Heerwagen und Rubey: Gangarten

(c) Elsa Okazaki
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Doris Knechts erster Roman „Gruber geht“ kommt nun als Film unter Regie von Marie Kreutzer in die Kinos. Das „Schaufenster“ bat Bernadette Heerwagen und Manuel Rubey zum Fotoshooting.

Ein Sympathieträger ist er – zumindest auf den ersten Blick – nicht gerade, der Johannes Gruber. Ein Projektverantwortlicher in einer Werbeagentur, stets teure Designeranzüge tragend, immer auf Konfrontationskurs, dauernd erpicht auf Kräftemessen und Provokation. Als „die Sollbruchstelle jedes Idylls“ bezeichnet ihn seine Schwester, das ist ihm aber herzlich egal – beziehungsweise entspricht es haargenau der intendierten Außenwirkung. An übertriebenem Harmoniebedürfnis leidet dieser Mann nämlich nicht. Doch dann erkrankt er an Krebs, verliebt sich in die Frau, die ihm nach einer Liebesnacht in einem Zürcher Hotelzimmer den ungeöffneten Diagnosebrief aus dem Wiener AKH vorliest, und verliert die Kontrolle über sein bis dahin wie geschmiert laufendes Leben.

Gruber, der Unberechenbare. Vielen ist dieser John Gruber wahrscheinlich bekannt, denn er ist auch die Hauptfigur in Doris Knechts erstem Roman „Gruber geht“, der nun als Film unter Regie von Marie Kreutzer in die Kinos kommt. Den Gruber gibt in Kreutzers Version Manuel Rubey, der mit der Filmfigur, einem ziemlichen Ekel, das womöglich nicht jeder lieb gewinnt, im echten Leben nicht allzu viel gemein hat. Als etwa beim Fotoshooting die Frage auftaucht, wie Rubey ein Polaroid von Marie Kreutzer in die Kamera halten soll, muss vorher die Frage geklärt werden: Tut er das wie Manuel Rubey oder John Gruber? Letzterer nämlich, wenn er nicht besonders gut drauf ist (oder gerade das falsche Pulver eingenommen hat), könnte am Set schon ziemlich herumzicken oder, warum nicht, das Polaroid wie ein vollgeschnäutztes, patschnasses Taschentuch leicht angeekelt anfassen. Auch in einem bitterkalten Parkhaus in leichter Sommerkleidung zu posieren könnte John Gruber recht schnell zu viel werden. Andererseits wäre es wieder gut möglich, dass er sich für eine Modestrecke mit Coveroption in einem renommierten Magazin streichelweich und zuckersüß geben und alle Beteiligten am Set mit seinem charmanten Wiener Strizzischmäh unterhalten würde.

Völlig ungefiltert. „Um mit einer Figur arbeiten zu können“, sagt Manuel Rubey über seine Rolle in Marie Kreutzers Film, „muss man irgendeine Seite entdecken, die einem an ihr gefällt. Und am Gruber mag ich, dass er so wahnsinnig unösterreichisch ist. Weil er, fast wie ein Tourette-Kranker, die Dinge einfach so herauslassen muss. Er ist überhaupt nicht spekulativ und überlegt sich nicht, ob ein Verhalten ihm schaden könnte oder nicht. Dieses fast kindlich Ungefilterte, und dass er einfach nicht die Goschen halten kann, das finde ich am Gruber beeindruckend. Das würde ich mir gern von ihm abschauen.“

Gerade einem so selbstbewussten und kompromisslosen Typen kommt eine verheerende Krebsdiagnose natürlich besonders ungelegen; sehr ernst scheint er sie zunächst ohnehin nicht zu nehmen. Zu einem Sinneswechsel kommt es erst, als die Therapie nicht so anschlägt, wie von Gruber gewünscht. Und weil er sich der Berliner DJane Sarah, also jener Frau, die er in Zürich kennengelernt hat und mit der er gleich im Bett gelandet ist, dann doch erstaunlich verbunden fühlt. Beide, Gruber und Sarah, werden aus ihrer Lebensnormalität herausgerissen und von Krankheit und Verliebtsein in etwas Unbekanntes, für beide Neues katapultiert. „Bei Gruber“, ergänzt Manuel Rubey, „kann einem auch das Wort ,Fallhöhe‘ in den Sinn kommen. Der Knacks – dass das Selbstbewusstsein nicht mehr so einfach daherkommt, dass die Kraft nachlässt, dass man die eigene Sterblichkeit zu erahnen beginnt – passiert normalerweise früher, aber Gruber ist, als ihn die Diagnose trifft, noch voll im Saft.“

