Die Ich-Pleite: Winter

Der Winter ist das Schmuddelkind unter den Jahreszeiten. Er wird von kaum jemandem gemocht.

Nicht einmal dort, wo der Winter schön ist. In einer Schweizer Onlinestudie gaben zum Beispiel nur knappe sieben Prozent den Winter als ihre Lieblingsjahreszeit an. Von ihnen sind 90  Prozent Schneekanonenbesitzer, acht Prozent betreiben eine Eisdiele und verbringen den Winter auf Gran Canaria, und zwei Prozent haben die Frage nicht richtig verstanden. Wäre der Winter eine Partei, müsste er bei den nächsten Wahlen um den Einzug ins Parlament bangen. Dabei kann der Winter nichts dafür. Er hat den Platz mit der wenigsten Sonne und den meisten Selbstmordkandidaten abbekommen. Psychologen nennen die Winterdepression Seasonal Affective Disorder. Da hilft es auch nichts, wenn der ORF-Wetterbericht schreibt: „Morgen hebt sich der Nebel. Und wird also zum Hochnebel.“ Das ist so, als sagte man: „Das Meeting ist nicht im kleinen Konfi, sondern im großen.“ Trotzdem ist der Chef grantig, weil ihm seine Frau gesagt hat: „Entweder wir teilen uns die Kinderbetreuung, oder es gibt keinen Nachwuchs.“ Um aus dem Umfragetief herauszukommen, spielt der Winter jeden Trumpf aus, den er hat. Zum Beispiel Weihnachten, „die fünfte Jahreszeit“. Schon seit Jahren expandiert er so klammheimlich in Richtung Herbst. Jedes Jahr werden die Christkindlmärkte ein bisschen früher aufgesperrt, wird die Weihnachtsbeleuchtung ein bisschen früher aufgehängt. Es ist zwar noch nicht so, dass Weihnachten mit Ostern zusammenstößt, aber viel fehlt nicht mehr. Mehr Punschstandln als Schneeflocken gibt es in Wien sicher schon. Dafür ist der Frühling nicht mehr fern, wenn der letzte After-Work-Punschist seinen Rausch
ausgeschlafen hat.

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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