Jasna Fritzi Bauer: Von Beruf jugendlich

(c) Mark Glassner
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Sie gehört zu den auffälligsten Schauspielerinnen des deutschsprachigen Raums: Jasna Fritzi Bauer geht nach ihrem Ausscheiden aus dem Burgtheater-Ensemble neue Wege.

Was in zehn Jahren sein wird, daran denke ich nicht. Ich denke: Jetzt bin ich erst einmal hier.“ Eben dieses sprach Jasna Fritzi Bauer vor gerade einmal zwei Jahren, als sie sich mit Barbara Petsch für das „Schaufenster“ unterhielt. Und wenngleich weiterhin schwer abzuschätzen ist, was in acht Jahren so los sein wird, mit ihr und der Welt, ist doch eines gewiss: Hier, nämlich in Wien, als Ensemblemitglied des Burgtheaters, ist Bauer nun doch nicht mehr so richtig zugegen. Zwar wird sie noch in einigen Produktionen, etwa in „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek und „Dantons Tod“ (erstmals wieder am 14.  9.), als Gast des Hauses zu sehen sein. Ihren Lebensmittelpunkt hat
die 1989 in Wiesbaden geborene Absolventin der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin zuletzt aber wieder in ihre Studienstadt verlagert. Von einem endgültigen Abschied von Wien will sie dennoch nicht sprechen: „Ich spiele ja weiterhin hier, habe auch meine Wohnung behalten und pendle fürs Erste zwischen den beiden Städten.“ Die Entscheidung, nur mehr als Gast am Burgtheater zu spielen, hat sie vor etwa einem Jahr getroffen. Der Hintergrund war damals die Unvereinbarkeit mit anderen Aspekten ihrer Karriereplanung. Sprich, die Filmangebote trudelten so zahlreich ein, dass sie wegen ihrer intensiven Spieltätigkeit an der Burg nicht alle annehmen konnte: „Ich bin so viel auf der Bühne gestanden, dass ich daneben kaum zum Drehen gekommen bin. Allein in der letzten Spielzeit war ich ja in acht Produktionen zu sehen.“ Ein Gespräch mit der Theaterleitung sei, so Bauer, unbefriedigend
verlaufen. „Andere Ensemblemitglieder drehen sehr viel. Mir wurde das nicht in dem Ausmaß ermöglicht. Dann bin ich eben nicht mehr Ensemblemitglied – und Ende.“

Spiel und Leben. Für das Modeshooting in dieser Ausgabe kommt Jasna Bauer mitten im Sommer eigens aus Zürich angereist: Dort dreht sie mit einem Absolventen der Filmakademie gerade einen Film, der später ins Kino kommen soll. Welche Rolle spielt sie da – beziehungsweise wie alt ist die Figur, die sie spielt? „Da bin ich
tatsächlich eine 21-Jährige. Bei meinem nächsten Projekt gehe ich aber wieder zurück auf 16.“ Die Frage stellt sich in Bauers Fall deshalb, weil sie von Castingdirektoren im deutschsprachigen Raum, vielleicht wegen ihres Auftretens, vielleicht wegen ihrer Körpergröße, vielleicht wegen einer Mischung aus allem, im Regelfall als Teenager gesehen wird. Auch in „About a Girl“ – der Kinofilm ist Anfang August angelaufen – spielt sie eine Jugendliche. Das Drehbuch sei so gut gewesen und die Darstellung dieser Figur – einer suizidgefährdeten Teenager-Problemexistenz – habe sie so sehr gereizt, dass sie sofort zugesagt habe.

Wie sehr kommt ihr das Besetzen dieser Nische entgegen, wie sehr fühlt sie sich durch den Reflex, sie auf Besetzungslisten um immerhin zehn Jahre jünger zu machen, eingeschränkt? „Eigentlich bin ich schon froh darüber. So kann ich mehr Rollen abdecken, als es meinem wahren Alter entsprechen würde. Aber es stimmt schon; ich werde in erster Linie als Sechzehnjährige besetzt, und ich bin nun einmal älter. Manchmal, wenn ein Film mit mir ins Kino kommt, sagen meine Freundinnen: ,Ehrlich, man glaubt es dir schon, aber man sieht auch schon die ersten Falten, die Sechzehnjährige eben noch nicht haben.‘ Aber solange es geht und mir die Zuseher die Teenagerrolle abnehmen, werde ich gute Angebote annehmen. Natürlich gibt es Grenzen. Ich würde zum Beispiel nicht in irgendeinem Musicalfilm den Teenager geben wollen.“

