Mysterium Mads Mikkelsen

(c) Anders Overgaard
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Ein Besuch bei Mads Mikkelsen am Filmset und ein Gespräch mit dem dänischen Star über seine Anfänge als Tänzer und Pokern mit 007.

Zu Besuch am Set von „Men & Chicken“, dem neuen Film mit Beteiligung des dänischen Weltstars Mads Mikkelsen: Das verwilderte Gelände von Beelitz-Heilstätten bei Potsdam hat eine lange Geschichte. Die teilweise verfallenen Gründerzeit-Häuser inmitten hoher Kiefern und alter Eichen beherbergten einst lungenkranke Arbeiter, nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Rote Armee ein, nun nutzen Filmproduktionen den Ort. Die Mischung aus ungewöhnlicher Architektur und Ruinen war schon Motiv in Roman Polanskis „Der Pianist“ oder „Operation Walküre“ mit Tom Cruise. Nun haben sich der Däne Anders Thomas Jensen und sein Team hier für einen Teil der Dreharbeiten von „Men & Chicken“ eingemietet.

Mads Mikkelsen hat gerade eine Szene abgedreht und kommt zu seinem Trailer, dem Wohnwagen, in dem er sich in den Drehpausen aufhält. Davor stehen ein Plastiktisch und Klappstühle – Campingplatz-Atmosphäre. „Nehmen Sie Platz“, sagt der 49-jährige Däne gut gelaunt und zündet sich eine Zigarette an. Er lässt sich mit drei Worten beschreiben: sympathisch, unkompliziert und gut aussehend – trotz Oberlippenbart und Dauerwelle. In der schwarzen Komödie „Men & Chicken“ spielt er einen von zwei Brüdern, die das Rätsel ihrer Herkunft lösen wollen. Er fühlt sich sichtlich wohl bei den Dreharbeiten: „Wir Schauspieler haben alle schon mehrfach zusammengearbeitet. Da fühle ich mich sofort zu Hause“, erklärt der Schauspieler. „Wir arbeiten hier etwas entspannter, ohne den amerikanischen Drill. Da muss keiner strammstehen, wenn der Regisseur etwas sagt.“

Selbstzweifel. Mikkelsen wirkt locker, er liebt es, seinen Gesprächspartner zum Lachen zu bringen. Doch da gibt es noch einen anderen Mikkelsen, einen nachdenklichen und grüblerischen, der sich selbstkritisch mit seinem Beruf aus­einandersetzt: „Manchmal habe ich das Gefühl, nicht mehr spielen zu können“, gibt Mikkelsen zu. „Doch der Filmcrew am Set kann ich nicht einfach sagen: Sorry Leute, ich kriege das gerade nicht hin, ich komme in den nächsten Tagen noch einmal vorbei. So funktioniert das ja nicht. Ich bin mit meiner Leistung nie zufrieden, habe immer das Gefühl, schlecht zu spielen. Aber so ticken wir Schauspieler nun einmal.“ An manchen Tagen seien die Bedenken so groß, dass er meine, den falschen Beruf gewählt zu haben. „Die Schauspielerei ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Es ist eine fragile Balance zwischen dir und dem Charakter, den du spielst“, erklärt Mikkelsen. „Und wenn du es nicht hinbekommst, klagst du dich selbst an.“

Für seine Selbstzweifel besteht eigentlich kein Grund. Mikkelsen ist seit Langem eine feste Größe in großen Studioproduktionen und im europäischen Arthouse-Kino. Auf dem Filmfestival in Cannes wurde er mit dem Darstellerpreis für seine Rolle in „Die Jagd“ ausgezeichnet. Seinen internationalen Durchbruch feierte er als Gegenspieler von Daniel Craig in dem James-Bond-Film „Casino Royale“ (2006). Dem plötzlichen Rummel um seine Person und der weltweiten Aufmerksamkeit begegnet er mit dänischer Gelassenheit. Auf die Frage, ob der „Bond“-Bösewicht denn nun ein Meilenstein in seiner Karriere sei, rutscht er etwas unbehaglich in seinem Stuhl hin und her. „Dass ich in ,Casino Royale‘ mitgespielt habe, hat mir ein paar Türen geöffnet“, räumt er dann ein. „Natürlich habe ich danach mehr Angebote bekommen. Aber davon abgesehen war es ein ganz normaler Job.“

