Nazis & Goldmund: Was (rechte) Sprache verrät

Zwei von fünf. Thomas Arzt und Gerhild Steinbuch, Mit-begründer von Nazis & Goldmund, und ihre Lese-Uniform.
Zwei von fünf. Thomas Arzt und Gerhild Steinbuch, Mit-begründer von Nazis & Goldmund, und ihre Lese-Uniform.Carolina Frank
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Worte sind Waffen, meinen die Autoren des Kollektivs Nazis & Goldmund. Auf ihrem Blog posten sie poetische Stolpersteine, um rechte Politik und Sprache zu reflektieren.

„Wellen“ von Flüchtlingen, die nach Europa „schwappen“. Ein Innenminister, der diese „konzentriert“ an einem Ort halten will. Dann der Wunsch des Kanzlers, die neue Regierung möge erst an Taten gemessen werden. Aber Worte, vor allem solch heikle, sind auch schon Taten, denken sich fünf Autoren aus Wien und Berlin. Unter ihnen Thomas Arzt und Gerhild Steinbuch: Wie ihre drei befreundeten Kollegen – Thomas Köck, Sandra Gugic, Jörg Albrecht – haben sie sich vor allem durch dramatische Arbeiten fürs Theater einen Namen gemacht, bevor sie im Vorfeld der Bundespräsidentschaftswahl befanden: Die Sprache dürfe nicht durch rechten Populismus vereinnahmt werden.

Glanz abkratzen. „Plötzlich wurde mit scheinbar normaler Offenheit eine erschreckende Rhetorik benutzt, gleichzeitig hörte man auf der Straße: ,Endlich sagt das mal jemand‘“, erinnert sich Arzt. Ihn plagte die Frage: Kann man als Schriftsteller etwas tun? Zu fünft suchten sie eine Strategie, um politische Entwicklungen zu beobachten und unbedachten Sprachgebrauch offenzulegen. Sie wurden im Internet fündig, setzten auf jenes Mittel, das sie am besten beherrschen – das Schreiben: „Wir gingen mit fünf Texten gleichzeitig online, um fünf vor zwölf“, schildert Steinbuch die Geburt von Nazis & Goldmund.

Die symbolträchtige Uhrzeit „war ein Spiel“, erzählt Arzt. Spielerisch ist auch der Name, den sich das Kollektiv in Anlehnung an Hermann Hesses Romantitel verpasst hat. „Es geht darum, ein zweites Mal auf Begriffe zu schauen“, so Arzt. „Was macht Goldmund aus? Das Wort glänzt. Wir aber wollen scheinbar glänzende Begriffe zerlegen, ihren Untergrund zeigen. Außerdem: Darf man Nazis im Namen tragen? Dann dagegen anschreiben?“, nennt der Autor Überlegungen, die das Quintett beschäftigen. Ausdauernd stellen sie seit ihrem Start immer mittwochs zur selben Zeit einen Text auf ihren gleichnamigen Blog und lassen auch Gastautoren (bis dato Ferdinand Schmalz, Anna Gschnitzer, Andreas Spechtl und andere) zu Wort kommen.

Die Schreibenden selbst stehen dabei im Hintergrund: Vielmehr spricht die Hydra, das vielköpfige Monstrum der griechischen Mythologie. Sie haben sie als Ebenbild gewählt, um die Vielstimmigkeit ihres Netzwerkes zu versinnbildlichen, sagt Arzt: „Oft steht man sich in der Kunst gegenseitig im Weg, gerät unter Konkurrenzdruck, weil jeder sein Autorenlabel mitschleppt. Wir haben das nicht nötig. Jeder von uns hat seine eigene Stimme und Perspektive, im Vordergrund aber steht der gemeinsame Inhalt.“ Die monströse Hydra ist durchaus auch Symbol einer literarischen Kampfansage gegen NLP-Strategien, ausgehöhlte Diskurse und inhaltslosen PR-Sprech. „Wörter sind Waffen. Wir holen sie uns zurück“, so Steinbuch. „Aber nicht, um Feindbilder zu zementieren, sondern: Wie können Literatur und Kunst zu einer emanzipierten, kritikfähigen Gesellschaft beitragen? Auch, zu hinterfragen: Was heißt ein Wort wie Freiheit oder Demokratie heute noch?“, ergänzt Arzt. Im täglichen Fluss immer neuer Meldungen verursacht eine problematische Aussage vielleicht einen kurzen Aufschrei, Aufregung verebbt schnell wieder. „Wir aber machen halt und sagen: Schaut, dieses Wort, dieser Satz ist gefallen“, erklärt er. Steinbuch pflichtet bei: „Wir wollen die Komplexität von Begriffen vor Augen führen, so, dass man anfängt, nachzudenken.“

„Ängst-Detox“. Ihre Beiträge thematisieren Demokratisierung und Demagogie, Queeres oder Migration. Weisen auf vorbelastete Sprachfiguren hin. Besonders jetzt, im Gedenkjahr an den Anschluss 1938, sei das wichtig. Momentan be- und überschreiben sie das aktuelle Regierungsprogramm. „Alternative Fiction“ statt Gschichtldrucken – auf Steinbuchs Pullover prangt in glänzenden Lettern eines der Wortspiele, mit denen sie Erzählungen der Politiker demontieren möchten.
Warum Social Media, um für die Macht der Sprache zu sensibilisieren? „Der Blog ist ja ein Format mit niederschwelligem Zugang, jeder kann zugreifen und zeitnah auf Dinge reagieren“, erklärt Steinbuch. „Und natürlich, weil auch die Neuen Rechten das Internet nützen und man ihnen dessen Möglichkeiten der Informationsverteilung nicht überlassen sollte.“ Die Hydra schreibt: „Wir machen es für die Klicks.“ Dass auch dieses Statement ein ironisches Spiel ist, zeigt schon die nicht leicht zu bewältigende Länge ihrer Texte. Man braucht Zeit zum Schreiben und Lesen, in der Logik des Marktes und Internets ein seltenes Gut. „Wir sind wie ein kleiner Stolperstein“, sagt Arzt. Auch analog wollen sie Menschen ihrer Poesie aussetzen: Das nächste Mal verlassen sie die Web-Sphäre für „Ängst-Detox“ in Graz. Angst, das ist auch so ein inflationärer Begriff, den es zu hinterfragen gilt. Sie versuchen es mit Mantras, Yoga und Meditation, werden zeigen, dass die beliebte Beschäftigung mit sich selbst auch politisch sein kann. Außerhalb des Netzes gilt ebenso: Statt geläufige Meinungen zu bestätigen, wollen Nazis & Goldmund im Austausch in die Tiefe eines Themas kommen. Und mit ihrem Anliegen auch aus der Literaturblase hinaustreten, meint Steinbuch: „Wir wollen Banden bilden“.

Tipp

Online: Die Autoren von Nazis & Goldmund stellen
jeden Mittwoch um fünf vor zwölf einen Text auf ihren Blog: www.nazisundgold­mund.net

Offline: Lecture-Perfor­mance/„Ängst-Detox“/Talk in Graz, Forum Stadtpark, 28.  April, 18 Uhr. Konferenz „Ängst is now a Weltanschauung“ in Berlin, Ballhaus Ost, 14. bis 17. Juni.

("Die Presse", Kulturmagazin, 13.04.2018)

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