Deswegen wohl und auch, weil so viel Unvorhergesehenes zusammenkommt, das John Gruber ebenso wie Sarah Vogel aus der Bahn wirft, wird hier auch nicht eine Leidensgeschichte erzählt oder die Verwandlung des Protagonisten. „Sowohl die Krankheit als auch die Begegnung mit dieser Frau verändern punktuell etwas,
aber Grubers Persönlichkeit bleibt dieselbe“, so Rubey. „Er kommt nicht auf einmal in Hippieschlapfen daher und sagt: ,Seht her, ich bin jetzt geläutert.‘“ Regisseurin Marie Kreutzer sieht das ähnlich: „Der Film erzählt die Geschichte einer Entwicklung. Es geht in dem Roman stark um die Verlinkung von Krankheit und Verliebtsein – dadurch, dass Sarah, die Gruber zu dem Zeitpunkt kaum kennt, ihm den Brief mit seiner Diagnose vorliest. Insofern ist sie definitiv wichtiger als die Krankheit, die er erst sehr spät zulässt. Sehr lang geht er mit dem Krebs so um, als wäre er einfach eine lästige Angelegenheit, die die Ärzte zu beheben haben: ,Das ist ihr Job, für den sie bezahlt werden.‘“

Dass freilich die Liebesgeschichte, die gegenüber dem Krankheitsverlauf in den Vordergrund tritt, sich so gut entwickelt – auch wenn sie keineswegs ohne Reibungen oder Hindernisse ihren komplizierten Verlauf nimmt –, ist in Anbetracht der ersten gemeinsam verbrachten Momente nicht selbstverständlich. Schließlich mutet Gruber der hübschen Berlinerin Sarah zu, ihm als eine Art Todesengel jene Diagnose zu überbringen, die er mit ziemlicher Sicherheit bereits als Inhalt des Krankenhausbriefs erwartet: „Das ist der erste große Arschlochmoment von Gruber“, findet auch Bernadette Heerwagen, die im Film Sarah Vogel spielt. „Und es ist auch ein erster Test. Von Anfang an zanken sich die beiden ja immer so ein bisschen, und da will er gleich zum ersten Mal wissen, wie sie reagiert.“

Manuel Rubey sieht das als „Teil eines Machtspiels. Es geht zwar sowieso in jeder Beziehung um Machtspiele, aber Gruber ist einer, für den das besonders wichtig ist. Das macht ihn auch so reizvoll: dass er in jeder Situation sofort die Machtverhältnisse abklärt. Und die Frau, die er da trifft, steigt sehr charmant darauf ein. Am meisten gefällt ihm ja anfangs, dass sie ihm Paroli bietet.“

Kontrollverlust. Während Sarah Vogel und John Gruber völlig unvorbereitet auf den Zwischenfall wie das Sich-Verlieben und die schwere Krankheit durch das Leben gehen, haben die an dem Film beteiligten Menschen eine andere (realistischere?) Weltsicht. Der Tod, meint etwa Manuel Rubey in Anlehnung an eine Kurzgeschichte von Somerset Maugham, die er unlängst gelesen habe, komme immer unpassend. „Ich tendiere aber dazu, alle möglichen Fehlerquellen in meinem Leben ausschalten zu wollen – aber das gelingt einem natürlich nie zur Gänze.“ Dazu gehöre es, mögliche Risken zu vermeiden, zum Beispiel nicht übertrieben schnell auf der Autobahn zu fahren, „nicht aus moralischen Gründen, sondern aus Schiss. Aber immer die Kontrolle behalten zu wollen, ist natürlich eh Bullshit.“ In das Schicksal des krebskranken John Gruber konnte Rubey sich einfühlen, weil ein guter Freund in etwa demselben Alter ebenfalls an Krebs erkrankte und geheilt wurde. „Das war noch sehr nah“, sagt er. „Auch ich merke, dass in meinem Familien- und Bekanntenkreis des Öfteren die Krebseinschläge immer näher rücken – also ist das Thema gar nicht weit weg. Und es ist auch absolut nicht so, dass ich mich unsterblich fühlen würde“, sagt auch Bernadette Heerwagen.

Für Marie Kreutzer gibt es ein zentrales Motiv aus dem Film, das sie in ihrem Leben wiederfindet: „Das Thema des Kontrollverlusts hat mich fasziniert, denn genau das ist auch eine Angst von mir. Ich versuche eigentlich immer, alles geordnet zu haben und organisiert zu bleiben, alles zu überblicken.“ Als Regisseurin, die am Set ja ebenfalls alles dirigieren sollte, hat sie also den richtigen Beruf gewählt? „Es ist schon so, dass man irrsinnig viel zusammenhalten muss. Als Regisseurin muss ich in jeder Situation selbst Ruhe ausstrahlen, damit das Team nicht verunsichert wird. Manchmal ist es besser, zu bluffen, wenn man nicht weiterweiß, als aufzugeben.“

Tipp

„Gruber geht“. Der Film von Marie Kreutzer mit Manuel Rubey und Bernadette Heerwagen in den Hauptrollen kommt am 30.1. ins Kino.

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