Avec: Lieber mit als ohne

Sie ist die Taylor Swift der näheren Umgebung von Vöcklabruck, hört zwar immer noch gern Country, spielt aber lieber in der ersten Liga der melancholisch-verträumten Songwriter: Avec.

Da klopft ein Herz im Hintergrund mit. Dort schlängelt sich ihre Stimme in eine Höhe, von der andere schnell fallen, sie nicht. Sie ist übrigens bürgerlich namenlos und möchte als Privatperson anonym bleiben. Als Sängerin heißt sie Avec. Ein Künstlername, der der 21-jährigen Oberösterreicherin nicht gleich "zugelaufen" ist. Als sich ihre erste Band Norah vom Duo (mit Jugendfreund Andreas Häuserer) zum Trio (mit Schlagzeuger Lukas Klement) weiterentwickelt hat, wollte sie einen neuen Namen haben, hat ihn nicht gefunden und fing in ihrer Verzweiflung an, Hundenamen zu googeln. Avec.

Gar nicht schüchtern. Ihre erste EP "Heartbeats" wurde 2015 veröffentlicht, das Debütalbum "What If We Never Forget" kam im vergangenen Sommer nach, mit viel Echo. Als die Lieder aus dieser Sammlung entstanden sind, war Avec gerade einmal 18 Jahre alt. Ihr späterer Manager ist via Soundcloud zufällig auf sie gestoßen. Unter diesen ersten Nummern war auch "Granny", ein Lied, das nach wie vor wie wild auf YouTube rauf und runter gespielt wird. Warum ausgerechnet das Liebeslied an ihre an Alzheimer erkrankte Großmutter so beliebt ist, kann sie sich nicht erklären. "Ich finde es einfach nur schön, weil ich mir nie gedacht hätte, dass überhaupt irgendein Song von mir gehört oder gespielt wird." Was schüchtern klingt, schlägt sich mit der Wirklichkeit. Wer mit Avec spricht, erkennt ein Missverhältnis. Sie ist nicht so sanft, zart und zerbrechlich wie ihre Musik. Sie ist eine Naturgewalt, eine kleine, weshalb sie sich auf den Riesenbühnen vom Sziget in Budapest bis zum Reeperbahn-Festival in der Großen Freiheit in Hamburg anfangs ein bisschen verloren gefühlt hat. Wohin mit dem ganzen Platz? "Wohin mit mir und meiner kleinen Gitarre?" Nach einem konzertreichen Vorjahr haben sich Fragen wie diese aufgelöst. Trotzdem erklärt sie: "Ich bin ein Mensch, der sehr fröhlich, glücklich und offen ist, aber sobald ich meine Songs auf der Bühne spiele, mache ich zu." Wenn sie ihre Gedanken mit dem Publikum teilt, ist sie vorsichtig. Das Gitarrespielen hat sie sich nach der musikalischen Früherziehung in Form einer Geige übrigens selbst beigebracht. Noten kann sie keine lesen. Daran ist schon der Geigenlehrer gescheitert. "Ich konnte trotzdem spielen, darum habe ich mir auch nie die Arbeit gemacht, sie zu lernen."

Jung, schön, nominiert. Die ersten Erfahrungen auf der Bühne sammelte Avec in der Schule. "Mein allererster Auftritt war damals für ein Theaterstück, bei dem ich ein Lied von mir performt habe. Ich war 15, trug ein pinkes Top, ganz mädchenhaft, und spielte eine Castingteilnehmerin. Der Applaus danach war neu für mich, hat sich aber gut angefühlt." Im echten Leben war ihr leiser Aufstieg in die heimischen FM4-Kreise dann gar nicht durchgeplant wie eine Castingshow. Ursprünglich wollte sie in Innsbruck Medizin studieren. "Dann habe ich den Test nicht geschafft und wusste überhaupt nicht weiter. Medizin war alles für mich" und wurde kurz danach durch eine Anfrage ihres späteren Managers Tom Resch durch die Musik ersetzt. Danach ging alles schnell, erzählt sie. "Für mich wollte ich sowieso immer Musik machen, aber als Beruf? Du bist jung, du kannst es dir vielleicht leisten, habe ich dann zu mir gesagt und es einfach probiert." Und tatsächlich ist Avec heuer zum zweiten Mal in Folge als "Künstlerin des Jahres" bei den Amadeus Music Awards nominiert.

"Schräg ist das", sagt sie, "aber natürlich eine große Ehre." Die Konkurrenz: Christina Stürmer, Hannah, Mavi Phoenix und Zoe. Außerdem ist Avec heuer auch wieder in der Kategorie "Best Sound" im Rennen. Kein Wunder, "ich bin sehr perfektionistisch, was im Studio mitunter manchmal aber auch ein Problem ist. Ich versuche so ehrlich wie möglich zu arbeiten, das kann anstrengend werden." Landleben. Sehr viele Awards bekommt in der Regel ihr Vorbild und es klingt seltsam, aber es ist Taylor Swift. Darüber hinaus hört sie auch noch Country. "Country macht mich glücklich, ich kann es mir auch nicht erklären." Selbst umsetzen kann sie die Swift-Schiene aber nicht, das würde ihr nicht einmal gelingen, wenn sie es wollte. "Ich kann nur schreiben, wenn ich in der Krise stecke. Für mich ist es wie eine Therapie, ich arbeite mir den ganzen Frust von der Seele." Da kommt nichts Leichtes heraus. Melancholisch bis minimalistisch klingen ihre höchstens zweisilbigen Titel. Das passt irgendwie auch gut zu ihrer Vorliebe für das Rurale. Leben will Avec weiterhin in ihrem "Kuhdorf" in der Nähe von Vöcklabruck. Sie ist ein überzeugtes Landkind. "Ich möchte nicht in die Stadt ziehen. Gut, irgendwann sollte ich von zu Hause ausziehen." Bis dahin genießt Avec aber die grünen Spaziergänge daheim. "Am liebsten ist es mir, wenn überhaupt keiner da ist außer der Wald. Das ist Freiheit".

Tipp

Avec spielt am 21. April im Wiener Porgy & Bess. Ein wenig später wird sich am 4. Mai bei der Verleihung der Amadeus Music Awards herausstellen, ob sie sich in den Kategorien "Künstlerin des Jahres" und "Best Sound" durchsetzen konnte. www.facebook.com/officialAVEC

("Kultur Magazin", Print-Ausgabe, 14.4.2017)

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