Universalsprache: Keith Haring in der Albertina

Vom Comic zum Emoticon: zur Keith-Haring-Ausstellung in der Albertina.

"Man muss nichts von Kunst verstehen, um meine Werke zu begreifen", sagte Keith Haring. In altem Videomaterial sieht man, wie er aus der U-Bahn hüpft, ein paar Männchen auf eine Tafel zeichnet. Leute bleiben stehen, er wird verhaftet: Ein schlanker, muskulöser Bursche mit Intellektuellenbrille. Er wehrt sich nicht, er grinst nicht provokant, er lässt es einfach mit sich geschehen. Die Albertina widmet dem Amerikaner, einem Bahnbrecher der Comic-Kunst, zum 60. Geburtstag die Ausstellung "Keith Haring. The Alphabet". Der Künstler wurde nur 32 Jahre alt. Er engagierte sich gegen Aids und starb 1990 an den Folgen dieser Krankheit, von der man damals zunächst wenig wusste.

"Wir bewegen uns in Richtung einer Universalsprache, wir werden dahin gepusht", sagt Dieter Buchhart, Kurator der Albertina-Schau. Der gebürtige Wiener ist Biologe und Kunsthistoriker, er wollte wissen, wie unterschiedliche Denksysteme funktionieren. Bis 2009 war Buchhart Direktor der Kunsthalle Krems. Die Welle der Aufarbeitung rebellischer Kunst der 1970er- und 1980er-Jahre beschert ihm viele Aufträge. Noch bis 27. Mai läuft die von ihm zusammen mit dem Londoner Barbican Centre gestaltete Basquiat-Schau in der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt.

Drittes Auge. Keith Haring, "Ohne Titel", 1981.
Drittes Auge. Keith Haring, "Ohne Titel", 1981.Keith Haring

Von Warhol zu Banksy

Die Comic- und Graffiti-Künstler sind durchaus miteinander verbunden, so führen auch Spuren von Haring zu Basquiat. Und vom Comic zum Emoticon. Aber es gibt auch noch viel ältere Inspirationsquellen: die Hieroglyphen, die Bildsprache der alten Ägypter. Harings Arbeiten werden als Bildwörter betrachtet. Der Künstler stammte aus Pennsylvania, sein Vater zeichnete Comics mit ihm, diese wurden in Amerika, anders als in Europa, nicht verachtet, sondern als Kunstform und "Missing Link" zwischen Hoch- und Populärkultur gepflegt. Raus aus dem elfenbeinernen Turm der Ateliers und Museen, lautete die Devise der Pop-Art, die sich mit geringen Mitteln an Orten verwirklichen ließ, wo wirklich jeder vorbeiging. Allerdings wurden Harings Arbeiten rasch als Kunst erkannt. Bald marschierten Leute hinter ihm her, wenn er in der Underground auf freien Flächen die es heute kaum mehr gibt zeichnete.

Seine Fans schnitten die Zeichnungen aus, rissen sie manchmal mit den Rahmen von der Wand. In den USA, wo der "Kapitalismus für alle" nach dem Zweiten Weltkrieg so richtig aufblühte und sich in alle Gesellschaftsschichten ausbreitete, kritzelte Haring Warnungen vor Konsum, Profitgier und Rassismus. So herzig seine Arbeiten aussehen, gemeint sind sie keineswegs so. Der seit den 1970er-Jahren massenhaft vermarktete Smiley lächelt grotesk mit einer Reihe gewaltiger Zähne und hat ein drittes Auge. Übrigens ein Irrtum, der Abstand zwischen den Augen geriet zu groß, Haring setzte kurzerhand ein drittes in die Mitte und es ist unwahrscheinlich, dass der spirituelle Jenseitsblick aus asiatischen Religionen damit gemeint ist. Dieses Grinsen hat mit seinen gefletschten Zähnen näher betrachtet auch etwas Triumphierendes. Wie das Selbstporträt des Künstlers, der teils frech, teils wissend in sich hineinlacht: "Hee! Hee! Hee!!"

Groteske Micky Maus

Auf einem anderen Bild masturbiert Micky Maus wer Disney-Figuren verwendete, musste dem Konzern Lizenzgebühren zahlen neben Micky sieht man zwei Figuren ein rotes Herz hochhalten und weiter links zwei Würfel: Haring erzählt von den Abgründen der Liebe und des Zufalls. Eine weitere Zeichnung zeigt einen Tatzelwurm, der auf seinem Hinterteil einen Computer trägt, weiter vorn reitet ein Mensch, bewaffnet mit einem Stock, darunter sieht man kopflose Figuren marschieren. Haring fürchtete, dass uns die Computer- und Medienindustrie gleichschalten und uns die letzte Humanität austreiben würde. Noch ein Bild: Wölfe springen durch einen Mann. Homo homini lupus, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, frei übersetzt: Der Mensch ist der gefährlichste Feind des Menschen, das Prinzip der Staatstheorie des englischen Philosophen Thomas Hobbes, gestorben 1679.

Haring hat manche Realitäten wie sie zum Beispiel in dem dystopischen, aber nah an der Wirklichkeit angesiedelten Film "The Circle" (mit Emma Watson und Tom Hanks) gezeigt werden vorweggenommen, den transparenten, manipulierten Einzelnen. Haring ist aber auch verwandt mit Andy Warhol, mit dem er befreundet war und der selbst zu einem Phänomen der Industrie wurde: "Andy Mouse" steht auf einem Bild, das eine schwarze Maus auf violettem Hintergrund zeigt, die Maus sieht aus wie ein Außerirdischer. Eine Art Nachfahre von Haring ist Banksy, dessen Anonymität ein Teil seiner Kunst ist. Der Schöpfer bleibt unsichtbar, ein wichtiges Prinzip der subversiven Comic- und Graffiti-Artisten. Mit Banksy, dem 1974 geborenen subversiven Briten verbindet Haring wohl die Botschaft auf einer Banksy-Zeichnung: Ein Mann, vielleicht ein Bettler, sitzt vor einer Ziegelmauer und hält ein Schild hoch, auf dem steht: "I want change." So offensiv wie Comics und Graffiti oft wirken, so sind sie auch gemeint, sie streben nichts weniger an als eine bessere Welt. Eine Ironie der Geschichte, dass diese Kunst, die für alle gedacht ist, sich heute in Museen und erlesenen Privatsammlungen findet und Millionen bringt, also gerade die fetten Profite, die sie bekämpft.

Tipp

"Keith Haring. The Alphabet". Zum 60. Geburtstag widmet die Albertina dem 1990 verstorbenen Künstler eine Ausstellung. Ab 16. März.

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