Theater: Starke Frauen

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Anna Badora startet im Volkstheater durch. Auch sonst hat die Saison einiges zu bieten, vor allem viele tolle Künstlerinnen.

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Die Platzhirsche müssen sich heuer anstrengen: Anna Badora, Schauspiel-Chefin im freundlichen Graz und im beinharten Düsseldorf, übernimmt von Michael Schottenberg das Volkstheater. Ihr erster Spielplan ist höchst innovativ und aktuell, obwohl sie Bausteine, Ideen, Konzepte aus Graz wiederverwendet oder weiterentwickelt. Badora, so weit kann man bereits sehen, macht aus der Schwäche des Volkstheaters, ein großes Haus mit verschwommener Zielgruppe, eine Stärke: Das Publikum ist weniger verwöhnt als jenes der Burg und nicht tendenziell bürgerlich-konservativ wie jenes des Theaters in der Josefstadt. Badora lockt die Leute mit aktuellen Themen – und sie hat gemeinsam mit den Wiener Festwochen einen richtigen Coup gelandet. Die Theatergruppe Signa (Signa und Arthur Köstler), die 2011 beim Young Directors Project der Salzburger Festspiele mit der Performance „Das ehemalige Haus“ über verschwundene Personen, entschwundene Ereignisse und Mädchenhandel provozierte, wird im Mai 2016 eines ihrer Environments in Wien aufbauen: Das Publikum spielt mit, worum es geht, wird noch bekannt gegeben. Badora selbst eröffnet die Saison mit Gerhard Fritschs Anti-Heimat-Roman „Fasching“ über einen Kriegs-Heimkehrer, der zu viel gesehen hat. Klassiker weiterdichten: „Nora³“, Ibsen plus zweimal Elfriede Jelinek, eine Uraufführung vom Düsseldorfer Schauspielhaus, mit Stefanie Reinsperger, zuletzt am Burgtheater erfolgreich, ist in der Regie von Dušan David Pařízek ab 12. September im VT zu sehen. Im Oktober bringt Pařízek „Alte Meister“ von Thomas Bernhard und Peter Handkes „Selbstbezichtigung“ heraus. Explosiv: Yael Ronen, israelische Autorin-Regisseurin, macht im Dezember ein Projekt über junge Menschen, die Wien verließen, um an Kriegsschauplätzen zu kämpfen, im Spanischen Bürgerkrieg, im ehemaligen Jugoslawien oder in arabischen Staaten.

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Neue Klassik. Ibrahim Amir, syrischer Kurde, Autor und Arzt, der mit der Ehrenmord-Komödie „Habe die Ehre“ großen Erfolg hatte, zeigt ein neues Stück „Homohalal“, ehemalige Flüchtlinge, Kämpfer im Refugee-Protest-Camp vor der Votivkirche, treffen im Wien des Jahres 2032 aufeinander. Das arabische Wort Halal bezeichnet alles, was nach islamischem Recht erlaubt ist (im Unterschied zu Haram, dem Verbotenen). Der Bregenzer Philipp Preuss, der zuletzt am Münchner Residenztheater (Intendant: Martin Kušej) Goethes „Torquato Tasso“ als Pop-Show ohne Herzog herausbrachte, inszeniert im Volkstheater Shakespeares „Romeo und Julia“. Die Veränderung und Verfremdung von Klassikern, die einst viele aufregte, schreitet zügig voran. Vom Blatt spielen? Jüngere Leute können dem immer weniger abgewinnen. Susanne Lietzow, die das Linzer Phönix-Theater unter Wasser setzte – für Shakespeares „Sturm“, den sie als dunkles dystopisches Märchen zeigte, bringt Nestroys „Zu ebener Erde und erster Stock“ im VT heraus. Nicht nur die Theater-Konkurrenz muss sich bei Badoras Spielplan „warm anziehen“, sondern generell im Theater die Männer: Die Damen sind im Vormarsch und lang vorbei scheinen die Zeiten, da sie sich mit Gretchen, Julia und anderen zarten Mädchen zufriedengegeben haben. Sieben Volkstheater-Produktionen inszenieren kommende Saison Frauen, unter ihnen die Filmregisseurin Anja Salomonowitz, die ein dokumentarisches Projekt über die Beschneidung vorbereitet. Allein in den September-Produktionen sind neben Reinsperger zu sehen: Birgit Stöger, Sarah Hostettler, Steffi Krautz, Katharina Klar, Nadine Quittner und Claudia Sabitzer. Mit Stars punktet das Burgtheater: Claus Peymann inszeniert die Uraufführung eines neuen Handke-Stückes, Andreas Kriegenburg bringt Gorkis wuchtige Unternehmerinnen-Saga „Wassa Schelesnowa“ heraus, Dieter Giesing Yasmina Rezas „Bella Figura“, Andrea Breth „Diese Geschichte von ihnen“ von John Hopkins. Mystery-Fan David Bösch zeigt Tschechows „Drei Schwestern“. Regisseurinnen an der Burg gibt es wenige.

