Fritjof Giese: Auf dem Meer der Ideen

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Der Designer Fritjof Giese schaut in die Ferne. Und sieht Segelschiffe, die schwere Frachten über die Weltmeere transportieren.

F rüher haben die Museen noch vornehmlich die Vergangenheit ausgestellt. In der Gegenwart zeigen sie allerdings auch gern die Zukunft: Wie das Technische Museum in Wien – in der neuen Mobilitätsdauerausstellung „Von A nach B“. Dort gleitet ein Containerschiff über die Meere, das bislang nur in der Computersimulation Wasser gesehen hat: „Cargo Sail“, heißt das Konzept, das schwere Frachten vom Wind über die Ozeane schicken lässt, per Segelschiffe. Und diese hat sich einer als Diplomarbeit an der Universität für angewandte Kunst Wien ausgedacht, der schon vieles vorübersegeln sah, auch weil er selbst aus Schleswig-Holstein stammt: der Designer Fritjof Giese.

In der Holsteinschen Schweiz läuft die kindliche Entwicklung angeblich anders ab. Zwischen Kiel und Lübeck, dort, wo die Eiszeiten viele kleine Seen zurückgelassen hat, „lernt man zuerst segeln, dann laufen“, sagt Fritjof Giese. Vor ein paar Jahren ist er in Wien an Land gegangen, auf einer Insel im Donaustrom, der Leopoldstadt in Wien. Dort grübelt und werkt er im Kollektiv von Madame Mohr, einem Verbund von Gestaltern mit individuellen Kompetenzen zwischen Design und Architektur, das in der Großen Mohrengasse seinen Anker ausgeworfen hat.

Von Zeit zu Zeit tragen Giese Flugzeugflügel ans Meer – oder zumindest an die Elbe nach Hamburg. Schließlich gibt es dort einiges zu besprechen, auf Schiffahrtsmessen oder an der Technischen Universität. Das „Cargo-Sail“-Konzept soll ja auch einmal tatsächlich zu Wasser gehen, damit die Segel die neuen Flügel der Containerschifffahrt sind. Strömungstechnisch, das ist die Überraschung für den Laien, sind Flügel und Segel ja ohnehin schon längst Geschwister. Es ist ja hauptsächlich der Unterdruck, der Segelschiffe ihrem Heimathafen entgegenzieht. Vor allem, wenn sie nah an der Küste und quer zu den thermischen Winden unterwegs sind.

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Zukunft. Und genauso so könnten die schweren Containerschiffe auf dem Meer in Richtung umweltschonende Zukunft steuern. Zurzeit ziehen sie noch dunkle Rauchschwaden über die weiten Horizonte, weit entfernt von der öffentlichen Wahrnehmung. Auf offener See mit viel frischer Luft drumherum, verheizen die Schwerlastschiffe Schweröl – die schmierigen Reste, die bei der Benzin- und Dieselherstellung angefallen sind. „Ein solches Schiff verbraucht in der Stunde fast 60 Tonnen Schweröl“, erzählt Giese. Und mindestens 1000 aus dieser gewichtigen Schiffskategorie kreuzen gegenwärtig auf den Weltmeeren. Und das vor allem entlang jener großen Containerrouten, auf denen sich der Frachtverkehr schon immer bewegt hat. Ganz einfach, weil er den günstigsten Windrouten gefolgt ist, auf denen sich die Schiffe am effizientesten über den Planeten ziehen und treiben lassen konnten.

Die großen Häfen, in denen heute die Schiffe die Ladung löschen, liegen noch immer dort. Der logische Schluss für Giese: Frachtschiffe könnten doch wieder die Segel setzen. Nur dass das heute statt einer ganzen Mannschaft der Computer übernehmen würde, der hydraulische Systeme steuert. „Wir können wieder den Wind als Antrieb verwenden, schließlich hat das auch über Jahrhunderte funktioniert“, sagt Giese. Man müsse nur, ähnlich wie bei den Windmühlen, den Archetypen der modernen Windkraftanlagen, ein altes Prinzip hoch technologisch updaten. Bis „Cargo Sail“ tatsächlich zu Wasser gelassen wird, müssen jetzt noch ein paar Hirne technische Details beforschen. Doch Fritjof Giese hat in seinem Konzept ohnehin schon sehr weit gedacht, viele Fragezeichen gar nicht erst aufkommen lassen: „Zu 90 Prozent wollen wir den Wind als Antrieb benutzen, und für die Hafenfahrten einen zusätzlichen Antrieb benutzen.“ Wenn gesegelt wird, könnte die Schiffsschraube zumindest für den Betriebsstrom sorgen. Und „teleskopierbare Masten“, meint Giese, „dafür, dass auch die bestehenden Ladeanlagen in den Häfen genutzt werden können“. Auch unter Wasser werden gerade noch Gestaltungsfragen geklärt: Schließlich benötigen Schiffe, die der Wind antreibt, auch segeltüchtige Rümpfe. In jedem Fall brauchen Reedereien baldigst Alternativen, denn inzwischen müssen sie – von der Politik verordnet – nicht nur Häfen, sondern bald auch definierte Umweltziele erreichen.

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Maritimes Design. Jachtdesign, erzählt Giese, habe ihn schon immer gereizt. Nun sind es weniger elegante Schiffe, die seinen Enthusiasmus befeuern. Selbst wenn er in Wien zurzeit auch andere Dinge entwirft oder als Production-Designer die Welten von Werbefilmen ausstattet – das Meer hat ihn gestalterisch nie losgelassen: Auch eine Rettungsweste hat er im Rahmen seines Industrial Design Studiums in Wien bereits konzipiert, eine, die eher ein Gürtel ist und nicht quietschorange ästhetisch gleich nach „Notfall“ schreit. „40.000 Menschen ertrinken jährlich“, hat Giese recherchiert. Die meisten davon, „wenn sie privat Wassersport ausüben“. Und manche davon auch aus Eitelkeit. Denn Schwimmwesten sind noch keine Sonnenbrillen, die schützen und sich zum modischen Selbstläufer entwickelt haben. „Air Rope“ soll Funktion und Ästhetik miteinander verbinden, sodass man den Rettungsgürtel auch anlegt, wenn die Sonne lacht und man mit nacktem Oberkörper an nichts Böses denkt.

Tipp

Design auf dem Meer. Mehr zu den Projekten und Konzepten von Fritjof Giese erfährt man auf den Homepages
cargosail.fritjofgiese.com und airrope.fritjofgiese.com. Die neue Dauerausstellung im Technischen Museum, „Von A nach B“, die sich dem Thema Mobilität widmet, zeigt auch das Konzept von „Cargo Sail“.

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