Die Ich-Pleite: Englisch sprechen

Man sieht mir die Inländerin auf 100 Meter an. Und ich werde nie gefragt, wie man meinen Namen schreibt.

Jedenfalls nicht von Menschen, die Deutsch als Muttersprache haben. Sie fragen höchstens: Sie sind aber nicht aus Wien, oder? Weil das hört man. Bei der Freundin meiner Freundin ist es genau umgekehrt. Sie klingt perfekt inländisch, aber man sieht ihr die Ausländerin sofort an. Da täuscht man sich allerdings. Denn die Freundin meiner Freundin ist in Österreich geboren. Wenn sie mit Kopftuch ein Wiener Innenstadtgeschäft betritt, fragt sie die Geschäftsführerin, ob sie sich als Reinigungskraft bewerben will. Und wenn sie den Mund aufmacht, schaut sie die McJobberin hinterm Tresen so an, als würde die Freundin meiner Freundin ihr gleich die Arbeit wegnehmen. „Deshalb“, sagt die Freundin meiner Freundin, „hat uns meine Mutter beigebracht, dass wir in österreichischen Geschäften Englisch reden.“ Wenn sie Englisch spricht, ist sie nämlich keine Ausländerin mehr. Dann ist sie eine Touristin. Und Touristen wollen bei uns ja nicht leben, sondern nur viel Geld ausgeben.
„Das könnte man ja kopieren“, überlege ich laut. „In Wiener Innenstadtgeschäften werde ich als Tirolerin immer so angeschaut, als hätte ich irgendwo ein paar Kühe versteckt und würde gleich fragen, ob sie Speckkkk als Zahlungsmittel akzeptieren. Wenn ich Englisch spreche, hält man mich vielleicht für eine reiche Amerikanerin mit Tiroler Wurzeln.“ Meine Freundin grinst mich an: „Nein, dann halten sie dich nur für eine Tirolerin, die weder gut Englisch noch gut Deutsch kann. Du hättest halt in deiner Skihauptschule mehr lernen statt wedeln sollen.“ Ich habe Angst, dass mir die Ausländer die Arbeit wegnehmen.

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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