Die Buchmacher

(c) Christine Pichler
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Vom Gedanken zur papierenen Patina: Ehe Bücher im
Antiquariat landen, gestalten Menschen ihre Lebensgeschichte
mit kreativen Ideen und geschickten Händen.

Früher hat man Inhalte noch am liebsten ausgerollt. Lang bevor die Idee von Buchbindung und Buchdruck überhaupt entstand. Heute scrollt man meist dem „Content“ entlang im Internet nach unten. Doch auch heute entstehen noch Bücher, die dereinst im Antiquariat landen werden, gestaltet, gefertigt und gebunden mit den Ideen und der Leidenschaft von Menschen, die Bücher lieben.

Buchgestalter suchen nach neuen Ideen, wie sie Inhalte in passende materielle Formen bringen könnten. Manchmal sogar in der digitalen Gegenwelt, wie die Buchdesignerin Gabriele Lenz meint: „Es ist spannend, wenn man die Logik und die Strukturen der digitalen Gestaltung in den analogen Bereich überträgt.“

Bücher aus ihrer Ideenwerkstatt sind schon zu den „Schönsten Büchern Österreichs“ gekürt worden. Oder gar zum „Schönsten Buch aus aller Welt“. In ihrem Atelier im sechsten Wiener Bezirk forscht sie, wie sich Papier oder Drucklack verhält. Auch wenn die Sonne wochenlang darauf scheint. Für ein Buchprojekt hat sie sich das Vergilben sogar ausdrücklich gewünscht: „Es war allerdings sehr schwer, ein Papier zu finden, das überhaupt noch vergilbt“, erzählt Lenz.

Bei ihr ist es wie überall, wo Bücher sind: Die Welten treffen sich. Jene von Leser und Autor. Aber auch jene von zwei- und dreidimensionaler Gestaltung. Gestalter wie Lenz greifen auch gleichzeitig weit zurück in handwerkliche Traditionen und weit nach vorn in innovative Materialtechnologien. Manche Bücher müssen schlichtweg typografisch funktionieren, andere sollten größere gestalterische Anforderungen erfüllen, Künstler- oder Architekturbücher etwa. „Dabei muss man immer die Frage berücksichtigen, wie man den Entwurf schlussendlich auch auf die Produktionsstraße bringt“, sagt Lenz. Auch diese Überlegung wird Teil des Unterrichts sein, wenn Gabriele Lenz ab Herbst erstmals den Lehrgang für Buchgestaltung an der New Design University leitet. Dann dürfen die Teilnehmer auch gern, wie Lenz es tut, die gestalterischen Konventionen infrage oder auch radikal auf den Kopf stellen.

Analoges Werkstättenflair. Genau das, was ein Buch klassischerweise ausmacht – ein Buchrücken, eine offene Flanke zum Blättern, ein Buchdeckel, ein viereckiges Format – wird in der Abteilung Buchkunst der Universität für angewandte Kunst mitunter ad absurdum geführt. Es ist eine erstaunlich analoge Werkstatt, in der Andrea Frankl und Ludwig Stumptner Studierenden das Arbeiten mit Papier näherbringen. Hier wird genäht, gepresst, geprägt.

„Das einzige elektronische Werkzeug ist eine Schneidemaschine für besonders dicke Stapel Papier.“ Die Abteilung Buchkunst steht Studenten aller Fachrichtungen offen. Da entsteht ein streichholzschachtelgroßes Synonyme-Daumenkino mit dem Titel „Um nicht zu sagen super“ genauso wie ein mittelalterliches Beutelbuch oder ein handgeschöpftes, geteertes und mit Federn verbundenes Leporello. Andrea Frankl zeigt etwa , wie man goldene Linien prägt, „mit altem, richtig stinkendem Eiweiß“ wird Blattgold in zuvor gezogene Rillen aufgetragen.

Papierpatina. Auch im Antiquariat Schaden in der kleinen Sonnenfelsgasse sind mitunter Einbände mit güldener Prägung zu finden – diese freilich sind nicht mehr ganz taufrisch. Seit den 1950er-Jahren im Familienbesitz, hat das Antiquariat miterlebt, wie das Internet den Handel ziemlich verändert hat, die Bücher sind online aufrufbar, werden international verkauft. Und noch etwas hat sich entwickelt, sagt Karin Schaden, die Enkelin des Firmengründers: „In der Antiquariatsbranche gibt es nicht mehr nur alte Männer mit weißen Bärten.“

Sie selbst ist das beste Beispiel für diese These. Schaden glaubt, dass Bücher – um das Interesse am Buch an sich am Leben zu erhalten – wieder schöner werden müssen, „das kann doch nicht so schwer sein“. Die Kundenstruktur des Antiquariats ist heterogen. Es gibt Russen, die stapelweise, etwa nach dem Kriterium Ledereinband mit Gold, kaufen. Und es gibt solche, die „sehr speziell sammeln, zum Beispiel Bücher über Uniformknöpfe zwischen achtzehnirgendwas und neunzehnhundert“, und diese Kunden seien doch tendenziell eher weißbärtig.

Mit Liebhabern von alten Büchern hat auch Helmut Fritz häufig zu tun: Er ist Besitzer eines in zweiter Generation geführten Buchbinder-Familienbetriebs in Wiens drittem Bezirk. Zu seinen wichtigsten Kunden zählen zwar Bibliotheken, Archive und Anwaltskanzleien, daneben kommt er aber mit Liebhabern besonderer Bücher in Kontakt. „Oft haben diese in erster Linie einen ideellen Wert – alte Kinderbücher, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, binde ich oft neu“, erzählt Fritz. „Oder auch das Kochbuch der Großmutter, das unbedingt weiter seinen Dienst tun soll.“ Manchmal gilt es, sorgsam eine Bindung zu erneuern oder einen Buchrücken neu anzukleben – ein Restaurator ist er freilich nicht: „Diese verfügen über ganz andere Werkzeuge als ich.“

Natürlich trägt Helmut Fritz aber auch dazu bei, dass neue Literatur entsteht. Auf der einen Seite handelt es sich da um Diplomarbeiten und Dissertationen, die von etwas anspruchsvolleren Absolventen zu ihm gebracht werden, weil sie sich ein spezielles Material oder eine besondere Prägung wünschen. „Letztens hatte ich aber auch eine Dame hier, die sich von einem Ghostwriter ihre Lebensgeschichte hatte aufschreiben lassen – das gibt es ja heute im Internet zu buchen. Sie hat sich dann dafür interessiert, wie sie diese Biografie als Buch binden lassen könnte.“ Auch eine Facette der Buchgestaltung – das Innere wie das Äußere betreffend.

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