Die Ich-Pleite: Massenhysterie

Später werden die Eltern ihren Kindern abends vor dem Kamin Geschichten über die Liebe erzählen.

Da hat es einmal eine Zeit gegeben, werden sie sagen, da mussten Männer und Frauen noch gemeinsam in einer Wohnung leben und sogar in einem Bett schlafen. Und die Kinder hat man noch selbst gemacht – fragt mich bitte nicht, wie, das soll euch die Lehrerin erzählen. Den damaligen Menschen war das noch nicht peinlich. Nur den Japanern. Vier Fünftel der japanischen Jugendlichen sagten, dass sie lieber allein leben wollen. Die übrigen Menschen taten alles, um zu einem „Partner“ zu kommen. Schmerzhafte und unwürdige Dinge! Es war eine Massenhysterie. Ihr müsst euch das vorstellen wie weiße Mäuse sehen. Wenn sie „verliebt“ waren, verwandelten sich normale Menschen in den Augen der Betroffenen in überirdische Lichtgestalten. Nach ungefähr einem Jahr verschwand der Wahn und zurück blieb eine chronische Unzufriedenheit. Die Menschen kannten verschiedene Behandlungsmethoden, die aber ungefähr so viel bewirkten wie zerstoßene Fledermauszähne bei Dornwarzen. Schon etwas, aber man muss daran glauben. Sie besuchten zum Beispiel gemeinsam eine „Paartherapie“, wo sie vor einem Therapeuten alles wiederholen mussten, was der andere gerade gesagt hat. Manche gingen auch „fremd“. Das heißt: Sie verliebten sich in eine zweite Person, wodurch sich die Unzufriedenheit verdoppelte. Klingt verrückt, war es auch. Wenn die Japaner nicht gewesen wären, würden wir vielleicht immer noch die Bikinizone harzen und Wimpern zupfen, um neben einem schnarchenden Menschen nachts wach liegen zu können. Aber dann wurde das erste Roboterbaby erfunden. Das war euer Urgroßvater! So, jetzt aber huschhusch ans Ladegerätchen! Eure Batterien schauen schon ganz leer aus!

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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