„Sommernachtstraum“: Das blühende Leben

(c) Martin Stöbich
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Während der Proben zum „Sommernachtstraum“ im Volkstheater legen Annette Isabella Holzmann und Patrick O. Beck sommerliche Kleidung an.

„Ich bin hässlich!“, schreit es aus Annette Isabella Holzmann, alias Zsófi, in dem Stück „Haben“. Und auch im „Sommernachtstraum“, den die Schauspielerin zurzeit mit ihrem Kollegen Patrick O. Beck im Volkstheater probt, kommt ihre Figur nicht unbedingt gut weg, wenn Demetrius, nicht ganz Charmeur, meint: „Mir ist schon übel, blick ich nur auf dich.“

Jetzt steht sie freilich gerade gemeinsam mit Beck vor der Kamera, und die beiden diskutieren, warum gerade sie für dieses Shooting im Volkstheater ausgewählt wurden. „Wahrscheinlich, weil wir derzeit den ,Sommernachtstraum‘ proben“, meint Beck, und Holzmann setzt nach: „Und wir so sommerlich ausschauen – wie das blühende Leben morgens um halb zehn.“ Beide lachen, während Holzmann ganz unprätentiös Zahnpasta auf ihren Zeigefinger gibt und sich noch schnell die Zähne poliert. Sie ist offenbar gut ausgerüstet, immerhin ist sie seit zehn Jahren Ensemblemitglied.

Alterslose Erscheinung. Die – wenn auch klischeehafte – Einschätzung, Schauspieler litten an einer gewissen Eitelkeit, dringt hier jedenfalls nicht durch, selbst wenn Beck zu verstehen gibt, dass Eitelkeit in diesem Beruf zugegebenermaßen doch eine Komponente sei – die es allerdings gelte „immer wieder wegzuschmeißen. Die tatsächliche Eitelkeit steht einem im Weg. Das ist uninteressant. Interessant wird es, wenn man sich nur auf die Figur freut, die man da entstehen lässt. Auch wenn sie potthässlich ist – dann leuchtet das schon.“ Dem Leuchten darf natürlich gerade bei einem Shooting nebenbei ein bisschen nachgeholfen werden, und so sitzen Holzmann und Beck über eine Stunde in der Maske, bevor das erste Foto entsteht. Genug Zeit, noch etwas weiter in die Materie vorzudringen. „Das Altwerden ist in dem Beruf eher als Schönheit ein Thema“, meint Annette Isabella Holzmann. „Dass man ab einem gewissen Alter das Gefühl hat, nicht mehr zu entsprechen. Wobei ich ja finde, dass man in dem Beruf sehr gut alt werden kann. Man ist im Theater irgendwie immer gleich alt, eben weil man die Möglichkeit hat, mit seinem Aussehen zu spielen, es zu verändern. In ,Haben‘ ist meine Figur zum Beispiel 19. Ich kann aber auch eine Frau spielen, die 45 ist. Man sieht aus, wie man aussieht, aber man hat die Möglichkeit, sich zu verändern. Das finde ich das Schöne.“ Schön, vielleicht gerade, weil nicht auf 19 geschminkt, entlässt die Maskenbildnerin auch die beiden aus der Garderobe zur ersten Location, dem Treppenaufgang zum Balkon. Das Kleid sitzt perfekt und wirft die Frage auf, wie wichtig neben der sommerlichen Ausstrahlung die passende Bikinifigur ist. Ab jetzt herrscht jedenfalls absolutes Kaffee- und An-der-Wand-anlehn-Verbot. Man weiß ja nie, bei so einem weißen Louis-Vuitton-Kleid.