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(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Spannende Autorinnen. Maja Haderlaps gewaltiger Roman „Engel des Vergessens“ über Kindheit, Vergangenheit und die Angst, von dieser überrollt zu werden, wird demnächst im Akademietheater uraufgeführt; Sibylle Berg lässt eine junge Frau ihr bisheriges Leben bilanzieren: von der Mädchen-Gang zum Yoga-Studio. Das Burg-Ensemble, Frauen wie Männer, wird wie gewohnt (fast) jeden Text veredeln: Maria Happel und Dörte Lyssewski spielen im Männerstück „Revisor“, Petra Morzé, Elisabeth Orth, Alina Fritsch, Alexandra Henkel in „Engel des Vergessens“, Dorothee Hartinger, Frida-Lovisa Hamann in „Dosenfleisch“ von Ferdinand Schmalz, Regina Fritsch, Barbara Petritsch, Stefanie Dvorak in Werner Schwabs „Präsidentinnen“. Die Josefstadt eröffnet die Saison mit Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang“: nach Martin Schwab (in der Burg) und Peter Mati (in Reichenau) spielt Michael König den Geheimrat Clausen, der sich nach dem Tod seiner Frau in eine Kindergärtnerin verliebt, was seine Familie keineswegs akzeptiert. Janusz Kica inszeniert Strindbergs „Fräulein Julie“, die Theater-Farce „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn, „Ein Käfig voller Narren“ – das sind lauter alte Bekannte, gern und oft gesehen, gewiss. Aber es gibt auch Innovatives: Peter Turrini und Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger schreiben eine neue Fassung von Schnitzlers „Anatol“. Zweimal würdigt die Josefstadt kommende Saison Thomas Bernhard: „Auslöschung“ (mit Udo Samel) und „Totes Gebirge“. Autorinnen: Lilian Hellman („Die kleinen Füchse“, Familiensaga), Vicky Baum (mit ihren bittersüßen „Menschen im Hotel“), Elfriede Jelinek (mit der Übersetzung von Feydeaus „Der Gockel“). Regisseurinnen: Anna Bergmann (inszeniert „Fräulein Julie“), Stephanie Mohr (inszeniert „Totes Gebirge“). Torsten Fischer widmet sich der Jazz-Legende Billie Holiday (mit Sona MacDonald). Auch sonst sind die Damen der Josefstadt würdig beschäftigt: Sandra Cervik ist als wilde Ilona im „Anatol“ zu sehen, Katharina Straßer spielt die Annie vom Ballett; Gerti Drassl („Vorstadtweiber“) ist in dem Alzheimer-Stück „Vater“ (mit Erwin Steinhauer) zu erleben, Alexandra Liedtke inszeniert. Maria Köstlinger spielt Bernhard, Ruth Brauer-Kvam in „Das Lächeln der Frauen“ von Nicolas Barreau (mit Alexander Pschill). Die öffentliche Hand spart bei Subventionen: Stärker als früher suchen Wiens Großbühnen daher das sicheren Erfolg Versprechende.

Tipp

Eröffnungspremieren. Alvis Hermanis inszeniert Gogols „Revisor“ (Maertens, Fabian Krüger, Happel, Lyssewski) im Burgtheater (4. 9.); Anna Badora inszeniert „Fasching“ von Gerhard Fritsch, Volkstheater (5. 9.); „Vor Sonnenuntergang“, Hauptmann, Josefstadt (3. 9.).

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