Kunstfreunde: Unzertrennlich, unentbehrlich

Secession: Gespräche mit zeitgenössischen Künstlern zur Vertiefung des Verständnisses.
Secession: Gespräche mit zeitgenössischen Künstlern zur Vertiefung des Verständnisses.Isabelle Rindler
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Freundeskreise von Museen oder Kunstinstitutionen eröffnen die Möglichkeit, dem Objekt der Begierde ganz nahe zu kommen.

Sie nennen sich Museumsfreunde, Kunstfreunde, Freunde und Förderer oder auch ganz einfach Freunde. Rein rechtlich gesehen sind sie in Vereinen organisiert. Von der Atmosphäre her erinnern ihre Zusammenschlüsse an Interessengemeinschaften oder Klubs. Manchmal läuft man ihnen in Museen oder Galerien über den Weg, wo sie in kleinen Gruppen konzentriert den Ausführungen eines Experten, Ausstellungskurators, Museumsdirektors, vielleicht auch Chefkurators höchstpersönlich lauschen und sich engagiert ins Gespräch einbringen. Zu solchen Begegnungen kann es durchaus auch im Ausland kommen die Documenta ist ein typischer Ort dafür, ebenso die Biennale, aber auch Spezialveranstaltungen wie die im Zehn-Jahres-Takt stattfindenden Skulptur.Projekte in Münster. Viel mehr an Sichtbarkeit ist dann aber schon nicht mehr gegeben. Menschen, die die Kunst in hohem Maß lieben die bildende Kunst ebenso wie Musik oder Bücher haben mit der klotzigen Zurschaustellung ihrer Passion und ihres Tuns selten etwas am Hut. Vielmehr halten sie sich meist elegant im Hintergrund. Genießen ist Privatsache, etwas fast schon Intimes.

Willkommene Lobby. So groß ihre Zurückhaltung ist, so wichtig ist die Rolle, die diese Zusammenschlüsse für den Kunstbetrieb spielen. Sie sind ein unverzichtbares Rädchen im Betriebssystem Kunst allein schon, weil sie durch ihre Mitgliedsbeiträge eine Sponsorenrolle erfüllen. Darüber hinaus bilden sie eine Lobby für die jeweilige Institution. Schlussendlich spielen sie auch gesellschaftlich eine Rolle, weil sie als Multiplikatoren der Sache, für die sie eintreten, die Kunst ebenfalls stärken und schützen ein Momentum, das für die zeitgenössische Kunst besonders wichtig ist. In diesem Sinn sagt Sylvia Liska, Präsidentin und Mitbegründerin der Freunde der Secession: "Die Freunde wurden 1986 mit dem Ziel gegründet, die Unabhängigkeit der Secession zu schützen und zu wahren." Dieses Ziel greift auch die Devise auf, die sich die 1897 gegründete Künstlervereinigung, die die Secession bis heute ist, über den Eingang hat schreiben lassen: "Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit." "Später", so Sylvia Liska, "hat sich der Akzent mehr auf die wissenschaftliche Arbeit verlagert.

Die Mitgliedsbeiträge kommen nun verstärkt Bereichen wie Archiv, Renovierung, der Produktion von Katalogen, Vermittlung zugute." Das hat auch mit der Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit zu tun. Mit exklusiven Veranstaltungen wie Fund-Raising-Dinners werden die Gelder aufgestockt. Doch das System ist nicht nur in eine Richtung durchlässig. Das Prinzip ist ein Geben und Nehmen. So erhalten etwa alle Mitglieder des Freundeskreises zum Jahresende als Dank eine Jahresgabe, die jeweils von einem der ausgestellten Künstler und Künstlerinnen gestaltet wird. Liska: "Im Unterschied zu den deutschen Kunstvereinen, die die Jahresgaben auch verkaufen dürfen, sind unsere Editionen unverkäuflich."

Und damit exklusiv. Ein weiteres Atout für die aktuell rund 170 Mitglieder sind sorgfältig organisierte Kunstreisen rund um den Globus. Die Secession war zum Zeitpunkt der Gründung des Freundesvereins eines der ersten Ausstellungshäuser in Österreich mit einem aktiven Förderkreis. Anregung und Vorbild dafür kamen aus den USA, wo Liska studiert hatte. Ein vergleichbar aktives Modell, das aber nicht an ein Museum gebunden war, gab es in Wien nur in Form der Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste. Diese ist 1979 nach einer Idee von Gustav Peichl und Helmut Haschek, dem Generaldirektor der Oesterreichischen Kontrollbank, gegründet worden. Die Fördermaßnahmen kamen in den Anfangsjahren vor allem der Akademie zugute.

