen treu bleibe.


Wie haben Sie denn Ihre Miete bezahlt, wenn Sie damals kein Engagement als Schauspielerin gehabt haben?
Ich hatte einen sogenannten Holding Deal mit einem Fernseh-sender, damit verpflichten sie dich, ohne noch genau zu wissen, was sie mit dir vorhaben. Dafür gibt es ein bisschen Geld. Und dann habe ich für die Marke Guess einen TV-Werbespot gemacht, für den ich damals 6000 Dollar bekommen habe. Wenn es sein muss, kann ich echt sparsam sein. Und dann kann ich mit 6000 Dollar richtig lang auskommen.


Sie ernähren sich vegan, verzichten also auf alle tierischen Produkte. Warum haben Sie sich zu dieser Lebensweise entschieden?
Vor acht Jahren bin ich Veganerin geworden. Damals ging es mir gesundheitlich nicht besonders gut, und mein Arzt hat mir deshalb empfohlen, eine Zeit lang auf Fleisch zu verzichten. Es fing mit einer 14-tägigen veganen Diät an. Die ersten Tage nach der Essensumstellung hatte ich zunächst immer Hunger. Aber dann hatte ich einen Energieschub und das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Das war großartig. Als meine Diät zu Ende war, habe ich mir als erstes Risotto und Fisch bestellt, und ich habe mich sofort wieder krank gefühlt. Da habe ich die Entscheidung getroffen, mich fortan vegan zu ernähren. Mir hilft es, denn ich habe einen sehr engen Zeitplan. Und ich habe jetzt viel mehr Energie.


Sie essen nicht nur sehr gesund, Sie praktizieren auch Yoga. Hilft Ihnen Yoga, die extremen Emotionen zu verarbeiten, die Sie vor der Kamera zeigen?
Ja. Ich liebe Yoga. Yoga hilft mir dabei, mich besser konzentrieren zu können. Es ist für mich auch die ideale Form der Entspannung. Deshalb versuche ich so oft wie möglich, Yoga zu praktizieren. Manchmal ist es gar nicht so einfach, einen Kurs ausfindig zu machen. Es hängt immer davon ab, wo ich gerade drehe.


Sie drehen immer wieder an unbekannten Orten und sind oft wochenlang auf verschiedenen Kontinenten unterwegs. Wie schaffen Sie es, sich überall ein bisschen zu Hause zu fühlen und nicht Ihre Mitte zu verlieren?
Ich empfinde das viele Reisen manchmal schon als anstrengend. Für mich gibt es keinen Platz auf der Welt, an dem es so schön ist wie zu Hause. So sehr ich auch meine Arbeit liebe, aber von Zeit zu Zeit gönne ich mir eine Pause. Das ist immer dann der Fall, wenn ich mal wieder in meinem eigenen Bett schlafen muss. Darauf kann ich nur eine Zeit lang verzichten. Ich hätte nie gedacht, dass mein eigenes Bett einmal so wichtig für mich wird.

„Fräulein Julie“

Der Theaterklassiker erzählt von der Liebe zwischen einer Adeligen und einem Diener. Ab 23. Jänner im Kino. www.fräuleinjulie.de

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.