Mikkelsen ist – wie seine Filmfigur in „Casino Royale“ – ein leidenschaftlicher Pokerspieler: „Wir haben am Set tatsächlich viel gepokert, auch wenn die Kamera nicht lief. Denn wir hatten viele Drehpausen oder warteten in der Maske auf unseren Einsatz“, sagt der Däne. „Wir hatten die Chips und die Karten immer griffbereit.“ Und ja, er spiele um Geld. „Es gibt keine andere Art, Poker zu spielen. Der Einsatz ist nun mal Geld. Na gut, wenn man eine Vorliebe für Erdnüsse hat, kann man natürlich auch darum spielen“, schmunzelt er.

Turner und Tänzer. Viele Schauspieler wissen schon in frühester Jugend genau, welchen Weg sie einmal einschlagen werden. Bei Mikkelsen ist das anders. Zunächst zeigt er kein besonderes Interesse an Theater oder Schauspielerei. Er wächst in Kopenhagen auf, als Sohn einer Krankenschwester und eines Bankkaufmanns. Mit seinem um ein Jahr älteren Bruder Lars, der auch Schauspieler werden sollte, erlebt er eine ungezwungene Kindheit: „Mein Bruder hat nie versucht, mich als Kleineren zu unterdrücken“, sagt Mikkelsen. „Dazu war er auch viel zu sehr mit seinen eigenen Sachen beschäftigt.“

Mikkelsens Eltern üben keinen Druck auf ihn aus, einen bestimmten Beruf zu ergreifen. Zunächst arbeitet er als professioneller Tänzer und tourt mit Musicals wie „Chicago“ durch Dänemark, bevor er sich entscheidet, Schauspieler zu werden, und mit der einprägsamen Rolle eines Rauschgiftsüchtigen im Actiondrama „Pusher“ auf sich aufmerksam macht. „Tänzer war kein konkreter Berufswunsch“, erinnert er sich. „Das hat sich einfach so ergeben. Ich war Turner und habe auch Gymnastik gemacht. Und irgendwann bin ich angesprochen worden, ob ich in einer Bühnenshow mitmachen wolle. Daraus ergab sich dann der Job als Tänzer. Und plötzlich wurden zehn Jahre daraus. Als Schauspieler habe ich davon profitiert, weil ich ein gutes Körpergefühl bekommen habe. Die meisten Actionszenen mache ich selbst.“

Seine Frau Hanne lernt er beim Tanztheater kennen, seit 1987 sind die beiden ein Paar, heiraten ein paar Jahre später und bekommen zwei Kinder. „Ich wusste sofort, dass sie die Richtige ist“, schwärmt der Schauspieler von seiner Frau. „Ich bin sehr dankbar für diese Beziehung. Und ich weiß, so etwas ist nicht selbstverständlich, gerade in meinem Beruf.“ Mikkelsen ist überzeugter Kopenhagener.

Obwohl er für Dreharbeiten ständig ins Ausland muss, für seine Hauptrolle in der TV-Serie „Hannibal“ sogar monatelang in Kanada wohnt, ist der Lebensmittelpunkt der Familie weiterhin die dänische Hauptstadt – der ideale Ort für einen Mann, der sein Privatleben am liebsten aus der Öffentlichkeit heraushält. Und davon profitieren wir letztendlich auch. Denn so bleibt Mads Mikkelsen immer auch ein bisschen Mysterium und damit Projektionsfläche für unsere Träume und Fantasien.

Tipp

„Men & Chicken“. In der Komödie des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen suchen zwei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, nach ihrem biologischen Vater. Mit Mads Mikkelsen, David Dencik. Demnächst im Kino.

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