Die Ich-Pleite: Daseinsoptimierung

Übersiedelt ein Dorfbewohner in die nächstgrößere Ortschaft, ergibt sich ein Kulturkampf.

Übersiedelt ein Dorfbewohner in die nächstgrößere Ortschaft, ergibt sich ein Kulturkampf. Die zurückbleibende Horde gibt dem Abtrünnigen zu verstehen, dass er sich nicht so viel einbilden soll. Als Retourkutsche wird diesen Hinterwäldlertum attestiert. Der frischgebackene Kleinstädter wechselt aber die Fronten, wenn jemand es wagt, von hier in die Landeshauptstadt zu ziehen. Glaubt wohl, sie ist was Besseres, seit sie in Innsbruck wohnt. Mit landeshauptstädtischer Überlegenheit wird im Gegenzug der Kleinstadtmief filmreif dämonisiert. Zieht einer von hier nach Wien, wiederholt sich das Spiel abermals. Doch auch hier endet der Reigen nicht, wie ein „Kulturmontag“-Beitrag über in Berlin lebende Österreicher bewies. Die Wahlberliner waren so froh, nicht mehr in Wien, diesem Kaff, zu wohnen. „In Wien schauen sich die Leut’ gegenseitig dauernd an“, empörte sich die Schriftstellerin Eva Menasse, während der Journalist Christian Ankowitsch uns Losern riet, besser hierzubleiben, „wenn man diese streichelweiche, wattige Wiener G’schichte braucht“. Doch hier kann die Daseinsoptimierung noch nicht zu Ende sein. Die Besten schaffen es nicht nur, sich von der Wiener Zuckerwatte loszureissen, dem tödlichen Angeschautwerden zu entrinnen, sie finden auch noch Kraft, sich aus der Wahnsinnsstadt Berlin davonzumachen. Istanbul cool, Berlin scheiße. Dann Tokio! Mexiko! Und schließlich der ultimative Coup: Zum urchilligen Bergvolk, in den unberührten Hinterwald, in das beschauliche Dörfchen mit Kirchlein, polnischem Pfarrer und terischem Mesner, wo die Bewohner sich in einem aussterbenden Dialekt vor dem quirligen Highlight namens Dorfbrunnen unterhalten. Und ich Idiotin bin von dort weggegangen! 

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