Die Ich-Pleite: Nett Verpacken

Viele Menschen müssen von Berufs wegen anderen Leuten schlechte Nachrichten überbringen: Ärzte, Polizistinnen, Lehrer, Finanzbeamte, Meteorologen.

Das ist nicht einfach. Für beide Seiten nicht. Und das mit dem netten Verpacken der schlechten Nachricht ist so eine Sache. So manche Verpackung ist so durchschaubar, dass ihr Horror den des verpackten Inhalts schon übertrifft. Sagt er zum Beispiel zu ihr: „Ich habe dich total gern! Die Freundschaft zu dir ist mir unheimlich wichtig!“ Jede versteht sofort den Klartext: „Es tut mir leid, Schatzi, es gibt eine andere.“ Oder der Unternehmensberater erklärt dem Firmenchef: „In Ihrer Firma steckt Potenzial. Unter Ihren Leuten schlummern ungeheure Talente.“ Klartext: „Die Auftragslage ist desaströs, die Mitarbeiter ein unmotivierter Chaotenhaufen. Und ein Fisch fängt beim Kopf zum Stinken an, und merken Sie sich schon einmal den Geburtstag der Frau vom Insolvenzverwalter.“ Die Volksschullehrerin sagt zur Mutter: „Der Benni ist ein lebhafter, aufgeweckter Bursche.“ Klartext: „So ein unmöglicher Fratz! Ist der auf Drogen, oder was? Wenn er noch einmal auf dem Pult herumtrommelt, dann geb ich ihm Baldrian in die Schulmilch!“ Der Immobilienmakler zum Kauf­interessenten: „Das ist ein charmantes Häuschen für kreative Geister.“ Klartext: „Fenster können Sie sich aufmalen.“ Inzwischen haben wir uns schon so an diese umgekehrte Bedeutung der Nettigkeiten gewöhnt, dass es verdammt schwierig ist, jemandem etwas Nettes zu sagen, das auch so gemeint ist. Vielleicht hätte ich gestern doch nicht das Geschirr zertrümmern sollen, nur weil er mit einem Strauß roter Rosen bei der Tür hereingekommen ist? Wenn er wenigstens nicht gesagt hätte: „Ich hab dich total gern!“ Da flippt doch jede aus!

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.