Die Ich-Pleite: Fliegentöter

Manche Menschen bedauern, dass der Sommer langsam zu Ende geht. Ich bin froh darüber.

Im Winter gibt es weniger moralische Konflikte. Am Anfang des Sommers habe ich noch gesagt: Ich töte keine Tiere. Nicht einmal Fliegen. Tiere dürfen nicht diskriminiert werden, nur weil sie einen beim Mittagsschlaf stören. Das wäre krassester Speziesismus! Aber dann kam der Jahrhundertsommer der Stubenfliegen mit einer Fliegendichte, auf die jeder Misthaufen stolz gewesen wäre. Das habe ich charakterlich nicht überstanden. Jetzt kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Der erste Mord ist immer der schwierigste. Die erste Fliege, die man mit einem gezielten Geschirrtuchhieb ins Jenseits befördert, muss vorher noch sehr, sehr lästig gewesen sein. Sie muss einem laut surrend um die Ohren geflogen sein, sich frech auf die Nase gesetzt und jede friedliche Vertreibungsart verweigert haben, bevor man sie wirklich TÖTEN will. Bei der zweiten ist es schon leichter. Und ab der dritten ist die dünne Zivilisationsschicht durchbrochen. Fliegt eine Fliege zum Fenster herein, empfängt man sie bereits mit einer dicken Zeitung, Besen und Kehrschaufel. Bald beschäftigt man sich mit verschiedenen Tötungsarten, studiert Fliegentöter-Prospekte und besucht Fliegentöter-Internetseiten. Man probiert unterschiedliche Waffen aus – Fliegenklatschen, Fliegengrill, Gift, klebrige Fliegenfallen. Letztere sind übrigens wirkungslos. Bei mir hat es drei Wochen gedauert, bevor sich eine Fliege in der Falle festgesetzt hat. Es war eine schöne, große Stubenfliege. Sie hat verzweifelt versucht, ihre kleinen Beinchen von der Klebefläche zu heben. Ich habe sie dann befreit. Jetzt warte ich, bis es endlich Herbst wird.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.