Marko Zink: Tierfreund

Marko Zink
Marko Zink(c) Julia Stix
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Hosen, die wie Fische aussehen, Eulenmasken, die aus dem Wald spähen: Marko Zink lässt sich vom Tierreich inspirieren.

Elegante Stöckelschuhe, die am Meeresboden dahinspazieren. Eine Baseballkappe, die wie eine Qualle durchs Wasser treibt. Ein blaues Dirndlkleid, das in seiner Eleganz daherkommt, als wäre es Ophelia gerade eben vom toten Leib gerutscht. Eine Sporthose, die auf Flugfisch macht. Und mittendrin ein Künstler, der einige Meter vom Strand entfernt in den Fluten sitzt, um diese Bilder unter Wasser mit einer „Knipsknapskamera“ (O-Ton Marko Zink) festzuhalten. Fünf Sommer lang ist Marko Zink für die Fotoserie „Schwimmer“ nach Santorin gefahren, ausgerüstet mit einem Koffer voller Kleider und begleitet von einem Freund, der ihm bei dem Projekt assistiert hat, indem er die Kleidungsstücke vom Strand ins Wasser katapultierte. „Es geht bei der Serie um ein lebloses Objekt, das zum Subjekt wird“, sagt er. „Für die ,Schwimmer‘ habe ich versucht, möglichst Massenartikel zu nehmen, deren Labels man wiedererkennt – Adidas oder H&M –, sodass sich beim Betrachter sofort eine gewisse Vertrautheit einstellt.“ In Szene setzt er das Ganze bevorzugt in der Früh. „Ich arbeite nur mit natürlichem Licht“, sagt Zink. „Das Morgenlicht ist am schönsten und auch am geeignetsten. Da nehmen die Gegenstände, wenn sie im Wasser treiben, tierische Form an, sodass sich eine Hose buchstäblich wie ein Fisch zu bewegen scheint.“

Das Spiel mit Objekt und Subjekt, mit dem Leblosen, das den Anschein von Leben ausstrahlt, und mit Lebendigem, das aus dem Verborgenen hervorblitzt – das sind die Leitlinien in der Arbeit des 35-jährigen Vorarlbergers, der über den Umweg des literarischen Schreibens zur Fotografie kam, sich als Maturageschenk statt dem obligaten Führerschein eine Spiegelreflexkamera wünschte und nach einigen Semestern Germanistik- und Publizistikstudium zusätzlich an der Schule für künstlerische Fotografie und anschließend an der Akademie am Schillerplatz inskribierte.

Bilder für Neugierige. Diese Ambivalenz ist bereits in der frühen Serie der stimmungsgeladenen „Kornhäusl“-Bilder angelegt, die auf den ersten Blick nichts anderes als chaotische Wohnzustände und nackte Männerbeine zu zeigen scheint. 2004, zwei Tage vor Beginn des Radikalumbaus der klassizistischen Kornhäusel-Villa in Ottakring, gelang es Marko Zink, sich Zutritt zu ihr zu verschaffen und für kurze zwei Stunden darin zu fotografieren. „Alles war zerstört, alle Objekte auf den Fotos sind vorgefunden. Der ehemalige Besitzer dürfte schwul gewesen und allein gestorben sein – überall lagen Männermagazine aus der NS-Zeit, in denen er jene Inserate angestrichen hat, in denen Männer Männer gesucht haben. Tragisch! Darum habe ich die muskulösen Männerbeine in den verlassenen Räumen fotografiert – mit dem Fokus auf der Ferse als verwundbarster Stelle des Körpers.“

In verfallene Häuser eindringen, aus Schutt eine Lebensgeschichte rekonstruieren, Klamotten wie Wasserlebewesen interpretieren, fürs Foto mit einer Maske posieren – oder wie in der Serie „thisisnotgsus (THIS IS NOT JESUS)“ die Identität eines Gesichtes auslöschen: Ak­tionen wie diese produzieren und transportieren, wenn sie in Kunst festgehalten werden, nicht zuletzt auch unheimliche Geschichten, weil sie sich jeglicher Gewissheit widersetzen – dem Dechiffrierungsangebot, das der Fotografie eignet, zum Trotz. Marko Zink hat sichtlich ein Faible dafür. Viele seiner Fotografien erwecken im Betrachter die Neugier, mehr wissen zu wollen – etwa wie das Bild entstanden ist, was dahintersteckt, oder was sich in ihm verbirgt. Ob ihm die Performance wichtig ist? Marko Zink wiegelt ab und sieht sich und seine Arbeit, auch wenn er am Setting und den angedeuteten Geschichten lange arbeitet und sich auch des Öfteren selbst als Modell einbringt, weitaus mehr in einer malerischen Tradition und deren Aufmerksamkeit für Farben und Kompositionen. „Egal, ob ich oder andere Menschen im Bild sind: Die Menschen sind stets Randerscheinungen. Ich bin da nicht narzisstisch.

Es geht in meiner Arbeit nicht um den Einzelnen, sondern um die Gesellschaft“, sagt er. Letztere stellt er soeben in seiner neuesten Serie großformatiger Fotografien namens „Tragödien“ auf die Probe. Zusammen mit einem Text von Elfriede Jelinek wird sie im Monat der Fotografie erstpräsentiert. Jede einzelne ist in der bleichen Kulisse einer mitten in den niederösterreichischen Wäldern gelegenen Sandgrube angesiedelt. Erst der aufmerksame Betrachter entdeckt inmitten der Bäume eine nackte menschliche Figur mit einer Tiermaske, die bald auf einem Ast kauert, bald über einen Weg huscht oder sich sonstwie tarnt.

Der Mensch ist ein Wurmfortsatz. Wenige Wochen im Jahr findet er dafür die geeigneten Licht- und Stimmungsverhältnisse vor. An den Wochenenden, wenn keine Förderarbeiten stattfinden, stellt er mit seinem Assistenten die Spielregeln der Gesellschaft auf den Kopf und macht den Wald zur Bühne und die Tiere zu Akteuren. „Diese Waldsachen von mir spielen mit der Reduktion. Der Mensch ist darin ein Wurmfortsatz der Natur. Die Gattung Tier überragt uns doch! Ich möchte gar nicht wissen, was uns Tiere antworten würden, wenn sie wirklich herrschen würden.“

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