Die Ich-Pleite: Reispapierlampe

Der Igel ist das älteste Säugetier in Mitteleuropa. Es gibt ihn schon seit 180 Millionen Jahren.

Er hat das Kommen und Gehen der Dinosaurier erlebt, das Auftauchen des Menschen und sein Verschwinden wird ihm nicht einmal ein Stachel-Aufstellen entlocken. Denn er weiß: Bald kommt der nächste Superaffe, der glaubt, die Schöpfung habe auf ihn gewartet. Die Reispapierlampe ist der Igel der Wohnungseinrichtung. Wenn man mit Sack und Pack in eine Wohnung einzieht, ist sie immer schon da. Man wirft einen Blick darauf und nimmt sich vor, sie ehebaldigst zu beseitigen. Später dann, wenn man sich ein bisschen eingerichtet hat. Die Reispapierlampe stammt meist vom Vormieter des Vormieters des Vormieters, der ein armes Studentenpaar war, das irgendwann in den Achtzigern eingezogen ist. Später hat das Studentenpaar angefangen, Geld zu verdienen und Billy, Ivar und Konsorten gegen eine Vollholz-Vollgesund-Feng-Shui-Einrichtung auszutauschen. Nur bei den Lampen konnte es sich nicht einigen. Und dann auch nicht mehr beim Haushaltsgeld, bei der Kindererziehung und der Definition von „Freundschaft“ bei außerehelichen, gegengeschlechtlichen Kontakten. Irgendwann ist das Studentenpaar dann ausgezogen. Nacheinander. Eingezogen ist eine Jungfamilie, die hier ein paar Lebensabschnittsjahre verbracht hat. Die perfekte Lampe sucht sie immer noch – aber jetzt in einem eigenen Haus im Grünen mit Badeteich und Kugelgriller. Zurückgeblieben sind die Spuren kindlicher Kreativität auf den Badezimmerfliesen und die Reispapierlampe. Aber ich fürchte, die Reispapierlampe wird erst beseitigt werden, wenn dereinst eine fremde Spezies auf dem Planeten landet. Später dann, wenn sie sich schon ein bisschen eingerichtet hat.

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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