Das leuchtet ein. Ohnehin ist Jasna Bauer aber quasi gebucht auf die Darstellung von Problemfällen und jungen Menschen, die „einen Tick anders“ sind. Genau so heißt denn auch ein Film aus dem Jahr 2011, in dem sie als Teenager mit Tourette-Syndrom die Hauptrolle spielt. Kommerziell erfolgreich war diese Produktion zwar nicht, sie hat im Leben der Schauspielerin aber insofern
Spuren hinterlassen, als sie seitdem als Schirmherrin der deutschen Tourette-Gesellschaft fungiert und diese repräsentiert. „Natürlich muss man sich gut überlegen, ob man so ein Angebot annehmen kann – vor allem, wenn man so wenig Zeit hat wie ich. Aber nach reiflicher Überlegung habe ich damals beschlossen, zur Verfügung stehen zu wollen. Es ist für einen guten Zweck, und ich hatte mich bereits vor Beginn der Dreharbeiten sehr intensiv mit dem Tourette-Syndrom beschäftigt.“

Bei „Ein Tick anders“ hat die Arbeit unmittelbar in Jasna Bauers Leben hineingespielt und begleitet sie selbst weiterhin. Was die Eindrucksgewalt des Schauspiels betrifft, da pflichtet sie bei, ist es aber wohl das Theater, das die Zuseher stärker zu berühren vermag. Elfriede Jelineks „Schutzbefohlene“, die im Frühling dieses Jahres ihre Uraufführung erlebt haben, thematisieren etwa die Herbergssuche von Flüchtlingen in der Votivkirche im Jahr 2012 und sind ob der aktuellen Entwicklungen wieder mit trauriger Aktualität aufgeladen. „Wenn ein Mensch, der im Theater sitzt und sich das Stück anschaut, anschließend auch nur zwei Minuten
darüber nachdenkt, was wir da gesagt haben, ist schon etwas erreicht“, sagt Bauer. „Außerdem finde ich es wahnsinnig wichtig, dass das Stück in Wien gespielt wird – wenige Meter von der Votivkirche entfernt, wo sich die Begebenheiten, auf denen der Text basiert, zugetragen haben.“

Ewig junges Berlin. Das nächste Filmprojekt mit Jasna Fritzi Bauers Beteiligung hat vor wenigen Tagen seinen Drehstart erlebt: In ihrer neuen, alten Heimatstadt Berlin wird der Roman „Axolotl Roadkill“ von Helene Hegemann verfilmt. „Gedankenlos und egoistisch“ urteilte bei Erscheinen im Jahr 2010 etwa die „Zeit“, in der „Frankfurter Allgemeinen“ bejubelte man wiederum dieses „Buch der Revolte gegen die Welt der Erwachsenen“. Gelesen hat Jasna Bauer, die nur drei Jahre älter als Hegemann, doch zehn Jahre älter als die von ihr zu inkarnierende Axolotl-Protagonistin Mifti ist, das Buch noch nicht. „Helene hat auch gesagt, das muss ich gar nicht.“ Das Drehbuch schickte ihr die Autorin persönlich, Jasna Bauer ist also offenbar Helene Hegemanns Traumbesetzung für die Rolle: „Wir sind ja befreundet, kennen uns aus meiner Zeit in Berlin. Als sie mich vor ungefähr einem Jahr angeschrieben hat, war ziemlich schnell alles klar wegen des Filmprojekts.“ Auch wenn Jasna Fritzi Bauer kurz zögert, auf die Frage, ob sie und Helene Hegemann derselben Generation angehören – drei Jahre können sich in einem bestimmten Alter eben noch als recht großer Gap anfühlen: Die beiden sind geradezu mustergültige Vertreterinnen des jungen – und zwar wahrhaftig jungen, nicht bloß berufsjugendlichen – Berlin und haben sich auf eben jenen Partys kennengelernt, auf denen auch Hegemanns Romanheldin Mifti abhängt.

Für Hegemann und Jasna Bauer ist die Zeit nicht stehengeblieben, während sich für Mifti ein Traum, den sie in der Icherzählung zu Papier bringt, notwendigerweise erfüllt: „Ich weiß komischerweise genau, was ich will: nicht erwachsen werden.“ Genau diesen Mifti-Wunsch auch für Jasna Fritzi Bauer zur Wirklichkeit werden zu lassen, hat sich indessen bis auf Weiteres die deutsche Filmbranche zur Aufgabe gemacht. Und so überzeugend die junge Frau die Rollen, die man ihr zudenkt, zu spielen vermag, es wäre ihr doch zu wünschen, dass sie bald auch vermehrt charakterstarke Figuren ihres wahren Alters darstellen kann. Und zwar nicht erst in zehn Jahren.

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