Auch Wörter können sprechen. Denn da schwingt etwas mit. Schriftdesigner formen die visuelle Stimme dazu.
15.01.2019 um 23:45
Buchstabenexzentriker. Practice + Theory nennt Andreas Pohancenik sein Designbüro in der Wiener Gärtnergasse im dritten Bezirk. So manche Ausstellung hat er schon mit Buchstaben versehen, im Raum sowie im Katalog, oft mit eigens dafür angefertigen Schriften. Auch selbst hat er schon öfters ausgestellt: vornehmlich Buchstaben. Renommierte Typografen ließ er etwa Wörter gestalten, die vom Aussterben bedroht sind, „The Art of Lost Words“ hieß das Projekt in London. Ein anderes Mal spielten sich Zürcher und Wiener Schriftgestalter die Bälle und selbst designte Buchstaben zu. Da ließ Pohancenik dem dänischen ǿ eines Scheizer Designerkollegen prompt einen Bart wachsen (siehe Bild). Auch Wienerisch kann man noch origineller palavern im Wienerischen Schriftdesign: Für die Schrift Vienna Remixed hat Pohancenik Merkmale Wiener Bauepochen extrahiert, um sie dem Schriftbild gestalterisch zu injizieren. practiceandtheory.co.ukProduktion und Text: Norbert PhilippFotos: Christine Pichler
(c) Christine Pichler
Das A mag Martina Lechner besonders gern. Weil es auch so „aaaahhh“ entspannt. In ihrem Grafikstudio in der Schottenfeldgasse in Wien hängt trotzdem das T. Als Initial für Tina Grafikstudio, früher war es der letzte Buchstabe von Nachtschicht und hing über den Köpfen der Türsteher einer Wiener Diskothek. Jetzt gehen die 64 Glühbirnen nur noch für Tina an, wenn sie als Grafikdesignerin ihre gestalterischen Ideen verwirklicht, verbildlicht und verschriftlicht. Mit Fonts wie ihrer liebsten, der Ainslie aus Australien. Oder auch mal mit der eigenen Handschrift, wie für Sujets der Diversity-Kampagne der OMV, oder wenn durch ihre illustrierten Buchstaben der Punsch für das Wiener Museumsquartier fließt. Lechner liebt Buchstaben, wenn sie sich schön weich mit alten Druckmaschinen auf die Visitenkarten drücken. Aber auch, wenn sie in den Layouts sanfte Untertöne mitschwingen lassen. www.tinagrafikstudio.at
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„Ich kann gut auf Leitern stehen“, sagt Grafikdesignerin und Illustratorin Elvira Stein. Auch, weil sich andere gerne ihre Handschrift ausborgen, um die eigenen Lokale samt Wände zu beschriften. Handgemachte Dinge mit handgemachtem Schriftdesign: Wenn etwa die Bäckerei Joseph in Wien ein neues Weckerl in die Vitrine legt, schreibt Stein ganz persönlich das Namensschild dazu. Auch Restaurants tauschen inzwischen gerne Wandfarbe gegen Tafellack und lassen lieber Schriftgestalter statt Kellner das Wochenmenü pinseln. „Ich mag gern Buchstaben, die man zeichnen kann, ohne abzusetzen“. Wie etwa auch das mit Tusche handgepinselte S (siehe Bild). Aber auch das „kaufmännische und“ (&), insbesondere kursiv gesetzt, hat es ihr angetan. Als Grafikdesignerin rückt sie auch im Internet die Pixel an die richtigen Positionen, ihr illustriertes Tagebuch ist längst digitalisiert, doch „nur die Handschrift drückt wirklich die Persönlichkeit aus“. www.elvirastein.com
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Das Designduo Vandasye, Georg Schnitzer (links) und Peter Umgeher mögen Buchstaben. Wenn sie sich tiefgründig aneinanderreihen. Und wenn sie auch mal ganz oberflächlich betrachtet zu Bildern werden, zu ikonischen Zeichen also. Dann ist ein I im öffentlichen Raum auch mal das Eisstanitzel, der I-Punkt darauf die dreigupfige italienische Tricolore. Wie hier in der Wiener Westbahnstraße. Eine simple Idee, das gefällt den Designern. „Ein wunderbares Hybrid“, sagt Schnitzer. Dafür semiotisch komplex. Vandasye sind Produkt- und Grafikdesigner zugleich, sie formen Objekte, sie formen Buchstaben. Auch indem sie Bilder so biegen und morphen, dass sie erst Buchstaben werden. So haben sie es auch schon für eine Kolumne der New York Times gemacht. Oder für eigene Broschüren, bei denen sie auch gern vom Layout bis zum I-Punkt alles aus eigener Hand gestalten. Mit eigener Schriftkreation aus Pixelpunkten etwa, die sie Monaco Screen genannt haben. www.vandasye.com
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I-Tüpfel-Reiter gehen gerne ins Detail. Die Typejockeys (von links nach rechts: Praktikant Simon Liesinger, Stephan Kirsch, Anna Fahrmaier, Michael Hochleitner und Thomas Gabriel) nehmen es auch gerne genau: Monatelang reiten sie auf Details herum, bevor sie Schriften, die sie gestalten, auf die Wortschätze der Welt loslassen. Manche wirken wie aus Zuckerwatte auf Coney Island geformt. Andere wie mit Rollschuhen in den 50er-Jahren gezogen. Doch auch strengere Typefaces haben die Typejockeys im Repertoire: wie Ingeborg, eine Schrift, die die Augen der Leser freundlich bei der Hand nimmt. Michael Hochleitner zeigt ein rotes a der Gill Sans, eine charakterstarke Schrift, wie er sagt, mit „teilweise absurden Formen“. Thomas Gabriel umarmt die Egyptienne, weil: „Plakativer war im 19. Jahrhundert keine.“ Und Anna Fahrmaier hält die gelbe 4 in Form der Eigenentwicklung Henriette. www.typejockeys.at
(c) Christine Pichler
Schriftdesigner
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