Vom Bühnenraum dringt derweil leise das Geklimper eines Klavierstimmers in die obere Etage des Treppenhauses. „Das ist ungewohnt, hier oben bin ich eigentlich nie“, meint Holzmann beim Betrachten der Schauspielerfotos, die hier überall an den Wänden hängen. Sie selbst und Beck sind ebenfalls zahlreich vertreten. Ob die beiden Wien als Theatermetropole des deutschen Sprachraums sehen, beantwortet Holzmann, ohne zu überlegen: „Absolut. Für mich als Schauspielerin ist es toll, in Wien zu sein. Man fühlt sich auch nicht deppert, wie zum Beispiel in Berlin, wo man als Schauspielerin den Zweitberuf gleich mitsagen muss.“ Und doch, ergänzt Beck, sei das auch mit einem gewissen Druck verbunden: „Die Dichte an guten Schauspielern ist in Wien sehr hoch. Es gibt in Wien auch eine große Tradition, an der man immer irgendwie gemessen wird. Mit der man auch ständig brechen muss.“ Eine Tradition, auf die das Volkstheater als eines der größten deutschsprachigen Sprechtheater seit immerhin über 120 Jahren blicken kann. Und doch halten beide fest, dass die Theaterstadt Wien auch von der freien Szene lebe und hier ein ständiger Austauschprozess passiere.

Beck, der in seiner 14-jährigen Schauspielkarriere 13 Jahre als festes Ensemblemitglied im Burg- und Volkstheater engagiert war, sieht sich in seiner Profession als Schauspieler dort auch mehr verwirklicht. „Ich muss mich nicht darum kümmern, dass das Haus voll wird, obwohl gerade die Fußballweltmeisterschaft läuft, ich brauche keinen Laster zu fahren, um dann selbst das Bühnenbild aufzubauen. Ich kann mich ganz auf meinen Beruf konzentrieren, auf das Spielen, das Proben. Man hat in der freien Szene einfach andere Kämpfe auszustehen. Auf der anderen Seite braucht es die gesunde Opposition in der freien Szene, die vielleicht auch ästhetisch manchmal mehr die Avantgarde ist.“ Möglicherweise, fügt er hinzu und begibt sich für die nächste Aufnahme in den Zuschauerraum.

Das Geklimper vom Klavierstimmer, das schon seit den Morgenstunden dumpf durch die Wände in den Treppenaufgang dringt, schallt nun endgültig und unbarmherzig auf uns ein. Wilhelm Buschs „Neues Klavier hat ungeborenen Lärm im Leibe“ scheint auch auf ein noch zu stimmendes altes Klavier zuzutreffen. Holzmann scheint die Einzige zu sein, die sich nicht daran stört und
in der letzten Reihe sitzend fast verzaubert Richtung Bühne schaut: „Ich sitze da so gern, von hier sieht man die ganze Schönheit des Theaters. Auch, weil man dann so richtig Lust bekommt, auf der Bühne zu stehen.“

Versöhnliche Sonate. Ebendorthin zieht es jetzt auch Beck, der die (lang ersehnte) Kaffeepause des Lärmverursachers nutzt, um die Anwesenden mit einer Sonate wieder mit dem mittlerweile verhassten Klavier zu versöhnen. Auch abseits der Volkstheaterbühne probiert sich der Schauspieler gern als Musiker. Mit seiner Band Digitale Immigranten, die aus Zeitgründen gerade etwas auf Eis liege, untersuche er gemeinsam mit seinen Bandkollegen die Untiefen des Wiener Unterbewusstseins. Dass gerade ein Deutscher die Wiener Seele zu erklären sucht, ist für Beck nur logisch. „Ich lebe doch schon lang hier, und da beschäftigt man sich natürlich mit diesem speziellen Schmäh, der sich aus vielen – scheinbar  – negativen Punkten ergibt.“ Mittlerweile ruft der Fotograf zum nächsten Stelldichein und fordert einen uninteressierten Blick in Richtung Zuschauerreihen. Hat man eigentlich auch Angst vor dem Publikum? Beide überlegen kurz, bevor Holzmann meint: „Angst nicht, eher Ehrfurcht.“ Angst brauchen die beiden auch nicht zu haben, immerhin verrät der Chefredakteur im Vorübergehen augenzwinkernd dann doch noch die Auswahlkriterien für das Shooting: Talent, Erfolg, Esprit und natürlich Schönheit. „Schreib das auf!“, ruft Holzmann und lacht. Wird gemacht.

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