Glanz & Gloria mit David Bailey

(c) David Bailey
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Seine Bilder machten Menschen zu Stars: Noch bis Anfang Juni sind Arbeiten des Fotografen David Bailey in Mailand zu sehen.

Eine junge Frau mit kurzen blonden Haaren, pechschwarzem Eyeliner, Angora-Pulli und Bleistiftrock kniet zwischen Laubblättern in einem Fotostudio vor einem ausgestopften Eichhörnchen, die Lippen zum Kussmund gespitzt. Die Aufnahme für eine Modekolumne, die 1960 in dem Londoner Tagesblatt „Daily Express“ veröffentlicht wurde, gab David Baileys Karriere als einem der prägenden Modefotografen der Sechzigerjahre den Startschuss. Das Bild weist schon die typischen Merkmale seines fotografischen Stils auf: die geometrische Nutzung des Körpers in der Bildkomposition, den starken Kontrast und eine Aura von zwangloser Coolness. Ein paar Monate nachdem das Foto erschien, hatte Bailey einen Vertrag als Fotograf bei der britischen „Vogue“ in der Tasche. Er war einer der ersten Modefotografen, der Models in realistischen Körperhaltungen und in natürlichem Licht fotografierte und sie nicht wie etwa Irving Penn oder Cecil Beaton zu statuenhaften Halbgöttinnen in starren Posen stilisierte.

Treffpunkt des Swinging London. Binnen weniger Jahre wurde der rotzige, gut aussehende Bailey selbst zum Star. Michelangelo Antonioni, der Meister des Neorealismus, ließ sich für die Hauptfigur seines Films „Blow-up“ (1966) von dem aus der Hüfte schießenden Weiberhelden Bailey inspirieren und setzte ihm damit ein cineastisches Denkmal. Baileys Studio wurde zu einem Treffpunkt der Londoner Popszene, in dem sich Promis wie Mick Jagger, Marianne Faithfull, Rudolf Nurejew, Jean Shrimpton, Vidal Sassoon, David Hockney und Michael Caine die Klinke in die Hand gaben. Im Jahr 1965 veröffentlichte Bailey das Resultat dieser Studiosessions in der heute als begehrtes Sammlerstück geltenden Publikation „Box of Pin-ups“, einer quadratischen Schachtel mit 36 Bildern von seinen bekannten Freunden. Die vor einem schlichten weißen oder dunklen Hintergrund aufgenommenen Porträts sind längst Kult geworden und stehen heute sinnbildlich für den unbekümmerten britischen Lifestyle der Sechzigerjahre. Gemeinsam mit seinen Fotografenkumpels Terence Donovan und Brian Duffy prägte David Bailey das Image der Swinging Sixties in London, als die Modewelt die Jugendkultur entdeckte und Trends aus der Carnaby Street und Kings Road bis nach Paris ausstrahlten.

Die Ausstellung „Stardust – David Bailey“, die erstmals in der National Portrait Gallery in London gezeigt wurde und nun unter der Schirmherrschaft des italienischen Luxuslederwarenlabels Tod’s bis zum 2. Juni im Mailänder Padiglione d’Arte Contemporanea gastiert, zeigt über 300 Bilder aus dem Œuvre von Bailey. Der Ausstellungstitel „Stardust“ lässt es erahnen: Die Ausstellung liefert eine Hagiografie der Stars und Sternchen, die seit den Sechzigerjahren die Popkultur, Mode, Kunst und Filmwelt gestaltet haben: Von den Rolling Stones und Andy Warhol bis zu Diana Vreeland und Grace Jones haben sie alle für Bailey posiert. Der Ausstellungstitel impliziert gleichzeitig, dass sich Bailey selbst als „Starmaker“ sieht, wie er einmal von einer britischen Illustrierten genannt wurde – als einer, der es vermag, Leute in Stars zu verwandeln.

Weniger bekannte Facetten. Die Ausstellung zeigt aber auch Bilderserien, die möglicherweise aufgrund Baileys Status als Sixties-Superstar eher im Verborgenen blieben. Die zwischen 1961 und 1962 im Londoner East End aufgenommenen Bilder verraten genauso viel über seine Herkunft aus dem Arbeitermilieu wie über die frühen künstlerischen Einflüsse auf Baileys Schaffen abseits der Modemagazine. Die Fotos von Cockney-Charaktergesichtern in den Box-Clubs, Pubs und Cafés von Whitechapel, Shadwell oder Bethnal Green erinnern an die sozialdokumentarischen Fotografien des Amerikaners Robert Frank und an die urbanen Topografien der Großstadtromantiker Arthur „Weegee“ Fellig und William Klein, jedoch auch an den Wegbereiter des Fotojournalismus, Henri-Cartier Bresson. Neben der Mode- und Porträtfotografie hegte Bailey stets auch andere künstlerische Ambitionen. Das Gegenstück zu seinen Glamourfotos sind die von einem romantisierenden, ethnografischen Blick durchdrungenen Aufnahmen seiner Reisen, etwa nach Indien oder in den Sudan.

Trotz seiner Abstecher in die dokumentarische „National Geographic“-Ästhetik war und bleibt Bailey vor allem ein geschätzter Porträtfotograf, getrieben von einem unerschöpflichen Interesse am menschlichen Antlitz. Auch an jenem seiner vierte Frau, Catherine, die er als mysteriöse Fremde oder viktorianische Schönheit genauso ablichtete wie als verträumte Mutter. Zu den ausdrucksstärksten Bildern in der Ausstellung zählen die vielen Aufnahmen von seinen Fotografenkollegen. Die Bilder sind das Resultat eines intimen Dialogs zwischen Gleichgesinnten: Helmut Newton grinst am Strand von Cannes an der Seite von Jerry Hall in die Kamera, Cecil Beaton singt vergnügt, Ansel Adams sitzt gelassen auf einem Gartenstuhl, von Man Ray sieht man nur sein wachsames Auge und das von Falten zerfurchte Profil.

Tipp

„Stardust“. Letzte Gelegenheit, zum Beispiel für Expo-Urlauber: Das Museum Padiglione d’Arte Contemporanea (PAC) in Mailand zeigt noch bis 2. Juni die Ausstellung „Stardust“ des britischen Fotografen David Bailey. Hauptsponsor der Ausstellung ist Diego della Valles Luxus-Flagschiff, die Marke Tod’s. www.pacmilano.it

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