Operette.

Ruth Brauer-Kvam gibt ihr Regiedebüt

Ruth Brauer-Kvam hegt seit Jahren eine Liebe zur – unkonventionell vorgetragenen – Operette.
Ruth Brauer-Kvam hegt seit Jahren eine Liebe zur – unkonventionell vorgetragenen – Operette.(c) Clemens Fabry
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Die Schauspielerin Ruth Brauer-Kvam inszeniert "Wiener Blut" als Achtzigerjahre-Seifenoper - und spricht über Handys, Flow und Wiener Ursuppe.

Irgendwie scheint es derzeit alle zu beschäftigen, das Smartphone und der Umgang damit. Ruth Brauer-Kvam, die gerade im Kindergarten Kochdienst hatte und jetzt in einer Ecke des „Point of Sale“ sitzt, hat erst seit einem Jahr ein kluges Handy, meidet Facebook, hält in WhatsApp-Gruppen Kontakt zu ihren Schauspielschülern und Darstellern – und kennt längst auch das Gefühl, dass man etwas verpasst, wenn man nicht draufschaut.

„Oder man liest doch, was kommt, aber das reißt dich aus dem Hier und Jetzt, und du kommst nie in den berühmten Flow, von dem jetzt alle sprechen.“ Der Flow, ein Begriff, über den sie in letzter Zeit viel gelesen hat; „und ich kenne ihn wahnsinnig gut – wenn ich unterrichte, auf der Bühne oder in einer Probe bin“. Es sei der Zustand, „in dem man stundenlang an etwas dran ist, ohne die Zeit zu merken, wenn man sich ein bisschen überfordert fühlt, aber nicht zu sehr, und wenn man genau da ist, wo man sein sollte im Leben“. Gut kenne sie den Zustand auch von ihrem Vater, Maler Arik Brauer.

Sie selbst sieht sich freilich nicht als Künstlerin. Maler, Komponisten, Dichter, „das sind Menschen, die Dinge aus sich heraus schaffen“. Schauspielerei hingegen: „Handwerk“. Ihr Job sei zwar ein kreativer, „aber Wiener Blut, das hat schon Strauss erfunden“. Auch als Regisseurin fühlt sie sich nicht, auch wenn sie für ebenjene Operette nun erstmals Regie führt. „Ich sehe es als Projekt“, sagt sie, wenngleich eines, für das sie aus „derselben Quelle“ schöpft wie als Schauspielerin. Sie hält es für wichtig, „dass jeder Mensch in irgendeiner Form einen Kanal hat“. Sport etwa, Handarbeiten oder der Computer, das seien die Kanäle von anderen. „Ich seh einen Computer und hab Angst.“

Große Lust hat sie hingegen seit Jahren auf Operette. Einen Soloabend dazu hat sie im Bronski & Grünberg schon gegeben. „Wiener Blut“ soll nun eine Seifenoper werden, ihr Zugang sei „burlesk“. Bei ihr singen Schauspieler die Rollen rund um den Grafen, der sich in Lügen verwickelt, und natürlich gehe es stark um Wiener- und Preußentum. „Banale, uralte Themen, die aber irrsinnig Spaß machen.“

Einen Spaß macht sie sich auch daraus, den Stoff in die Achtziger zu transferieren, „das ist die Zeit, in der ich groß geworden bin, die ich kenne und die ich wahnsinnig lustig finde“. Außerdem sei Operette für sie immer ein bissl hysterisch, voller selbstverliebter, unreflektierter Figuren, „und dieses Überdrehte sind für mich die Achtzigerjahre: Aerobic, Dynasty, ,Denver Clan‘, das erste Jahrzehnt, in dem die Marken außen getragen wurden“.

Der Reiz des Bronski mit seinen maximal 64 Leuten im Publikum liege in seiner Kleinheit. Bei großen Operetten mit ihren riesigen Orchestern, sagt Brauer, verstehe sie nämlich selbst oft die Texte nicht. „Dabei sind sie sehr lustig und sehr bescheuert.“ Sie habe einfach Lust gehabt „zu schauen, wie das ist. Es kann auch voll in die Hose gehen. Schau' ma mal.“

Schlüpfrigkeit und Rausch

Doch was ist dieses – inzwischen von Falco bis Rammstein (über den Fall Josef F.) – viel besungene Wiener Blut? „Ich suche jeden Tag und habe viele, viele Antworten“, sagt Brauer. Beschrieben vom jüdischen Librettisten Victor Leon, sei es wohl für jeden etwas anderes; in der Monarchie galt es wohl erhabener als das (deutsche) blaue, geprägt auch durch Schlüpfrigkeit und sanften Rausch. Für Brauer ist es jedenfalls „nicht nur positiv“; sie selbst, die zum Teil in Israel aufgewachsen ist, dann lang in Deutschland war, habe sich erst in den vergangenen 15 Jahren mit Wien angefreundet.

Mittlerweile halte sie Wien für eine großartige Stadt – und doch: Sie habe etwas an sich, „sodass man nie weiß, woran man ist“. Das Wiener Blut sei „nie ganz klar, das ist befremdlich, aber auch spannend, geheimnisvoll, deshalb ist Wien auch so voller Künstler“. Es sei jedenfalls wohl kein Zufall, dass sie mit Kyrre Kvam einen Norweger geheiratet habe, und dass sie immer wieder rausmüsse – „um dann wieder in der Wiener Ursuppe schwimmen zu können“.

ZUR PERSON

Ruth Brauer-Kvam wurde 1972 in Wien geboren und wuchs in Wien und Israel auf. Sie studierte in Wien, arbeitete dann u.a. in Essen und Bochum. Heute unterrichtet sie u.a. am MUK, der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Am Bronski & Grünberg inszeniert sie Johann Strauss Sohns „Wiener Blut“ für ein jüngeres Publikum. Premiere ist heute, Freitag, 16. März.

Am 9. April ist sie mit den Tonkünstlern und Leonard Bernsteins „Kaddisch“, dem jüdischen Totengebet, im St. Pöltener Festspielhaus zu hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2018)

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