Die Ich-Pleite: Diebesgut

Als ich das erste Mal etwas gestohlen habe, war ich fünf. Es war eine kleine Tafel weiße Schokolade mit Krokant.

Am nächsten Tag hat mein Kindergartenschwarm eine andere geküsst. Das ist die ‚Gottesstrafe‘, dachte ich. Seither habe ich es vorsichtshalber nicht mehr probiert. Bis heute Vormittag. Da hab ich einen Lippenstift geklaut. Es war allerdings Konsumentinnennotwehr. Ich glaube nicht, dass ich moralisch schuldig bin. Ich kam nämlich in hehrer Kaufabsicht. Sicher, man könnte sagen: In einem Biosupermarkt soll man keine Lippenstifte kaufen. Aber da sehe ich diesen Testlippenstift mit der Farbe 14, und er ist genau das, was ich seit Jahren suche. Ein sattes Pfingstrosé, mit ein bisschen Kirsch. Allerdings finde ich die Nummer 14 nirgends. Ich erhalte die Auskunft, dass die Nummer 14 nicht da sei. Im Moment. Eine Woche später war sie auch nicht da. Und zwei Wochen später auch nicht. Und drei Wochen später immer noch nicht. Nur der Tester war noch da. Ein bisschen weniger von ihm zwar, aber immer noch schön pfingstrosé. Wann der Lippenstift denn nachgeliefert werde? Achselzucken.
In einer anderen Biosupermarkt-Filiale gibt es gar keine Nummer 14. Nicht einmal zum Testen. Ob sie den Lippenstift in Nummer 14 hätten? Hä? Ich zeige auf die Nummer 13. Nummer 14! Es ist nur da, was da ist. Ob er vielleicht noch geliefert würde? Achselzucken. Vielleicht in einer anderen Filiale? Ein Nix-Verstehen-und-außerdem-muss-ich-in-Zeitlupentempo-Äpfel-sortieren-Blick. Also vergesse ich den Lippenstift, bis ich ihn heute wiedersehe. Was soll ich sagen? Es ist ganz einfach. Was man als Kind lernt, das vergisst man nicht. Zu Hause packe ich das Diebesgut aus: meinen Testlippenstift mit der Traumfarbe Nummer – neiiiiin!!! – 13.

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.