Fundraising-Pioniere. "Das Ziel war es, neben der Unterstützung der Akademie und der Förderung ihrer Studenten generell der österreichischen Öffentlichkeit, die traditionell musik- und theaterorientiert ist, die bildenden Künsten näherzubringen", sagt Sylvie Eisenburger Kunz, die den Verein und seine Mitglieder von Beginn an mit viel Energie, Hingabe und Ideen betreut. "Wir haben in Österreich das Sponsoring eingeführt, das in der Hinsich hierzulande ja noch in der Steinzeit gesteckt ist." 1984 wurde der Tätigkeitsbereich auf das Museum moderner Kunst sowie mit Einzelprojekten auf das Kunsthistorische Museum und die Albertina ausgeweitet. "Zusammen mit Sylvie Liska haben wir zum Beispiel 1984 im 20er Haus das erste Fundraising-Dinner hierzulande auf die Beine gestellt", erinnert sie sich. ",Das schönste Restaurant der Welt , schrieben die Zeitungen damals." Heute hat sich die ursprüngliche Mitgliederzahl von 350 verzehnfacht ein Erfolg, der sich nicht zuletzt dem vergleichsweise günstigen Jahresbeitrag von 65 Euro für eine ordentliche Mitgliedschaft verdankt. Mit diesen Beiträgen werden junge Künstler gefördert und Ankäufe für 14 österreichische Museen ermöglicht; als Gegenleistung erhalten die Mitglieder freien Eintritt. Geboten wird weiters ein dichtes Programm mit Vorträgen, Einladungen, Galeriebesuchen, Kunstreisen und dergleichen. "Die Freundeskreise sind ein Zeichen der Zeit, das stark von US-Vorbildern geprägt ist."

Bärbel Holaus-Heintschel ist Leiterin für den Bereich Fundraising im Kunsthistorischen Museum. Seit 2012 ist sie für die Betreuung der Freunde und American Patrons zuständig und hat sich in Amerika ausbilden lassen. "Das Freundeskreismodell ist in Amerika seit Langem ausgearbeitet und verbreitet. Das New Yorker Metropolitan Museum zum Beispiel hat viele verschiedene Kreise", sagt sie. "Für uns geht es vor allem darum, die Menschen ans Haus zu binden, in welcher Form auch immer, und sie von einer Stufe auf die andere zu heben. Jeder soll seine Nische finden können." Zum Programmangebot gehören neben Gesprächsreihen und Kunstreisen auch Begegnungen mit Experten, die einen Blick hinter die Kulissen des Hauses ermöglichen: Restauratoren etwa oder Kunsthistorikern. Holaus-Heintschel: "Die Frage ist immer: Was können wir unseren Mitgliedern bieten, was sie mit Geld nicht kaufen können? Jeder soll bei den Veranstaltungen etwas für sich mitnehmen und sagen können: So etwas habe ich noch nicht gesehen oder gehört!" Dasselbe gilt auch für die kleine Gruppe der American Patrons, also der amerikanischen Förderer des KHM, für die ein spezielles Europa-Programm zusammengestellt wird.

Modell mit Vorbildwirkung. "Die Unterstützung der Museen durch Private ist seit der Ausgliederung der Museen eine wirtschaftliche Notwendigkeit geworden", sagt Ulrike Tropper, Leiterin des Bereichs Development, Sponsoring und Membership an der Albertina. Mit 6000 Mitgliedern an der Basis hat das Haus den größten Freundeskreis aller österreichischen Museen. Über die Patrons verjüngt sich die Förderpyramide nach oben hin bis zu den Mäzenen, die auch einen Platz an der Ehrentafel finden. Die Einbindung internationaler Mitglieder über den International Circle ist ebenfalls ein zentrales Anliegen. Möglichkeiten, sich ins Kunstgeschehen einzubringen und seinem Engagement Ausdruck zu verleihen, gibt es also zur Genüge. Heute kann es sich kaum eine Institution mehr leisten, auf seine Freunde zu verzichten. Die Modelle finden mittlerweile auch in anderen Branchen etwa im Verlagswesen Nachahmung.

Tipp

Künstlergespräch Francis Alys. Das Gespräch, das von den Freunden der Secession im Vorfeld der Vernissage organisiert wird, ist öffentlich zugänglich. Termin: 17.November, 18 Uhr, www.secession.at

("Kultur Magazin", 21.10.2016)

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