Die Ich-Pleite: Stimmung

Wäre ich als Mann zur Welt gekommen, würde ich meine Identitätskrise beim Porschehändler ausagieren.

Oder auf einer Dating-Plattform. Das ist kindisch! Ich lasse mir lieber einen Termin bei einer Alternativmedizinerin geben. Obwohl bis jetzt noch jede Freundin, die bei einer Alternativmedizinerin hineingegangen ist, mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit wieder herausgekommen ist. Bei mir sind es das Süße und der Alkohol. Ein Monat völliger Verzicht. Früher hätte ich an Suizid gedacht. Jetzt erhöhe ich einfach meine Antidepressiva-Dosis und gehe nicht mehr aus dem Haus. Nach einer Woche Heulen und Zähneklappern besorgt mir eine Freundin einen Termin bei einer anderen Alternativmedizinerin. Die sagt: Milchunverträglichkeit. Ein Monat völliger Verzicht. Jetzt trinke ich meinen Caffè Latte mit grausigem Süßstoff und grausiger Sojamilch. Dafür rauche ich wie ein Schlot. Mein Leben ist ein Jammertal. Dann höre ich von dieser Wunderheilerin. Sie sagt, ich hätte eine Schwermetallvergiftung. Ein Monat strengstes Rauchverbot. Als ich das letzte Mal gelacht habe, schrieben wir noch 2014. Meine Wangenmuskulatur ist schon verkürzt. Draußen wird’s Frühling, drinnen herrscht tiefste Winterdepression. Ich überlege schon, wem ich meine Kleidersammlung vererben soll. Und weil’s eh schon egal ist, vergrößere ich sie noch ein bisschen. Das hebt die Stimmung, das muss ich schon sagen! Und weil es die Stimmung so hebt, mache ich es gleich noch einmal. Und dann noch einmal. Und noch einmal. Und dann ruft mich meine Bankberaterin an und sagt, mein Konto habe eine Shoppingunverträglichkeit. Morgen schreibe ich mich bei einer Dating-Plattform ein. Es bleibt einem ja sonst nichts.

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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